Gerhard Richter.Abstraktion – im Museum Barberini

Gerhard Richter "Vorhang", 1964, Fotomontage: Holger Jacobs

Gerhard Richter.Abstraktion – im Museum Barberini

 

Von Holger Jacobs

02.07.2018

english text below

Wertung: 🙂 🙂 🙂 🙂 🙂 (fünf von fünf)

GroĂźe Retrospektive der „Abstrakten Bilder“ von Gerhard Richter im wiederhergestellten Palazzo Barberini in Potsdam.

Wenn irgendwo der Name Gerhard Richter auftaucht kommen alle. Wie schon bei seinen letzten großen Ausstellungen, seiner Retrospektive zu seinem 70. Geburtstag 2002 im Museum of Modern Art in New York, oder dann noch einmal zu seinem 80. Geburtstag 2012 die Retrospektiv-Reihe, die in der Tate Modern in London begann, dann in die Neue Nationalgalerie nach Berlin ging und schließlich im Centre Pompidou in Paris endete. Diese Ausstellungsreihe gehört zu den meistgesehenen Ausstellungen eines lebenden Künstlers überhaupt.

Gerhard Richters Marktwert

Nach der Zeitschrift CAPITAL gehört Richter zu den 10 höchstdotierten Künstlern weltweit. Hier die Reihenfolge (von 2013):
1. Bruce Naumann (Galerie Konrad Fischer, Gagosian), 2. Gerhard Richter Galerie Marian Goodman), 3. Cindy Sherman (Galerie SprĂĽth Magers), 4. John Baldessari (Galerie Marian Goodman), 5. Lawrence Weiner (Galerie Hubert Winter), 6. Ed Ruscha (Galerie SprĂĽth Magers, Gagosian), 7. Thomas Ruff (Galerie SprĂĽth Magers, David Zwirner, Gagosian), 8. Georg Baselitz (Galerie Thaddeus Ropac, 9. William Kentrige (Galerie Marian Goodman), 10. Dan Graham (Galerie RĂĽdiger Schöttle – Dan Graham baute z.B. das CafĂ© Bravo im Hof der KW Kunstwerke in Berlin).

FĂĽr die Frankfurter Allgemeine sind die wichtigsten KĂĽnstler (von 2015):
1. Gerhard Richter, 2. Bruce Naumann, 3. Rosmarie Trockel, 4. Georg Baselitz, 5. Cindy Sherman, 6. Anselm Kiefer, 7. Olafur Elliason, 8. William Kentrige, 9. Richard Serra, 10. Pipilotti Rist.
Als teuerster lebender Maler steht Gerhard Richter schon seit Jahren ganz oben. Selbst kleinste Formate sind nicht unter 100.000 Euro zu bekommen.

Gerhard Richter vor dem Model der Ausstellungsräume des Museum Barberini, Foto: Hubert Becker

Was macht Gerhard Richter so beliebt?
Sowohl beim Fachpublikum wie auch bei der groĂźen Ă–ffentlichkeit.
1. Gerhard Richters Gemälde sind sehr ästhetisch und auch für jedermann verständlich. Keiner der Betrachter braucht eine lange Erklärung, wie das z. B. bei den Arbeiten von Joseph Beuys der Fall ist. Jeder findet schnell Zugang zu seinen Werken, selbst für die, die sonst wenig mit Kunst anfangen können.
2. Seine außerordentlich raffinierte Herangehensweise an jedes seiner Gemälde, sein Ideenreichtum und seine großen malerischen Fähigkeiten gepaart mit exquisiter Maltechnik lässt auch Kunsthistoriker und Kunstkritiker in Verzückung geraten.
Beide Kriterien treffen auch auf andere Publikumslieblinge zu, wie z.B. bei Andy Warhol oder den französischen Impressionisten.

