Amphitryon an der Schaubühne Berlin

Amphitryon - Moniere - Schaubühne Berlin Foto: Holger Jacobs

Amphitryon an der Schaubühne Berlin

 

Von Holger Jacobs

16.10.2019

Wertung: 🙂 🙂 🙂 🙂 (vier von fünf)

English Text below

Die beste Inszenierung von Herbert Fritsch an der Schaubühne

Ohne zu übertreiben darf behauptet werden, dass der Schauspieler und Dramatiker Moliere (eigentlich Jean-Baptiste Poquelin, *1622 – †1673) neben William Shakespeare der wohl bekannteste und erfolgreichste Bühnenautor der letzten 400 Jahre ist. Gerade seine Komödien sind quasi ein Erfolgsgarant für jedes Theater, die Stücke wie „Tartuffe“, „Der eingebildete Kranke“, „Der Geizige“ und „Don Juan“ finden sich im Repertoire fast aller großer Bühnen im europäischen Raum. Das Stück „Der Menschfeind“ mit Ulrich Matthes in der Hauptrolle läuft zurzeit überaus erfolgreich im Deutschen Theater – jede Vorstellung ist ausverkauft.

Der besondere Kick bei Molière ist wohl, dass seine Stücke nicht nur lustig, sondern auch intelligent sind. Die Figuren sind präzise durchdacht, die Handlung hat einen schnellen Rhythmus und die Situationskomik passt in jede Zeit hinein. Egal ob wir das Jahr 1668 (Urauffführung),  das Jahr 1768, 1868, 1968 oder 2019 schreiben:
Der Zuschauer versteht auf Anhieb worum es geht und kann die Reaktionen der Darsteller nachvollziehen. Es handelt sich sozusagen um universelle Verhaltensweisen des Menschen, die sich wohl nie verändern werden – genau wie bei den Komödien von Shakespeare (*1564 – †1616).

So sitzen wir als Zuschauer, wie schon vor 400 Jahren, auf unseren Theaterstühlen und warten gespannt auf das, was kommen mag.

„Amphitryon“, Molière, Theatre de Poche

Handlung

Aus der griechischen Mythologie: Der Feldherr Amphitryon kehrt aus einer erfolgreichen Schlacht gegen die Athener nach Theben zurück, wo er sehnsuchtsvoll zu seiner jungen Frau Alkmene läuft, die er erst vor kurzem geheiratet hatte. Doch zu seinem Erstaunen erzählt sie ihm begeistert von ihrer gestrigen gemeinsamen Liebesnacht, während er allerdings noch auf dem Schlachtfeld weilte. Es stellt sich heraus, dass Göttervater Jupiter sich als Amphitryon verkleidet die schöne Alkmene verführte. Erst nach einigen Verwirrspielen kommt die Wahrheit zur Verblüffung aller ans Licht.

Kritik

Eifrige Theatergänger kennen die Werke von Herbert Fritsch nur allzu gut. Zunächst als Schauspieler unter Frank Castorf an der Volksbühne Berlin tätig, entwickelte er seine eigenen Theaterstücke, die immer eine Verbindung von Drama, Kunstperformance und Musikdarbietung sind.
Stücke, wie „Murmel, Murmel“, „Ohne Titel Nr.1, „der die mann“oder „Pfusch“sind geniale Bühnenarbeiten voller Einzigartigkeit.

Manchmal übernimmt Herbert Fritsch auch Auftragarbeiten, indem er als Regisseur für die Inszenierung eines bereits existierenden Werkes engagiert wird. Wie z.B. für „Don Giovanni“ an der Komischen Oper 2014. Doch besser finde ich Herbert Fritsch meistens mit seinen eigenen Werken.

Für die Schaubühne Berlin, an die Herbert Fritsch nach dem Ende der Ära Castorf gewechselt war, sollte nun die Komödie „Amphitryon“ einstudiert werden.
Wobei sich sogleich die Frage stellt: Wird es mehr ein Herbert Fritsch oder mehr ein Molière?

Um gleich die Antwort zu geben: Es wurde Beides! Ohne den einen oder den anderen dabei allzu sehr aufzugeben.
Wie immer bei Herbert Fritsch wurde es bunt (das Farbspektrum der Bühnengestaltung und der barocken Kostüme wurde leidlich ausgeweitet), schrill (durch weit überzogenes Spiel, Mimik und Aussprache) und musikalisch.

