Adele Tour 2016 Berlin

Adele Tour 2016 Berlin © Felicitas von Anhalt

Adele Tour 2016 Berlin

 

Wertung: 🙂 🙂 🙂 🙂  (vier von fünf)

Von Felicitas von Anhalt

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11.5.2016

In Gedanken versunken, aber gespannt wie eine 12jährige auf dem Weg zum Summercamp, lief ich den Weg von der S-Bahn Warschauerstraße zu dem was wir jetzt „Mercedes-Benz“-Arena nennen sollen. Das letzte Mal, dass ich auf einem Konzert war, tanzte ich noch mit Menschen, die nicht rhythmisch von links nach rechts stampften und das vorletzte Mal lag noch in einer Zeit, als ich dachte ich würde irgendwann Justin Timberlake heiraten und wär mit 21 auf dem Weg zu meinem ersten Oscar. Weil, mit 21 steht man ja bekanntlich schon total im Leben und weiß genau wo die Reise hingeht. Ganz klar! Kurz gesagt, Berlin hat auch mich irgendwann in den schwarzbekleideten Exzessstrudel der elektronischen Musik gesogen, woraufhin ich jegliche Verbindung zur Pop-Musik verloren habe. Das Meiste was heute so unter dem Namen Pop im Radio läuft finde ich in etwa so spannend wie Gänseblümchen beim Wachsen zuzusehen und ich würde mir lieber stundenlang das Schreien einer Ziege anhören während jemand mit einem Kochlöffel auf eine Bratpfanne haut, als das was heutzutage im Radio als „House-musik“ verkauft wird.

Aber eine Ausnahme gibt es für mich seit 2007 in der trockenen Radiowüste: Adele. Obwohl ich mich selbst immer als Zynikerin der Power-balladen und des Rom-Com-Geschnulzes unserer Zeit gesehen habe, finde ich Adele einfach gut.Nachdem ich bereits mehrfach online ihren Auftritt in der Royal Alberthall gesehen habe, bewegte ich mich also mit großen Erwartungen gen Konzert und wurde erst kurz vor der Halle von einem tätowierten Mid-40er mit einem „Suche Ticket“ Schild aus meinen Gedanken gerissen. Was mich irgendwie glücklich machte.

Ich betrat die Arena und setzte mich etwa 15 Minuten vor Beginn des Konzertes brav auf meinen Platz. Meine Reihe war noch so gut wie leer und ich begann mit leicht leidendem Blick, da ich kein Handynetz hatte, auf das Kommende zu warten. Zur Selbstbeschäftigung machte ich erst einmal einige Fotos von Halle und Bühnenbild. Dieses bestand aus Adeles geschlossenen Augen in Großaufnahme, welche wie immer von einem Lidstrich umrandet waren, bei dem jede auch nur leicht grobmotorische Frau schwitzige Handflächen bekommt. Als ich gerade die vordere, viereckige Bühne betrachtete, welche in der Mitte des Parketts platziert war, merkte ich, dass sich meine und die Reihe vor mir langsam füllte. Auffällig war allerdings, dass die Personen alle allein kamen und eindeutig weniger begeistert schienen als der Rest der Zuschauer. Nach anfänglicher Panik, man hätte mich in der Reihe der Neu-Singles platziert, welche anwesend seien, um laut in Taschentücher zu prusten und wild Nachrichten an die kürzlich Verflossenen in ihre Handys zu hacken, ging mir auf, dass es sich dabei natürlich um die Vertreter der Presse handelte. Ich schob das Bier welches ich mir zu Anfang geholt hatte etwas weiter unter meinen Sitz und versuchte möglichst einzublenden. Ich würde sagen ohne Erfolg.

