Die CODA Dessert Bar in Berlin

CODA Desert Bar Foto: Chris Patzig © kultur24.berlin

Die CODA Dessert Bar in Berlin

 

Von Josefine Kammerer

23.03.2019

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Die erste Dessert-Bar Deutschlands.

Eine ganz besondere Erfahrung genoss ich bei meinem Besuch der CODA Dessert Bar. Vor 2 Jahren eröffneten René Frank, Patissier, und Oliver Bischoff die CODA in Berlin-Neukölln. CODA – der angehängte, ausklingende Schlussteil eines Musiksatzes – wird hier zu Ouvertüre, Hauptteil und Finale.

Als Berlinerin, der die Entwicklung Neuköllns weiterhin etwas abstrakt, unerwartet und gewöhnungsbedürftig erscheint, war ich zunächst verwundert, dass sich ein derartiges Fine-Dine Restaurant ausgerechnet diesen Standort aussucht. Allerdings fiel schnell auf: hier gibt es keine walk-in Gäste, sondern die meisten scheinen aus aller Welt zu stammen und sie kommen ganz gezielt hierher. Es saßen sogar zwei weitere Gäste mit uns an der Bar, welche ebenfalls mit Notizblock und Kamera ihren Besuch dokumentierten.

Es handelt sich wirklich um ein einzigartiges Konzept: ein 7-Gänge Dessert Menü. Jedes Dessert besteht aus einer Tellerspeise und einem Getränk im Glas. Die Getränke werden aber nicht wie gewöhnlich von Sommeliers oder Barmänner/frauen kreiert, sondern vom Küchenteam selbst. Somit ergibt jeder Gang nur durch Teller & Glas zusammen eine Gesamtheit – keine Soloauftritte. Der Erklärung nach werden die Desserts mit all ihren geschmacklichen Komponenten imaginiert und schließlich landet ein Teil der Zutaten auf dem Teller und der andere im Glas. Somit ist der Drink auch eher als Sauce zum Dessert zu verstehen als eine gewöhnliche „Begleitung“, er ist ein fester Bestandteil.

Anders als die Bezeichnung vermuten lassen würde, sind die Dessert-Gänge keine Kumulation aus süßen Zuckerbomben, sondern werden ihrem Namen meist einzig aufgrund der Zubereitungsmethoden und/oder Zutaten, welche aus der Patisserie stammen, gerecht. So sind einige Gänge auch eher herzhaft als süß. Richtig süß war eigentlich keiner der Gänge, denn es wird kein raffinierter Zucker verwendet, sondern lediglich die natürliche Süße der Zutaten (Früchte oder Rüben) genutzt.  So werden beispielsweise die Chips der Garnitur in natürlichen Fruchtsäften karamellisiert. Auch werden nur selten tierische Produkte verwendet werden, um „umami“ zu erzeugen (die fünfte, als würzig beschriebene Geschmacksnote). Auch keine Eier oder kaum Milchprodukte, wie sonst üblich in der Patisserie, um die Dessertkreationen leicht zu halten. Auf Gluten wird ebenfalls fast gänzlich verzichtet. Beeinflusst durch René Franks längerem Aufenthalt in Asien finden sich neben den herkömmlichen auch viele asiatische Zutaten. Schon die Methodik und Rohprodukte lassen darauf schließen, dass große Kreativität gefragt sein muss, um hier ein abwechslungsreiches und spannendes Menü auf die Beine zu stellen – das Team hat sie.

3 Photos: CODA Bar Berlin Interieur, Foto: Chris Batzis

Das Restaurant ist relativ klein und in einem modern minimalistischen Stil designt und doch gemütlich. Ein paar Tische und eine lange Bar, welche in die offene Küche übergeht.  Mit den vielen beschrifteten Behältern, Dosen, Flakons und Fläschchen, allerdings in schwarz statt weiß, erinnerte mich der Raum etwas an eine Apotheke mit modern minimalistischen Hängeregalen statt altbackenen Holzregalen. Die langgestreckte Bar ist mit der dahinterliegender Küche verbunden, was notwendig ist, da es quasi keine Tätigkeitsaufteilungen gibt: Mal bereitet der eine den Drink vor, ein anderer die Speise und der Nächste serviert das Dessert, und beim nächsten Gang ist es genau andersrum. Denn alle Mitarbeiter sind hier entweder Konditoren, Patissiers oder Köche und servieren die Teller und Gläser selbst, somit ist eine genaue und detaillierte Beschreibung der Gänge auch garantiert.

Ähnlich zu „gewöhnlichen“ Fine-Dine Restaurants lässt die Speisekarte eine Dramaturgie erkennen. So startet es im ersten Satz mit einer geschmacklichen bunten Mischung an Snacks à la Amuse-Bouche: Grüne Apfelringe, eingelegt in Ingwer, saures „Fruchtgummi“ aus roter und gelber Beete, welches in weißem bzw. rotem Weintraubensaft eingelegt und mit Zitronensäure bestäubt wurde, Schweinhaut-Popcorn kandiert in Apfelsud und ein Küchlein aus Rindermarkknochen und Mandel (Knochenmark wird beispielsweise auch im Iran in einem Nachspeisepudding verwendet). Dazu gab es ein fermentiertes Ginger Bier mit Kürbis, Apfel und dezenter, aber dennoch erkennbarer Hefenote.