Gerhard Richter

Gerhard Richter wurde 1932 in der Oberlausitz geboren, machte zunächst eine Lehre als Werbezeichner und bewarb sich dann für die Hochschule der Bildenden Künste in Dresden. Er wurde abgelehnt, konnte aber in die damals noch parallellaufende Kunstakademie eintreten. 1961 flüchtete er kurz vor dem Mauerbau mit seiner damaligen Frau Ema nach Westdeutschland und ging nach Düsseldorf. Die Rheinmetropole war nach dem 2. Weltkrieg zur wichtigsten Kunststadt der noch jungen Bundesrepublik aufgestiegen. Richter beendete sein Studium an der Düsseldorfer Kunstakademie. Seine Karriere nahm schnell Fahrt auf. Bereits 1972 wurde er in den Deutschen Pavillon auf der Kunstbiennale in Venedig eingeladen. Die besten Galeristen in Deutschland, Alfred Schmela in Düsseldorf und Heiner Friedrich in München, verkauften seine Arbeiten. Von 1971 bis 1993 wurde er selber Professor an der Düsseldorfer Kunstakademie. 1982 nahm er an der Dokumente 7 teil.

Museum Barberini, Gerhard Richter „Glasplatten“, Foto: Holger Jacobs

Die Abstraktion

Nachdem er zu seiner Zeit in der DDR noch gegenständlich malte und dafür auch bereits während seines Studiums in Dresden Staatsaufträge bekam, veränderte er seinen Stil radikal, kaum war er in Düsseldorf angekommen. Sein Professor dort, Karl Otto Goetz, war ein Hauptvertreter der Abstrakten Kunst. Wie überhaupt die abstrakte Malerei sich nach dem 2. Weltkrieg in der gesamten westlichen Welt durchgesetzt hatte. Erste Anzeichen dafür waren ja schon Anfang des 20. Jahrhunderts zu beobachten (Braque, Picasso, Delaunay), doch ab 1945 wurde der Stil wesentlich extremer. Teilweise wurden nur noch ein paar Striche auf die Leinwand gesetzt (Cy Twombly) oder Farbkleckse geworfen (Jackson Pollock).

So ganz mochte sich Gerhard Richter (zunächst) aber nicht von der Gegenständlichkeit verabschieden. Sein Fokus fiel auf ein anderes Medium, der Fotografie. Denn erst ihre Erfindung 1839 brachte eine Kehrtwende in der Bildenden Kunst, als die Malerei nicht mehr gebraucht wurde um die Wirklichkeit abzubilden – ein anderes Medium konnte das jetzt viel perfekter. Richter nahm sich beliebige Fotografien aus Zeitungen oder Zeitschriften oder aus seinem eigenen Familienalbum und malte sie nach. Allerdings mit einem Wischeffekt, so dass sie wie leicht unscharf aussahen. Und fast immer in schwarz-weiĂź. Diese Bilder aus den 60er Jahren brachten Gerhard Richter den Durchbruch und machten ihn international bekannt. Aus dieser Zeit stammt auch unser Titelbild: „Vorhang“, Ă–l auf Leinwand, von 1964.

Museum Barberini, Ausstellung „Gerhard Richter. Abstraktion“, Foto: Holger Jacobs

Die Ausstellung in Potsdam

Die Ausstellung in Postdam setzt ein, als sich Gerhard Richter nach den „unscharfen Fotografien“ nach neuen Themen umsah. Bereits Ende der 60er und dann besonders in den 70er Jahren widmete sich Gerhard Richter dem Thema der Malerei selbst. Er ĂĽberlegte sich, wie viele Farbkompositionen es in der Malerei neben den Grundfarben geben könnte. Und malte sie im Stil einer Farbpalette eines Farbenherstellers. So entstanden die Arbeiten „192 Farben“, „Sechs Farben“ und „1024 Farben“, die hier im Museum Barberini zu sehen sind. Oder er verzichtete ganz auf (die ĂĽblichen) Farben und malte nur noch in neutralem Grau („Grau, Borke“, von 1973). Seht dazu die Abbildungen in unserer Bilderserie.

