Das Feuerschiff –Siegfried Lenz – Deutsches Theater

Ulrich Matthes, Das Feuerschiff, Deutsches Theater © Holger Jacobs

Das Feuerschiff –Siegfried Lenz – Deutsches Theater

 

Von Holger Jacobs

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06.03.2016

 

Liebe Kulturfreunde,

 

Intro:

 

wie aufmerksame Theaterbesucher sicher schon bemerkt haben, häufen sich die Theateradaptionen von Romanen und Erzählungen bekannter Autoren. Seien es die „Buddenbrocks“ am Hamburger Thalia Theater, sei es „Die Deutschstunde“ am Berliner Ensemble, sei es „Fabian“ an der Berliner Schaubühne und jetzt „Das Feuerschiff“ von Siegfried Lenz in den Kammerspielen des Deutschen Theaters. Als ich gestern Abend bei der Premierenfeier Intendant Ulrich Khuon daraufhin ansprach, sagte er mir, dass es die Möglichkeiten des Theaters erfolgreich erweitert.

 

Handlung:

 

Auf einem Feuerschiff unweit der Küste befinden sich neben der Besatzung der Kapitän Freytag zusammen mit seinem Sohn Fred. Für Freytag soll es die letzte Wache sein. Sohn Fred entdeckt auf See ein schiffbrüchiges Boot und Kapitän Freytag lässt es von seiner Mannschaft bergen. Es stellt sich heraus, dass es sich dabei um drei Gangster auf der Flucht handelt, ein Dr. Caspari mit seinen Gefolgsleuten. Der Sohn will sie überwältigen und festnehmen, der Vater mahnt zur Besonnenheit, da diese bewaffnet sind. Sohn Fred wirft daraufhin seinen Vater Feigheit vor und verweist auf eine frühere Geschichte, bei der der Vater sich ebenfalls zurückhaltend verhielt, als es darum ging, einen Kameraden zu retten. Die Gangster verlangen von Freytag, dass er sie mit dem Feuerschiff an Land bringt, damit sie weiter fliehen können. Doch Freytag stellt sich dagegen, mit der Begründung, dass dies andere Schiffe gefährden würde, wenn das Feuerschiff nicht mehr auf seiner vorgesehenen Position stünde. Irgendwann eskaliert die Situation und Schüsse fallen…

 

Kritik:

 

Als Siegried Lenz diese Erzählung 1960 veröffentlichte, meinte er hinterher, er hätte von seinem Fenster immer ein Feuerschiff sehen können und sich gefragt, was wohl passiert, wenn auf so engem Raum eine ausweglose Situation passiert. Der Regisseur Josua Rösing, der bisher Regieassistent am Deutschen Theater war und hier seine erste eigene Arbeit abliefert, versucht das Drama mit wenig Bühnenraum und wenigen Schauspielern auf das Wesentliche zu konzentrieren. Nicht die eigentliche Gangstergeschichte interessiert ihn, sondern das menschliche Verhalten in einer unvorhergesehen Situation. Dabei prallen jungendliches Heldentum und reifere Bedachtheit aufeinander. Während Sohn Fred sofort zur Tat schreiten und die Gangster überwältigen will und damit einen nicht einzuschätzenden Konflikt heraufbeschwört, zögert der Ältere und will erst einmal abwarten. Des Vaters Satz „Märtyrer waren mir schon immer suspekt“ drückt nicht nur seine Gefühlslage aus, sondern ist auch Parabel für alle voreilig gefällten Entschlüsse, die meistens mehr zerstören, als sie Gutes bringen. Sowohl wilden Aktionismus wie vorsichtiges Bedenken finden wir zu allen Zeiten und in allen Kulturen. Ein junger Mann will sich durch mutige Taten beweisen, der Ältere weiß um die Fehler, die dabei entstehen können. Besonders in der Politik finden wir Beispiele. Wenn man unserer Bundeskanzlerin Angela Merkel oft zögerliches Nichtstun vorwirft, so ist es doch mehr behutsames Herantasten an eine schwierige Situation. Und was mit Helmut Kohls “Aussitzen“ gemeint war, kennt heute noch jeder.

Regisseur Josua Rösing lässt das Kammerspiel sich langsam entwickeln und konzentriert sich geschickt auf den Vater – Sohn und den Freytag – Caspari Konflikt. Gegen Caspari scheint der Kapitän Oberwasser behalten zu können, doch der Sohn telegrafiert gegen seinen Willen mit der Wasserschutzpolizei, die dann auch plötzlich auftaucht und eine wilde Schießerei entfacht. Mit unbekanntem Ausgang.

 

Ulrich Matthes als Kapitän Freytag ist wie immer scharf konturiert und doch auch zurückhaltend wie selten. Seine schöne Sprache kommt hier besonders gut zum Tragen. Hans Löw als Caspari ist nicht ganz so stark, geht bei ihm doch stimmlich einiges verloren. Timo Weisschnur als Sohn Fred kann überzeugen, vor allem, weil er seinen Übermut durchaus zu beherrschen weiß und trotzdem die ihm wichtigen Dinge durchsetzen kann. Auch die Bühne von Mira König passt zum Spiel, nur die Videoleinwände hätte ich mir etwas größer gewünscht, dass Meer bleibt leider kaum spürbar. Großer Beifall am Premierenabend.

 

Alles in allem eine Inszenierung, die mich überzeugt hat.

Nächste Vorstellungen am 14., 20. und 30. März 2016

 

Sohn Fred Timo Weisschnur) auf dem Feuerschiff © Holger Jacobs

23 Bilder: Sohn Fred Timo Weisschnur) auf dem Feuerschiff © Holger Jacobs

Author: Holger Jacobs

Founder & Editorial Director of kultur24.berlin ug.
Founder & Editorial Director of kultur24 TV on Youtube.
Former correspondent for fashion in Paris.
Photographer, writer and filmmaker.

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