Joachim Meyerhoff, Bastian Reiber, „Amphitryon“, Schaubühne Berlin, Foto: Thomas Aurin

Pianist und Kompositeur Ingo Günther in Verbindung mit der japanischen Xylophon-Spielerin Taiko Saito spielten die Begleitmusik zur Komödie, so, wie vor 100 Jahren die Pianisten neben der Leinwand die Stummfilme begleiteten.
Die Höhepunkte wurden durch Tastaturkaskaden betont und leise Momente durch leichtes Zirpen eines Geigenbogens.

In der Sprache blieb Herbert Fritsch erstaunlich nahe am Original von Molière, was sicher eine gute Entscheidung war, denn in den wenigsten Fällen mit neuzeitliche Texten wird das Niveau des ursprünglichen Autors erreicht.

Neben der üblichen „Fritsch- Gang“ um Florian Anderer, Werner Eng, Carol Schuler und Annika Meier (siehe „der die mann“) und Bastian Reiber (siehe „Null“von 2018) kamen dieses Mal noch Joachim Meyerhoff dazu.

Joachim Meyerhoff, gefeierter Burgtheaterschauspieler, zweimaliger Gewinner des „Schauspieler des Jahres“und seit dieser Spielzeit im Ensemble der Schaubühne, war im Zusammenspiel mit Bastian Reiber das Highlight des Abends.

Beide, Joachim Meyerhoff wie auch Bastian Reiber, spielen den Sosias, den Diener des Amphitryon. Der eine, gespielt von Joachim Meyerhoff, ist der echte, während der andere, gespielt von Bastian Reiber, eigentlich Merkur ist und sich nur in die Gestalt des Sosias verwandelt hat, um die Liebesnacht des Jupiters mit Alkmene vorzubereiten.

Schauspielerisch geben sich beide nichts; Meyerhoff, mit seinen riesigen blauen Augen, die verzweifelt sein unechtes Alter Ego betrachten, fand ich persönlich noch einen Tick besser.

Fazit: Ein neues Highlight für die Schaubühne! Witz, Schauspielkunst und musikalisches Vergnügen bereiten dem Zuschauer einen mitreißenden Abend.

„Amphitryon“ von Molière
Premiere war am 13.10.2019
Schaubühne Berlin
Regie und Bühne: Herbert Fritsch, Kostüme: Victoria Behr, Musik: Ingo Günther, Dramaturgie: Bettina Ehrlich, Licht: Erich Schneider

Mit Florian Anderer (der echte Amphitryon), Axel Wandtke (Jupiter), Werner Eng (die Nacht), Annika Meier (Alkmene),  Joachim Meyerhoff (Sosias), Bastian Reiber (Merkur), Carol Schuler (Cléanthis).

Nächste Termine: 17., 18., 20. und 31. Oktober, 1., 2., und 3. November 2019

Unsere Bilderserie mit 7 Fotos der Produktion:

Axel Wandtke, Annika Meier, „Amphitryon“, Schaubühne Berlin, Foto: Thomas Aurin

english text

Amphitryon at the Schaubühne Berlin
By Holger Jacobs
16/10/2019
Rating: 🙂 🙂 🙂 🙂 (four out of five)
The best work by Herbert Fritsch at the Schaubühne
Without exaggeration you can say that the actor and playwright Moliere (actually Jean-Baptiste Poquelin, * 1622 – † 1673) is next to William Shakespeare probably the best known and most successful  playwright of the last 400 years. Especially his comedies are a guarantee of success for any theater, the plays such as „Tartuffe“, „The Imaginary Sick“, „The miser“ and „Don Juan“ can be found in the repertoire of almost all major stages in Europe. The play „Der Misanthrope“ with Ulrich Matthes in the lead role is currently very successful at Deutschen Theater Berlin – every performance is sold out.
The special kick at Molière is probably that his pieces are not only funny, but also extremely intelligent. The characters are precisely thought-through, the plot has a fast rhythm and the situational humor fits in every century. Regardless of whether we write the year 1668 (Premiere), the year 1768, 1868, 1968 or 2019: The audience understands immediately what it is about and can understand the reactions of the performers: It is, so to speak, an universal behavior of people, that will never change – just like the comedies of Shakespeare (* 1564 – † 1616).
So, as a spectator, we are sitting on our theater chairs, as we were 400 years ago, eagerly awaiting what may come.
Story:
From Greek mythology: The commander Amphitryon returns from a successful battle against the Athenians to Thebes, where he runs longingly to his young wife Alkmene, whom he had recently married. But to his astonishment, she tells him enthusiastically about their night together a day before, where he still stayed on the battlefield. It turns out that Godfather Jupiter disguised himself as Amphitryon seduced the beautiful Alkmene. Only after some confusion does the truth come to the surprise of all.

