Fidelio in der Staatsoper Berlin

Fidelio - Staatsoper Berlin Foto: Holger Jacobs

Fidelio in der Staatsoper Berlin

 

Von Holger Jacobs

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04.10.2016

🙂 🙂 🙂 🙂 (vier von fünf)

Intro

Ein Doppelschlag der Pauke durchdringt die vollkommene Stille des Saales, und dann, ganz leise, setzen die Streicher ein. Lange wird der Ton gehalten bis plötzlich Daniel Barenboim aufsteht, beide Arme wie die Flügel eines Adlers ausbreitet und den Einsatz der Oboe und der Flöte gibt. In diesem Moment wird klar: Nicht die Inszenierung und auch nicht die Sängerinnen und Sänger auf der Bühne stehen heute im Mittelpunkt, sondern die geniale Komposition eines Mannes, der ein Meisterwerk geschaffen hatte.

Inhalt

Zu Lebzeiten Ludwig van Beethovens (1770 – 1827) war die Welt im Umbruch. 1789 erstürmte das Volk in Paris die Bastille und läutete die Revolution ein. Und auch im restlichen Europa rumorte es. Beethoven entflammte sich für die Ideen der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit und wählte deshalb für seine Oper (es sollte seine einzige bleiben) das Thema aus Pierre Gaveaux Oper „Leonore ou l’ amour conjugal“(1798, Libretto Jean Nicolas Bouilly), in der es um einen zu Unrecht Verurteilten geht, der durch das große Engagement seiner ihn liebenden Ehefrau befreit wird.

Im Kerker eines Stadtgefängnisses wird seit zwei Jahren Florestan unrechtmäßig gefangen gehalten, weil der Gouverneur Don Pizarro von ihm kompromittierende Aussagen befürchtet. Um ihrem Mann zu helfen lässt sich die Ehefrau von Florestan, Leonore, als Mann verkleidet vom Kerkermeister Rocco als Laufbursche unter dem falschen Namen Fidelio engagieren. Es wird bekannt, dass der Minister Don Fernando kommen wird, um das Gefängnis zu inspizieren. Gouverneur Don Pizarro fasst deshalb den Plan, Florestan zu ermorden und in einer Gruft im Gefängnis für immer verschwinden zu lassen. Rocco weigert sich zunächst bei diesem perfiden Plan zu helfen, wird aber letztlich gezwungen zusammen mit Fidelio die Gruft auszuheben.

Als schließlich Don Pizarro kommt, um Florestan zu erstechen, zieht Fidelio/ Leonore eine Pistole und verhindert den Tod ihres Mannes. In diesem Moment ertönen die Trompeten und kündigen den Minister an. Don Pizarro wird der Missetat überführt und Florestan wird befreit. Am Schluss feiert das Volk zusammen mit Fidelio, Rocco und allen anderen die Befreiung.

Kritik

Wie schon am Anfang beschrieben steht die musikalische Komposition im Vordergrund und Maestro Barenboim wirft seine ganze 50-jährige Dirigenten Erfahrung hinein, um dem Werk seine entsprechende Geltung zu geben. Und das gelingt ihm vortrefflich. Gerade die Dramatik des Stücks, welche in der Partitur durch plötzliche Tempi – oder Lautstärkewechsel angezeigt wird, erarbeitet Daniel Barenboim präzise mit seiner hoch motivierten Staatskapelle.

Ich darf hier anmerken, dass ich 2007 das zufällige Vergnügen hatte, in der Philharmonie Berlin einer Lehrstunde des Meisters beizuwohnen, als Barenboim mit den Schülern der Hanns Eisler Musikhochschule eben diese Leonoren Ouvertüre einstudierte. Nie habe ich vorher oder danach so viel über Musik, Ton oder Instrumente erfahren wie in dieser 2-stündigen Lehrvorstellung. Ein bleibendes Erlebnis.

Daniel Barenboim und Schülern der Hanns Eisler Musikhochschule, Probe zur Leonoren Ouvertüre , 2017 © Holger Jacobs

Daniel Barenboim und Schülern der Hanns Eisler Musikhochschule, Probe zur Leonoren Ouvertüre , 2017 © Holger Jacobs

Die Inszenierung der Neuproduktion war dem altgedienten Regiemeister Harry Kupfer anvertraut worden. Barenboim und Kupfer kennen sich schon seit ĂĽber 25 Jahren und haben bereits den Parsifal und den Lohengrin zusammen zur AuffĂĽhrung gebracht. Harry Kupfer stammt ursprĂĽnglich aus der DDR und hatte sich schon vor der Wende im Westen einen groĂźen Namen gemacht. 20 Jahre fĂĽhrte er die Komische Oper, sogar 10 Jahre ĂĽber den Mauerfall hinaus. Viele Ehrungen sind ihm zuteil geworden.

Doch in dieser Inszenierung kann er nicht ganz ĂĽberzeugen. Zu statisch erscheint seine Personenregie, zu minimalistisch das Gesamtbild der BĂĽhne. Gerade die Dramatik der Musik findet keine visuelle Entsprechung. Und die KostĂĽme sind eine Katastrophe. Kerkermeister Rocco sieht in seinem beigen Outfit aus wie ein Rentner am Wochenende auf Kaffeefahrt. Das geht gar nicht.

Mehr Qualität haben da die Sängerinnen und Sänger. Allen voran Camilla Nylund als Leonore/ Fidelio. Sie hatte die Partitur schon 10 Jahre zuvor in Zürich unter Dirigent Nikolaus Harnoncourt gesungen. Hell und klar ist ihr Sopran, überzeugend ihr Spiel. Fast genauso gut zeigt sich Andreas Schager als Florestan, gilt er doch zurzeit als einer der 5 besten Tenöre der Welt. Und auch die anderen Protagonisten können gut mithalten, Matti Salminen als Rocco und auch Evelin Novak als Marzelline gefielen mir besonders gut.

Es war ein großer Abend, auch im Publikum. Tim Renner, Staatssekretär für kulturelle Angelegenheiten in Berlin, saß neben Monika Grütters, Staatsministerin für Kultur und Horst Köhler, unserem ehemaligen Bundespräsidenten.

Ebenfalls gesichtet: Gerhard Baum (FDP), ehemaliger Innenminister, Ulrich Matthes vom Deutschen Theater Berlin und Weltstar Sebastian Koch („Das Leben der Anderen“) mit Begleitung.

Als Teaser gibt es ein kleines Video der Schlussszene auf kultur24berlinTV.

STAATSOPER IM SCHILLER THEATER
BismarckstraĂźe 110
10625 Berlin
nächste Vorstellungen: 7., 9., 14., 16., 25., 28. Oktober 2016

Andreas Schager als Florestan, "Fidelio" von Ludwig van Beethoven, Staatsoper Berlin - Foto: Holger Jacobs

20 Fotos: Andreas Schager als Florestan, „Fidelio“ von Ludwig van Beethoven, Staatsoper Berlin – Foto: Holger Jacobs

 

Author: Holger Jacobs

Founder & Editorial Director of kultur24.berlin ug.
Founder & Editorial Director of kultur24 TV on Youtube.
Former correspondent for fashion in Paris.
Photographer, writer and filmmaker.

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