Lulu von Alban Berg in der Staatsoper Hamburg

Lulu - Staatsoper Hamburg © Monika Ritterhaus

Lulu von Alban Berg in der Staatsoper Hamburg

 

Von Julia Engelbrecht-Schnür

16.2.2017

Christoph Marthaler und Kent Nagano entwickelten in der Staatsoper Hamburg erfolgreich einen neuen Schluss für die unvollendete Oper „Lulu“ des Komponisten Alban Berg.

Handlung

Alban Berg schrieb die ersten zwei Teile der Partitur zu „Lulu“ nach den beiden Dramen von Frank Wedekind „Erdgeist“ und „Die Büchse der Pandora“ (Übrigens als Stummfilm von Georg Wilhelm Pabst von 1929 ebenfalls in der Staatsoper am Freitag, den17. Februar, um 19.00 Uhr zu sehen). Es ist die Geschichte einer äußerst attraktiven Frau, die einen großen sozialen Aufstieg in der Wiener Gesellschaft erreicht und zuletzt tragisch in London als Prostituierte endet. Am Schluss wird sie grausam von Jack the Ripper ermordet.

Kurz vor Fertigstellung der Oper schrieb Alban Berg zwischenzeitlich ein Violinkonzert zum unerwarteten Tod der noch sehr jungen Manon Gropius (Tochter von Alma Mahler-Werfel und Walter Gropius). Als er wenige Monate später sein Werk vollenden wollte, verstarb er seinerseits an einer Blutvergiftung. So wurde am 2.6.1937 in Zürich nur das Fragment uraufgeführt. Doch es gab immer wieder Versuche, ein Ende von „Lulu“ zu verfassen.

Kritik

Kein Zweifel, Kent Nagano beweist ein sicheres Gespür für die Ausdruckskraft von Alban Bergs Oper „Lulu“, für dieses fragmentale Werk des österreichischen Komponisten, der seine Oper rund um das betörende Geschöpf Lulu und ihre sterbenden Verehrer nicht vollenden konnte. Kent Nagano und Christoph Marthaler (Regie) diente das oben beschriebene Violinkonzert „Dem Andenken eines Engels“ von 1935 als Grundlage für die Schaffung eines 3. Aktes, der wohl als „der Hamburger Lulu-Akt“ in die Operngeschichte eingehen wird.

Vier Stunden dauerte die Premiere am vergangenen Sonntag mit der kanadischen Sopranistin und Lulu-Kennerin Barbara Hannigans, die sich nicht nur stimmlich, sondern mit Haut und Haaren dieser ungewöhnlichen Lulu-Interpretation Marthalers verschrieb. Das ist Gesangs- und Darstellungskunst im Höchstmaß.

Barfuß im blauen Morgenmantel oder im T-Shirt wirbelte die zierliche Starsopranistin akrobatisch über Möbel, Männerschultern und Bühnenbretter, ohne ihrer Stimme auch nur die geringste Erschöpfung zu erlauben. Hatten auch Matthias Klink (Alwa) und Jochen Schmeckenbechers (Dr. Schön) es zu Beginn des ersten Aktes noch schwer, sich aufgrund der orchestralen Dominanz Gehör zu verschaffen, so harmonierte das Zusammenspiel vollkommen im weiteren Verlauf.

Das Bühnenbild (Anna Viebrock) dokumentierte subtil den seelischen Wandel seiner Hauptfigur. Nach dem lebendigen Durcheinander in einer Zirkus-Bühnen-Optik im ersten Akt erstarrte Lulu im zweiten Akt in einer Art Palisanderholz-Enge der 60er Jahre. Lulu erschrak zusehends vor der sich um sie herum zuziehenden Schlinge aus giftiger Moral, Angst und Erniedrigung, die ihre Verehrer nach ihr warfen. Der blaue Morgenmantel hing schlaff an einem Kleiderhaken, der Anblick, als Lulu ihn noch trug, war nur noch als gerahmtes Bild auf einem Beistelltisch zu sehen, wie das Andenken einer längst Verstorbenen.

Wunderbar, wie Anne Sofie von Otter als Gräfin Geschwitz hier die Bedrohlichkeit des menschlichen Versagens ankündigt. Wie von Geisterhand gezogen mäandert sie über die hölzernen Auf- und Abgänge der gesellschaftlichen, holzvertäfelten Spießigkeit.

Im dritten Akt, wenn Lulus Niedergang zur Vollendung kommt, feiert Geigerin Veronika Eberle die musikalische Auferstehung von Alban Bergs Violinkonzert. Das Orchester ruht. Ein meditatives Ende, das dem Publikum nicht nur Geduld abverlangt, sondern auch viel Nachdenken über eine zu weilen verstörende Inszenierung.

„Lulu“ von Alban Berg
Inszenierung: Christoph Marthaler
Bühnenbild und Kostüme: Anna Viebrock
Licht: Martin Gebhardt
Dramaturgie: Malte Ubenauf

Staatsoper Hamburg
Große Theaterstraße 25
20354 Hamburg

Nächste Vorstellungen: 18., 21. und 24. Februar 2017

20 Bilder: Lulu von Alban Berg, Staatsoper Hamburg @ Monika Ritterhaus

 

 

Author: Julia Engelbrecht-Schnür

Journalistin

Cookies help us deliver our services. By using our services, you agree to our use of cookies.