Adele Tour 2016 Berlin - Mercedes-Benz-Arena © Felicitas von Anhalt

Adele Tour 2016 Berlin – Mercedes-Benz-Arena © Felicitas von Anhalt

Nur 10 Minuten nach der angekündigten Zeit ging es los mit einem lauten „Hello“, welches durch den Raum schallte. Der Blick geradeaus zeigte dass Adeles eifersuchtserregend-perfekt-umrandete Augen sich geöffnet hatten. Auch wenn es nicht unbedingt ein kreativer Geistesblitz ist eine Show mit einem Titel namens „Hello“ zu eröffnen, hatte es in Verbindung mit den dramatisch auf – und zuschlagenden Augen definitiv bereits einen Wow-Effekt. An diesem war nicht zuletzt das Gefühl der Nähe schuld, welches bei dem Zuschauer durch dieses Bild erzeugt wurde. Auf einmal wuchs die heißersehnte Dame wie ein schwarz glitzernder Grashalm aus dem Boden der vorderen Bühne hervor.Während die um mich herum Sitzenden die Notizblöcke und Stifte zückten und energisch anfingen Wort zu Papier zu bringen, sprang der Rest der Halle auf und zückte kreischend seine Telefone, um ebenso energisch auf den Startknopf ihrer Smartphone Kameras zu drücken. Unsicher wo genau hier mein Platz sei, entschied ich mich ebenfalls freudig aufzuspringen, wild auf den Play-Knopf meiner Kamera zu drücken und energisch Notizen in mein Handy zu tippen. Die Hoffnung somit ein bisschen journalistische Glaubhaftigkeit bei meinen „Kollegen“ vorzutäuschen wurde daraufhin durch eindeutige Blicke sofort im Keim erstickt.

Adele Tour 2016 Berlin - Mercedes-Benz-Arena © Felicitas von Anhalt

Adele Tour 2016 Berlin – Mercedes-Benz-Arena © Felicitas von Anhalt

Anschließend wurde „Hometown Glory“, begleitet von einer Slide-Show mit Bildern Berlins zum Besten gegeben, zur großen Freude aller Zugezogener und auch der drei anwesenden Ur-Berliner. Da zu diesem Zeitpunkt noch nicht all zu viel von der Dame selbst zu sehen war und ich das Brandenburger Tor nun auch schon seit mehr als 10 Jahren regelmäßig betrachten darf, wird unumstößlich und wie erwartet deutlich, dass es wirklich kein Argument gegen diese Stimme gibt. Ich hatte mich im Vorfeld des Konzertes ein wenig bei Personen umgehört, die (mehr oder weniger entfernt) mit ihr zusammenarbeiten. Hatte ich doch die leise Hoffnung, irgendetwas Schockierendes zu erfahren, um nicht eine einzige Lobeshymne niederschreiben zu müssen. Doch die von mir Befragten und anscheinend selbst die Tontechniker etc. schienen sich einig, dass es sowohl an der Stimme wie auch an der Frau selbst nichts zu meckern gibt.

Adele Tour 2016 Berlin - Mercedes-Benz-Arena © Felicitas von Anhalt

Adele Tour 2016 Berlin – Mercedes-Benz-Arena © Felicitas von Anhalt

Als Adele kurz darauf anfing mit der Zuhörerschaft zu interagieren, schien ersichtlich zu sein wieso. Es lässt sich nicht bestreiten: der Charme dieser Frau sucht seinesgleichen. In ihrem bodenlangen, paillettenbesetzten Kleid zeigt Sie sich äußerlich als unangefochtene Diva ihrer Generation was von ihrer Wahnsinnsstimme nur unterstützt wird. Sobald sie jedoch den Mund zur Konversation öffnet vergisst man komplett das imposante Erscheinungsbild. Anstatt einer wohleinstudierten Rede gibt Sie im typischen Londoner Cockney-Akzent zum Besten, wie Sie in den vergangenen Tagen in Berlin den Zoo besucht hat, wie sie das letzte Mal, als Sie vergaß die Schleppe ihres Kleides zu heben „face planted“ hinfiel und dass Sie froh sei, ein hochgeschlossenes Kleid zu tragen, da Sie sich einen beeindruckenden Sonnenbrand im Dekolleté geholt hatte. Eine Ansprache, welche durchflochten war von all den Begriffen welche im amerikanischen Fernsehen durch „beep“ ersetzt werden.