Hier unsere Bilder mit 3 Fotos:

3 Photos: Grüne Apfelringe, CODA Bar Berlin, Foto: Josefine Kammerer

Besonders gefallen hat mir der zweite Satz, ein Walnuss-Küchlein mit Kokosnusscreme, mit einer leicht säuerlich-fruchtigen Zwetschgenemulsion- und Chips, und garniert mit kaffeegerösteten Walnüssen und getrockneten Rotalgen, welche einen leichten Bacon-Geschmack hinzufügten. Darauf folgte ein weiterer Snack, welchen es meiner Meinung nach auch zukünftig als Eis im Tiefkühlschrank zu kaufen geben sollte – ein Nori (Algen)-Kokos-Sandwich Eis: zwischen zwei knusprigen Noriblättern ein Algen-Kokoseis. Sehr erfrischend, würzig und doch mit derleichten Süße der Kokosnuss.

Unsere Bilderserie mit 2 Fotos:

2 Photos: Walnuss Küchlein mit Zwetschge und Rotalgen, CODA Bar Berlin, Foto: Josefine Kammerer

Mein persönliches Highlight war im dritten Satz eine Sinfonie aus einem gegrillten Apfel mit Schalotten-Sultaninen-Marmelade, serviert auf einem Haferkeks und Rauchsalzeis. Eine wundervolle Mischung aus den rauchigen Geschmacksnoten des Eises und des gegrillten Apfels und seiner gleichzeitigen Süße und Säure, der reifen Süßeder Sultaninen und der süßlich würzigen Schalotten. Der knusprige Keks sorgte neben dem kalten Eis, dem warmen Apfel und den cremigen Konsistenzen für etwas Biss und der zehnjährige portugiesische Muscatel, mit einem Schuss Zwetschen und Zitronenschnaps verfeinert, untermalte das Thema nahezu perfekt.

Gegrillte Apfelscharlotten mit Marmelade auf einem Haferkeks, CODA Bar Berlin, Foto: Josefine Kammerer

Insbesondere bei dem darauffolgenden herzhaften Käsekuchen war das aus Bergkäse präparierte warme Fondant auf kandierter Birne mit kaltem Sauerkrautgranulat und bepudert mit Süßholzstaub ein Beispiel dafür, dass das Getränk das Dessert nicht nur begleitet, sondern erst zu dem macht, was es ist, denn der Cidre infusioniert mit Fichtensprossen setzte das Süßholz mit dem würzigen warmen Käse und der süßen Birne perfekt in Szene und intensivierte die einzelnen Geschmäcker sehr stark.

Bergkäsekuchen mit kandierter Birne, Sauerkrautgranulat und Süssholzstaub zusammen mit einem Glas Cidre, CODA Bar Berlin, Foto: Josefine Kammerer

Im vierten Satz folgten wieder allgegenwärtigere Dessertformen, wie eine Mango-Sauerrahmeis-Kreation, gesüßt mit Süßkartoffelsaft, oder eine Bananen-Kakao-Kreation. Nahezu alles wird hier von Grund auf selbst gemacht und somit werden selbst die Pralinen, welche als i-Tupfer am Ende gereicht werden, aus im hausgemahlenen Kakaobohnen gefertigt. Alles sehr aufwendig, aber das lässt sich auch schmecken.

Mano und Sauerrahm Eis, CODA Bar Berlin, Foto: Josefine Kammerer

Das 7-Gänge Dinner-Menü kostet EUR 128, allerdings kann man auch zu späterer Stunde (ab 22 Uhr) ein verkürztes Menü genießen, oder sogar à la carte. Ein Fine-Dine Erlebnis der ganz besonderen Art, denn das Konzept ist herausfordernd, inspirierend, kreativ und geschmacklich anspruchsvoll. Nichts für Anfänger, aber dafür ein umso besondereres Erlebnis für jeden Gourmet und jeden Essensliebhaber, der Lust hat, Neues zu entdecken.

CODA Dessert Bar Berlin

Friedelstraße 47
12047 Berlin
Tel. 030-91496396
Di, Do, Fr, Sa. ab 19 Uhr bis spät abends

Unsere Bilderserie mit 7 speziellen Desserts:

Bananen-Kakao Kreation, CODA Bar Berlin, Foto: Chris Batzis

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CODA Dessert Dining & Bar
by Josefine Kammerer
02/23/2019

The first dessert bar in Germany.
I enjoyed a very special experience during my visit to the CODA Dessert Bar. Two years ago, René Frank, pastry chef, and Oliver Bischoff opened the CODA in Neukölln. CODA – the appended ending part of a music piece – becomes the overture, main part and finale.

As a Berliner, for whom the development of Neukölln still seems somewhat abstract, unexpected and getting used to, I was initially astonished that such a fine-dine restaurant would choose such location. However, it quickly became apparent that there are no walk-in guests, but most of them seem to come from all over the world and the visit has been planned specifically. There were even two other guests with us at the bar, which also documented their visit with a notebook and camera.