Später nahm Gerhard Richter fast reine Farben und mischte sie, nicht auf einer Malerpalette, sondern direkt auf dem Bild selbst. Er verstrich sie mit dem Pinsel oder vermischte sie mit breiten Rakeln (lange, schmale Holzlatten) oder sogenannten Palettmessern („AB, Still“, von 1986). Daraus entstanden dann die „Abstrakten Bilder“.  An der Verfeinerung dieser Technik arbeitet er bis heute, auch in Verbindung mit der Digitalisierung („Strip“, 2013 – 2016).

NatĂĽrlich experimentierte Gerhard Richter nebenher auch mit anderen Materialien, die gar nichts mit der eigentlichen Malerei zu tun haben. Z.B. mit Spiegeln, die auch, wie die Fotografie, ein Abbild zeigen, nämlich das Abbild unserer selbst („Spiegel, grau“, 1991). Und er arbeitete mit Glas, welches sowohl ein Bild durchlässt, wie auch als Spiegel wirken kann.

Die Arbeiten von Gerhard Richter faszinieren immer wieder, egal, wie oft man sie schon gesehen hat. FĂĽr Fans ein MUSS!

„Gerhard Richter. Abstraktion“
Museum Barberini/ Potsdam
30. Juni – 21. Oktober 2018
Di – So 10 – 19 Uhr, 14.- Euro

Hier unsere Bilderserie mit 17 Abbildungen aus der Ausstellung:

17 Photos: „Pyramide“, 1983, Ausstellung „Gerhard Richter. Abstraktion“, Foto: Holger Jacobs

english text

Gerhard Richter at the Museum Barberini
By Holger Jacobs
07/02/2018
Great retrospective of the „Abstract Images“ by Gerhard Richter in the restored Palazzo Barberini in Potsdam.
If anywhere the name Gerhard Richter shows up, everyone comes. For example, at his retrospective on his 70th birthday in 2002 at the Museum of Modern Art in New York. Or again, on his 80th birthday in 2012, the retrospective series that began at the Tate Modern in London, then went to the Neue Nationalgalerie in Berlin and finally ended at the Center Pompidou in Paris. This exhibition series is one of the most viewed exhibitions of a living artist ever.
Gerhard Richter’s market value
After the magazine CAPITAL Richter belongs to the 10 most highly endowed artists worldwide. Here is the order (from 2013):
1, Bruce Naumann (Galerie Konrad Fischer, Gagosian), 2nd Gerhard Richter Gallery Marian Goodman), 3rd Cindy Sherman (Gallery SprĂĽth Magers), 4th John Baldessari (Gallery Marian Goodman), 5th Lawrence Weiner (Gallery Hubert Winter) , 6. Ed Ruscha (Gallery SprĂĽth Magers, Gagosian), 7. Thomas Ruff (Gallery SprĂĽth Magers, David Zwirner, Gagosian), 8. Georg Baselitz (Gallery Thaddeus Ropac, 9th William Kentrige (Gallery Marian Goodman), 10th Dan Graham (Gallery RĂĽdiger Schöttle – Dan Graham built, for example, the CafĂ© Bravo in the courtyard of KW artworks in Berlin).
For the Frankfurter Allgemeine, the most important artists (from 2015) are: 1. Gerhard Richter, 2. Bruce Naumann, 3. Rosmarie Trockel, 4. Georg Baselitz, 5. Cindy Sherman, 6. Anselm Kiefer, 7. Olafur Elliason, 8. William Kentrige, 9th Richard Serra, 10th Pipilotti Rist.
And as the most expensive living painter, Gerhard Richter has been at the top for years. Even the smallest formats are not to get under 100,000 euros.
What makes Gerhard Richter so popular? Both, for the professional audience and the public at large?

