Daniil Trifonov in der Philharmonie Berlin

Daniil Trifonov © Dario Acosta

Daniil Trifonov in der Philharmonie Berlin

Klavierkonzert

 

Von Holger Jacobs

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27.1.2016

Liebe Kulturfreunde,

 

am Montag Abend entbrannte ein Feuerwerk in der Philharmonie Berlin: Nicht Schwarzpulver knallte durch den Saal sondern musikalische Klänge, erzeugt von dem absoluten Ausnahme-Künstler Daniil Trifonov und seinen Steinway & Sons Konzertflügel. Harmonie ist seine Sache nicht, Diplomatie auch nicht, sondern hier wird klar in den Raum gestellt: Ich bin hier der Herr über den Flügel und über alles, was in den nächsten 2 Stunden hier passiert!

 

Wer ist der Pianist Daniil Trifonov?

 

1991 im russischen Nowgorod geboren , begann er im Alter von 5 Jahren mit dem Klavierspiel. Seine Ausbildung als Pianist genoss er sowohl in Moskau, als auch im Cleveland Institute of Music in den USA. Danach purzelten nur so die Preise: 3. Preis beim Chopin-Wettbewerb in Warschau 2010, 1. Preis beim Arthur-Rubinstein-Wettbewerb in Tel Aviv 2011 und den 1. Preis im Tschaikowsky-Wettbewerb in Moskau im selben Jahr. Dort bekam er zusätzlich den Grand Prix für die beste Leistung des Gesamtwettbewerbs.

 

Danach ging es auf Tournee in die weite Welt auf allen fünf Kontinenten. Besondere Beachtung fand 2013 das Konzert in der Carnegie Hall in London, welches von der Deutschen Grammophon aufgezeichnet wurde. Zwei Grammy-Nominierungen folgten sowie der ECHO-Klassik Preis in Deutschland 2014. Er der Junge ist gerade mal 25 Jahre alt!

 

Sein Spiel ist sehr ungewöhnlich. Er kann sehr zart und feinsinnig spielen, dann wieder hart und grausam. Aber er verliert dabei nie die Beherrschung.

 

Gleich zu Beginn eine technische Meisterleistung: Nur mit der linken Hand gespielt, komponierte Johannes Brahms (1833-1997) für Clara Schumann einen Klaviersatz, der seinen Ursprung in einer Chaconne (Tanz), einer Violin-Partitur von Johann Sebastian Bach hat. Was zunächst nur wie eine Fingerübung aussieht, entwickelt sich zum Kampf zwischen dem Pianist, den Noten und dem Klavier. Schweißtropfen rinnen Trifonov von der Nase auf die Tastatur. Mit der rechten, ungenutzten Hand, hält er sich an seinem Sitz fest. Den Kampf gewinnt Trifonov. Großer Applaus.

 

Vor der Schubert-Sonate in G-Dur muss er kurz hinaus, wahrscheinlich um sich erst einmal trocken zu reiben.

 

Franz Schubert spielt er dann genauso wild, aber dieses Mal will es nicht so recht gelingen. Vielleicht ist er zu ungestüm, vielleicht ist die Sonate auch nicht der große Wurf, ich langweile mich nach einiger Zeit, zumal die Sonate mit vier Sätzen auch recht lang ausfällt.

 

Danach 14 Variationen von Johannes Brahms nach einem Thema des Geigenvirtuosen Paganini. Her stimmt die Chemie, die Virtuosität des Geigers paart sich mit der Virtuosität des Pianisten. Nach dem ersten Stück mein eigentlicher Favorit des Abends.

 

Pause

 

Ich sitze hervorragend (Dank an das Pressebüro!) zentral in Block A direkt vor dem Podium, aber am Ende der Sitzreihe. Deshalb komme ich schnell raus und stehe als erster am Tresen (ist mir noch nie passiert). Ich schaue mich um, wo denn die anderen bleiben. Aber alles bleibt cool. Also ganz gemütlich einen Chardonnay und eine Brezel bestellt. An einem hohen Bar-Tisch lasse ich den Weißwein in mich hinein und checke meine Posts bei Facebook.

 

Der zweite Teil des Abends ist die Krönung. Man merkt gleich: Rachmaninov ist sein Ding, schließlich wurde der in derselben Stadt geboren wie er selbst. Trifonov gibt bei der Klaviersonate Nr.1 alles: Laut, leise, zärtlich, gewaltig bis schmerzhaft, überwältigend, aber nicht überschlagend – alles ist drin. Es geht um Leben und Tod, nicht mehr und nicht weniger!

 

Als der Abend nach über 2 Stunden endet (die Zugaben nicht eingeschlossen), sind die Zuschauer auf das Höchste gespannt und gleichzeitig ermattet. Kaum ein Musiker hat sie bisher so in die Höhen und so in die Tiefen gerissen wie Daniil Trifonov. Großer Applaus und Bravo-Rufe wollen nicht enden.

 

Als ein Blumenstrauß dem Künstler gegeben wird möchte man ein paar Zweige auch dem Klavier geben. Es wird ein paar Tage brauchen, um wieder `runter zu kommen…

 

Daniil Trifonov © Dario Acosta

4 Bilder: Daniil Trifonov © Dario Acosta

Author: Holger Jacobs

Founder & Editorial Director of kultur24.berlin ug.
Founder & Editorial Director of kultur24 TV on Youtube.
Former correspondent for fashion in Paris.
Photographer, writer and filmmaker.

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