It really is a unique concept: a 7-course dessert menu. Each dessert consists of a plated dish and a drink in a glass. However, other than usual, the drinks are not created by sommeliers or bartenders, but by the kitchen team itself. Thus, each course only becomes a whole through plates & glass together – no solo performances. According to the explanation given, the desserts are imagined with all its different flavours and in the end some of the ingredients end up on the plate and the others in the glass. Thus, the drink should rather be understood as a sauce to the dessert than an „accompaniment“, it is a core element.

Unlike the name may suggest, the dessert courses are not an accumulation of sweet sugar bombs, but usually only named thereafter due to the preparation methods and/or ingredients that come from the pâtisserie. Therefore, some courses are more savoury than sweet. Actually, none of the course was properly sweet, because no refined sugar is used, but only the natural sweetness of the ingredients (fruits or beets). Thus, for example, the chips to garnish are caramelised in natural fruit juices. Also, animal products are rarely used to produce „umami“ (the fifth taste described as savoury, and even no eggs or hardly any dairy products, as is usually common in pâtisserie, to keep the dessert creations light. Gluten is also almost completely avoided. Due to René’s stay in Asia, there are many Asian ingredients in addition to local ones. The methodology and limitations of ingredients suggest that great creativity is needed to create a varied and exciting menu – but the team has it.

The restaurant is relatively small and designed in a modern minimalist style, yet cosy. A few tables and a long bar, which merges into the open kitchen. With the many labelled containers, cans, flacons and bottles, but in black instead of white, the room reminded me a bit of a pharmacy with modern minimalist hanging shelves instead of old-fashioned wooden shelves. The elongated bar is connected to the kitchen behind it, which is necessary as there is virtually no division of activities: sometimes someone prepares the drink, another the food and the next serves the dessert, and in the next course it is exactly the other way around. As all employees are either confectioners, pâtissiers or cooks and serve the plates and glasses themselves, also an exact and detailed description of the courses is guaranteed.

Similar to „ordinary“ fine-dine restaurants, the menu reveals a dramaturgy. The first movement starts with a colourful mixture of snacks à la Amuse-Bouche: green apple rings pickled in ginger, sour „fruit gum“ from red and yellow beds pickled in white or red grape juice and dusted with citric acid, pork skin popcorn candied in apple broth and a small cake made of marrow bone and almond (bone marrow is also used in Iran in a dessert custard). In addition to it, we had a fermented ginger beer with pumpkin, apple and subtle, yet recognizable yeast.

I particularly liked the second movement, a walnut cake with coconut cream, with a slightly sour-fruity plum emulsion and chips, and garnished with coffee-roasted walnuts and dried red algae, which added a slight bacon flavour. This was followed by another snack, which in my opinion should also be available as ice cream in every supermarket in the future – a nori (algae) coco sandwich ice: an algae coconut ice between two crispy nori leaves. Very refreshing, savoury and yet with the slight sweetness and creaminess of the coconut.

My personal highlight in the third movement was a symphony of a grilled apple with a marmalade made of shallots and sultanas, served on an oat biscuit and smoked-salt ice cream. A wonderful blend of the smokiness of the ice cream and the grilled apple, simultaneously with the the ripe sweetness of the sultanas and the sweet flavourful shallots. The crispy biscuit, along with the cold ice, the warm apple and creamy textures, provided a bit of bite and the ten-year-old Portuguese Muscatel, refined with a dash of plum and lemon brandy, underlined the theme perfectly.

Especially the savoury cheesecake that followed, a warm fondant prepared from mountain cheese on candied pear with cold sauerkraut granules (literally translated as sour cabbage) and powdered with liquorice dust, was an example of how the drink not only accompanies the dessert, but completes it. The cider infused with spruce sprouts perfectly staged the liquorice with the salty and flavourful warm cheese and the sweet pear and intensified the individual tastes very strongly.

In the fourth movement followed more traditional form of desserts, such as a mango sour cream ice cream sweetened with sweet potato juice or a creation of banana cocoa. Almost everything here is made from scratch and thus even the pralines, which are served as the ‘cherry on top’ at the end, are made from cocoa beans ground in house. Everything is very elaborate, but this can be tasted.

The 7-course dinner menu costs EUR 128, but at a later hour (as from 22 o’clock) one can also enjoy a shortened menu, or even order à la carte. A fine-dine experience of a very special kind, because the concept is challenging, inspiring, creative and quite demanding for the taste buds. Not for beginners, but an even more special experience for every gourmet and food lover who wants to discover something unique and new.

 

Author: Josefine Kammerer

Josefine Kammerer arbeitet bei einem Incubator von Unternehmen in Berlin und ist Besitzer des neuen israelischen Restaurants AVIV 030 in Berlin-Neukölln. Während eines Sabbatical besuchte sie eine Kochschule in Südamerika und betätigt sich in Berlin als Foodguide für das online Kulturmagazin kultur24.berlin.

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