Adele Tour 2016 Berlin - Mercedes-Benz-Arena © Felicitas von Anhalt

Adele Tour 2016 Berlin – Mercedes-Benz-Arena © Felicitas von Anhalt

Diese Gesamterscheinung kreiert ein wunderbar gesundes Bild eines humorvollen Weltstars, welcher seinen Herzschmerz erfolgreich in Texten verarbeitet. Ich konnte einfach nicht anders als mich herzlich mitzufreuen und mitzulachen, während um mich herum analysiert wurde, als wären wir bei einem Hackathon. Als es dann mit der Musik weiterging und auf dem Screen Adeles Gesicht in Übergröße erschien, sah man auch im Großformat wie ihre Mimik und Gestik jedes ihrer Worte und Texte perfekt widerspiegelte. Ob das nun einstudiert ist oder nicht, kann ich nicht mit kompletter Sicherheit beantworten, doch auch hier wie in allem anderen strahlt Sie eine entwaffnende Authentizität aus. Als Sie sich dann noch zwischen den Songs Zeit nimmt hier und da Selfies mit ihren Fans zu machen und sie nach deren Herkunft und Ähnlichem zu fragen, scheint es, als hätte die Halle einen simultanen epileptischen Anfall. Sie plaudere einfach gerne, meint Sie, und – beep -, man kauft es ihr einfach ab. Sie erzählt, dass Sie von 104 Shows noch 78 weitere vor sich habe und in dieser Zeit weder Alkohol, noch Kohlensäurehaltiges trinken darf, auch kein scharfes oder frittiertes Essen zu sich nehmen und jeden Tag zum Sport gehen muss. Hierdurch wird mir einmal wieder klar, wie leicht man doch vergisst, welche Disziplin diese Künstler haben müssen. Ich weiß nicht, wie es dem Leser geht, aber ich würde das circa 12h durchhalten und mich dann mit einer Flasche Rotwein und einem Eimer Spicy Chicken Wings ins Bett legen und selbstmitleidig in mein Kissen schluchzen.

Adele Tour 2016 Berlin - Mercedes-Benz-Arena © Felicitas von Anhalt

Adele Tour 2016 Berlin – Mercedes-Benz-Arena © Felicitas von Anhalt

Doch weiter ging es mit der Musik. Bei „Set Fire to the Rain“ findet Sie sich wieder auf der vorderen Bühne ein und ein Regenschleier umhüllt ihre Bühne. Ein bisschen Drama muss sein! Am Ende des Songs versinkt sie so elegant wie Sie daraus hervor wuchs wieder im Boden. Während sich die Reihen der Professionellen nun langsam zu leeren begannen, kamen nach minutenlangem Standing-Ovation, die Zugaben. Mit „When we were young“, begleitet von einer Slideshow aus mehr oder minder vorteilhaften Kinder und Jugendbilder der Sängerin, endet die Show.

Adele Tour 2016 Berlin - Mercedes-Benz-Arena © Felicitas von Anhalt

Adele Tour 2016 Berlin – Mercedes-Benz-Arena © Felicitas von Anhalt

Danach sind mir ein paar Dinge klar. Ich bin, egal was wer deshalb über mich denkt, überzeugter Fan dieser unverwechselbaren Sängerin. Dieser Artikel ist eine voreingenommene Lobeshymne. Und ich wünschte mir mehr Vorbilder wie diese sympathische Diva, die dem Begriff eine neue, „menschliche“ Definition und ein neues Gesicht gegeben hat.

 

Author: Felicitas von Anhalt

Studentin der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft, HMKW

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