In my opinion, this is due to two things: 1. Gerhard Richter’s paintings are very aesthetic and also understandable for everyone. Nobody needs a long explanation, as for example the works of Joseph Beuys. Everyone quickly finds access to his paitings, even to those who are not so interested in art. 2. His extraordinarily refined approach to each of his paintings, his wealth of ideas and his great painterly skills, combined with exquisite painting technique, also make art historians and art critics into ecstasy. Both criteria also apply to other crowd favorites, such as Andy Warhol or the French Impressionists.
Gerhard Richter
Gerhard Richter was born in Upper Lusatia in 1932. He first did an apprenticeship as an advertising draftsman and then applied for the College of Fine Arts in Dresden. He was rejected, but could enter the then still running parallel art academy. In 1961, shortly before the building of the Wall, he fled to West Germany with his then wife Ema and went to DĂĽsseldorf. After the Second World War, the metropolis on the Rhine became the most important art city of the still young Federal Republic. Richter finished his studies at the DĂĽsseldorf Art Academy. His career quickly gained momentum. Already in 1972 he was invited to the German Pavilion at the Venice Art Biennale. The best gallerists in Germany, Alfred Schmela in Dusseldorf and Heiner Friedrich in Munich, sold his work. From 1971 to 1993 he became a professor at the DĂĽsseldorf Art Academy.

The Abstraction
After he still painted figuratively in his time in the GDR and was given state contracts during his studies in Dresden, he changed his style radically, when he had hardly arrived in Dusseldorf. His professor there, Karl Otto Goetz, was a major representative of abstract art. The Abstract Painting had prevailed in the entire western world after World War II. The first signs of this were already observable at the beginning of the 20th century (Braque, Picasso, Delaunay), but from 1945 the style became much more extreme. Sometimes only a few strokes were put on the canvas (Cy Twombly) or splashes of color (Jackson Pollock).
However, Gerhard Richter didn’t want to say goodbye to the reality (at first). His focus was on another medium, photography. Its invention in 1839 brought a turnaround in the visual arts, when painting was no longer needed to depict reality – another medium could do so much better now. Richter took any photographs from newspapers or magazines or from his own family album and painted them. However, with a wiping effect, so they looked like slightly out of focus. And almost always in black and white. These pictures from the 60s brought Gerhard Richter the breakthrough and made him internationally known. Our cover picture, „Curtain“, oil on canvas, from 1964, also dates from this period.
The exhibition in Potsdam
The exhibition in Postdam begins when Gerhard Richter looks for new topics after the „blurred photographs“. At the end of the 60s and then especially in the 70s, Gerhard Richter dedicated himself to the topic of painting himself. He considered how many color compositions there could be in painting alongside the primary colors. And painted them in the style of a color palette of a paint manufacturer. This resulted in the works „192 Colors“, „Six Colors“ and „1024 Colors“, which can be seen here in the Museum Barberini. Or he completely renounced (the usual) colors and painted only in neutral gray („Gray, bark“, from 1973).
Later, Gerhard Richter took almost pure colors and mixed them, not on a palette of painters, but directly on the picture itself. He painted them with a brush or mixed them with Rakels (long, narrow wooden slats) or so-called palette knives („AB, Still“, from 1986). This resulted in the „Abstract Pictures“. He is still working on the refinement of this technique, also in connection with digitization („Strip“, 2013 – 2016, 10 meters long).
Naturally, Gerhard Richter also experimented with other materials that have nothing to do with actual painting. For example, with mirrors, which, like photography, also show an image, namely the image of ourselves („Spiegel, grau“, 1991). And he worked with glass, which both let a picture through, as well as can act as a mirror.
The works of Gerhard Richter fascinate again and again, no matter how many times you have already seen them. A must for fans!
„Gerhard Richter: Abstraction“ Museum Barberini / Potsdam30 June – 21 October 2018Di – Sun 10 am – 7 pm, 14.- Euro

Author: Holger Jacobs

Founder & Editorial Director of kultur24.berlin ug.
Founder & Editorial Director of kultur24 TV on Youtube.
Former correspondent for fashion in Paris.
Photographer, writer and filmmaker.

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