Neues Tacheles von Herzog de Meuron

Tacheles Berlin © Holger Jacobs 2006

Neues Tacheles von Herzog de Meuron

Von Holger Jacobs

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24.6.2015. Am Dienstag brach die Nachricht herein, dass die Investmentfirma Perella Weinberg & Partners aus New York , die letztes Jahr das Tacheles zusammen mit dem umliegenden Gelände für 150 Millionen Euro erworben hatte, das Stararchitekten-Team aus der Schweiz, Jacques Herzog & Pierre de Meuron, für den Umbau des ehemaligen Kaufhauses und für die Errichtung eines kompletten neuen Wohnviertels gewinnen konnten.

Tacheles an der Oranienburger Strasse, 2006, © Holger Jacobs

Tacheles an der Oranienburger Strasse, 2006, © Holger Jacobs

Hintergrund

Das Gebäude, oder besser die Ruine an der Oranienburger Strasse, bekannt unter dem Namen Tacheles, hat eine lange und leidvolle Geschichte hinter sich. Es reichte ursprünglich einmal von der Friedrichstrasse diagonal bis zur Oranienburgerstrasse. 1908 auf Grund der Initiative verschiedener Einzelhändler als überdachte Einkaufspassage gebaut, machte nach nur 6 Monate seiner Eröffnung wieder dicht. Daraufhin wurde es von der Wertheim Kaufhaus Gruppe übernommen, musste aber noch vor dem ersten Weltkrieg wieder schließen. In den Folgejahren wurden immer wieder Veränderungen vorgenommen, bis es 1928 von der damals größten Elektrofirma Deutschlands, der AEG, gekauft wurde und von nun an Haus der Technik hieß. Hier fand 1930 die weltweit erste Fernsehübertragung statt. Im 2. Weltkrieg wurde es stark beschädigt, war aber noch funktionstüchtig. Zur Zeit der DDR waren verschiedene Institutionen dort untergebracht, sogar ein Kino. Trotzdem verfiel es mehr und mehr, da kein Geld für eine Grundsanierung vorhanden war. In den 70er Jahren entschlossen sich die DDR-Behörden, den gesamten Gebäude-Komplex abzureißen. 1980 wurden die ersten Sprengungen durchgeführt, der auch die noch gut erhaltene Kuppel zum Opfer fiel. Der Nachlässigkeit der DDR-Behörden ist es dann zum Glück zu verdanken, dass erst 10 Jahre später, im April 1990, der letzte Gebäudeteil gesprengt werden sollte. Wie man heute weiß, war der Plan der DDR die Plattenbausiedlungen um den Alexanderplatz auch auf die Alte Mitte, also auf den Bereich zwischen Alexanderplatz bis zur Friedrichstrasse auszudehnen. Wäre nicht die Wende gekommen, wäre heute vom ehemaligen Scheunenviertel (wie dieser Stadtteil auch genannt wird) kaum noch etwas übrig. Im Herbst 1989 waren schon die ersten Bohrlöcher gesetzt…

 

Tacheles Rückseite, 2006, © Holger Jacobs

Tacheles Rückseite, 2006, © Holger Jacobs

Als im November 1989 die Mauer fiel, gab es sehr viele junge Leute, hauptsächlich Künstler und Musiker aus dem Westen, die neugierig waren auf den Ostteil der Stadt Berlin. Und man suchte nach billigem Wohnraum. Diesen gab es nach der Wende gerade in Berlin-Mitte zuhauf, da wegen mangelnder Sanierung viele der alten Häuser aus dem Ende des 19.- Anfang des 20. Jahrhunderts nur wenig bewohnt waren. Die Altbauten waren mit ihren Kohleöfen, Toiletten auf dem Gang und nicht vorhandenen Badezimmern weniger attraktiv als die modernen Plattenbauten. Somit kamen die Künstler in Scharen und ließen sich speziell in Berlin-Mitte nieder, so auch in dem halb zerstörten ehemaligen Kaufhaus an der Oranienburger Strasse. Sie verhinderten die Sprengung und erwirkten ein Bleiberecht mit den neuen Besitzern, der Fundus-Gruppe von August Jagdfeld. Gemietet wurde für einen symbolischen Euro pro Quadratmeter.

Tacheles, Rückseite, 1990

Tacheles, Rückseite, 1990

Als die Fundus-Gruppe 2009 die Zinsen für die 80 Millionen Euro Kaufpreis nicht mehr bedienen konnte, ging das Gelände mit den Gebäuden an den Kreditgeber, die HSK-Bank in Hamburg. Sie erwirkte vor Gericht eine Räumung des Gebäudes und am 04.09.2012 wurde das letzte Atelier geschlossen und alle Künstler verließen das Tacheles. Zuletzt waren dort noch 30 Ateliers und 80 Künstler tätig gewesen. Die Gastronomie im Erdgeschoss wurde mit 1 Millionen Euro abgefunden. Und dann kam lange nichts – bis im September 2014 die New Yorker Privat Equity Firma Perella Weinberg & Partners das gesamte Terrain einschließlich dem Tacheles und den 2 Gebäuden an der Friedrichstrasse, in dem auch einst der Club King Size beheimatet war, kaufte.

Tacheles 2012, © Holger Jacobs

Tacheles 2012, © Holger Jacobs

Und gestern wurde nun bekannt, dass das berühmte Star-Architektenteam aus der Schweiz, Herzog de Meuron, für die Planung des neuen Tacheles und aller weiteren Gebäuden, die auf dem angrenzenden Parkplatz entstehen sollen, verantwortlich zeichnen wird. Mit 25.000 qm ist das Gelände um das Tacheles eines der größten noch brachliegenden Flächen in der Innenstadt von Berlin. Es sollen sowohl Geschäfte wie Büro- und Wohnhäuser entstehen. Herzog de Meuron bauten bisher so spektakuläre Gebäude wie die Elbphilharmonie in Hamburg, die Allianz-Arena in München und das Museum Tate Modern in London.

Lassen wir uns überraschen.

Club King Size an der Friedrichstrasse 112, einer der Gebäude, die nun mitverkauft wurden, hier Doorman Frank Künster mit Freundin, © Holger Jacobs

Club King Size an der Friedrichstrasse 112, einer der Gebäude, die nun mitverkauft wurden, hier Doorman Frank Künster mit Freundin, © Holger Jacobs

Author: Holger Jacobs

Founder & Editorial Director of kultur24.berlin ug.
Founder & Editorial Director of kultur24 TV on Youtube.
Former correspondent for fashion in Paris.
Photographer, writer and filmmaker.

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