„Amphitryon“, Molière, Theatre de Poche

Critics:
Busy theater-goers know the works of Herbert Fritsch quite well. First as an actor under Frank Castorf at the Volksbühne Berlin, he developed his own plays, which are always a combination of drama, art performance and music performance. Pieces such as „Murmel, Murmel“, „Untitled No.1“, „der die mann“ or „Pfusch“ are brilliant stage works full of uniqueness.
Sometimes Herbert Fritsch also does commission work by being hired as a director for the staging of an already existing work. Such as. for „Don Giovanni“ at the Komische Oper 2014. But I always like Herbert Fritsch better with his own pieces.
For the Schaubühne Berlin, to which Herbert Fritsch had moved after the end of the Castorf era, the comedy „Amphitryon“ was to be rehearsed. Whereupon the question arises immediately: Is this piece tonight more a Herbert Fritsch or more a Molière?
To give the answer: It is both!
As always, when Herbert Fritsch is directing, it was colorful (the color spectrum of the stage design and the baroque costumes was extended leisurely), shrill (facial expressions and pronunciation) and musically.
Pianist and composer Ingo Günther in conjunction with the Japanese xylophone player Taiko Saito played the accompaniment to the comedy, just as 100 years ago the pianists accompanied the silent films next to the screen. The highlights were emphasized by keyboard cascades and quiet moments by light chirping of a violin bow.
In language, Herbert Fritsch remained surprisingly close to the original by Molière, which was certainly a good decision, because in the fewest cases with modern texts, the level of the original author is never reached.
In addition to the usual „Fritsch gang“ to Florian Anderer, Werner Eng, Carol Schuler and Annika Meier (see „the man“) and Bastian Reiber (see „Null“ of 2018) this time Joachim Meyerhoff were added.
Joachim Meyerhoff, celebrated Burgtheater actor, two-time winner of the „Actor of the Year“ and since this season in the ensemble of the Schaubühne, was in collaboration with Bastian Reiber the highlight of the evening.
Both Joachim Meyerhoff and Bastian Reiber play Sosias, the servant of Amphitryon. The one, played by Joachim Meyerhoff, is the real, while the other, played by Bastian Reiber, is actually Mercury and has only been transformed into the figure of Sosias to prepare the night of love of Jupiter with Alcmene.
Actually, both are excellent, Meyerhoff, with his huge blue eyes, desperately looking at his fake alter ego, I personally found a little better.
Conclusion: A new highlight for the Schaubühne!
„Amphitryon“ by Molière
Premiere was on 13.10.2019
Schaubühne Berlin
Director and stage design: Herbert Fritsch, costumes: Victoria Behr, music: Ingo Günther, dramaturgy: Bettina Ehrlich, light: Erich Schneider
With: Florian Anderer (the real Amphitryon), Axel Wandtke (Jupiter), Werner Eng (the Night), Annika Meier (Alkmene), Joachim Meyerhoff (Sosias), Bastian Reiber (Mercury), Carol Schuler (Cléanthis).
Next performances: 17, 18, 20 and 31 October, 1, 2 and 3 November 2019

7 photos: Axel Wandtke, Annika Meier, „Amphitryon“, Schaubühne Berlin, Foto: Thomas Aurin

 

Author: Holger Jacobs

Founder & Editorial Director of kultur24.berlin ug.
Founder & Editorial Director of kultur24 TV on Youtube.
Former correspondent for fashion in Paris.
Photographer, writer and filmmaker.

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