Premiere Salome in der Staatsoper Berlin

Salome Staatsoper Berlin © Holger Jacobs

Salome in der Staatsoper Berlin

 

Von Holger Jacobs

5.3.2018

🙂 🙂 🙂 (drei von fünf)

english text below

Salome als Businessfrau im Yves Saint-Laurent Tuxedo und ein Schleiertanz mit einem Toten – Regisseur Hans Neuenfels zeigte eine sehr moderne Interpretation der legendären Oper von Richard Strauss.

Für Noch-Intendant Jürgen Flimm (bleibt noch bis zum 1. April 2018) stellte sich ein Problem: Zunächst war Zubin Mehta als musikalischer Leiter aus gesundheitlichen Gründen ausgefallen und plötzlich, nach einer der letzten Durchlaufproben vor der Premiere, verließ auch Christoph von Dohnanyi das Dirigentenpult – er hatte sich mit Regisseur Hans Neuenfels zerstritten. Der junge Assistent von Daniel Barenboim, Thomas Guggeis, sprang kurzfristig ein, hatte er doch bereits mehrere der Proben von Salome geleitet. Und nun konnte die Premiere am Sonntag, den 5. März 2018, über die Bühne gehen.

Und wie sie ging! Von der ersten bis zur letzten Minute hielt die Spannung, dank der wunderbaren Musik von Richard Strauss (Uraufführung 1905 in Dresden), dank der fabelhaften Sänger und Spieler und auch dank der Regie von Hans Neuenfels.

Salome ganz modern: ein großer Raum in einem modernistischen Interieur (Bühne + Kostüme: Richard von der Thannen) in Schwarz und Silber, bei der auch die Kostüme alle in Schwarz oder weiß gehalten waren. Ein Ort ohne konkreten Zeitbezug.

„Salome“ (nach einem Drama von Oscar Wilde 1891) ist eine Geschichte, die universell angelegt ist, hat sie doch ein universelles Thema: Eine zurückgewiesene Liebe und deren tragische Folgen.

Vor 2 Jahren inszenierte die Deutsche Oper Berlin bereits eine Salome mit Regisseur Claus Guth. Hier meine damalige Kritik.

Handlung

Salome liebt den Täufer Johannes (hier Jochanaan genannt), wird aber von diesem brüsk abgewiesen. Jochanaan ist ein gläubiger Anhänger Jesus Christus und verabscheut jede Form von Leichtlebigkeit, Wollust und unzüchtigem Verhalten. Diese Einstellung hat ihn auch in den Kerker von Herodes gebracht, denn die Verbindung von Herodes mit seiner Frau Herodias (eigentlich dessen Schwägerin) ist Jochanaan ein Gräuel. Und dies rief er auch lauthals in den Straßen von Jerusalem bis ihn Herodes einsperren ließ. Insgeheim aber hat der Tetrarch von Judäa (wie Herodes auch genannt wird) sehr viel Ehrfurcht vor diesem heiligen Mann. Gleichzeitig schwärmt Herodes sehr für seine Stieftochter Salome. Er bittet sie für ihn zu tanzen, um sich daran zu ergötzen. Salome lehnt zunächst ab, doch als Herodes ihr für den Tanz alles verspricht, was sie sich wünschen würde, willigt sie und tanzt den berühmten Tanz der sieben Schleier (wobei immer einer nach dem anderen Schleier fallen sollte, bis Salome nackt vor Herodes stehen bleibt). Gesagt, getan, doch als Salome nun ihren Wunsch äußert macht sich blankes Entsetzen breit: sie fordert den Kopf des Jochanaan! Herodes sträubt sich zunächst noch, hatte Salome aber einen Eid geschworen. Als Salome der Kopf des Johannes schließlich gebracht wird, verfällt sie in Hysterie, liebkost und küsst den abgeschnittenen Kopf. Herodes ist so angewidert, dass er seine Soldaten holen und Salome töten lässt.

Kritik

Dass in der heutigen Zeit ein Schleiertanz nicht mehr ganz opportun erscheint, ist naheliegend. Die Sexismus Debatte der letzten Monate lassen die Darstellung der Frau als reines Sexualobjekt kaum mehr zu. So ist bei Regisseur Hans Neuenfels die Salome (überzeugend: Ausrine Stundyte) auch kein zartes Wesen mit Blumen im Haar und durchsichtigen Schleierkleidern, sondern eine herbe Businessfrau im schwarzen Smoking mit kurzen, gegeelten, Haaren. Auch so eine Erscheinung kann natürlich sexy sein. Dazu passt ein Herodes, der mit einer etwas unterwürfigen Art (toll gesungen von Gerhard Siegel) sicher zu einer Peitsche schwingenden Domina passen würde. Dagegen ist die Mutter Salomes, Herodias (exzellent gesungen von Marina Prudenskaya), noch ganz der klassische Frauentyp: wasserstoffblond, enganliegendes Glitzerkleid, Wimpernklimmpern. Besonders hat mir die Darstellung des Jochanaan gefallen: ein schwarzes, bodenlanges Kleid lässt eine breite, weißgefärbte Brust frei. Dazu lange, schwarze Haare und einen schwarzen Vollbart. Das lässt Größe und Erhabenheit erkennen. Auch Thomas J. Mayer in dieser Gesangsrolle als Heiliger Johannes, der über den irdischen Gelüsten steht, ist beeindruckend.

Die litauische Sängerin Ausrine Stundyte, die parallel in der Komischen Oper in „Die Gezeichneten“ große Erfolge feiert, hatte es am Premierenabend etwas schwer mit ihrem Publikum. Es gab einige Buhrufe. Aber auch viel Zuspruch. Mir hat sie gefallen, Stimme, Ausdruck und Spiel bildeten eine Einheit. Zumal die Partitur der Salome als eine der anspruchsvollsten in der Opernliteratur gilt.

Einen Ausschnitt aus der Oper könnt Ihr in unserem Video auf KULTUR24 TV sehen:

Wie immer gibt Hans Neuenfels noch eine Spielfigur seiner Inszenierung bei. In diesem Fall lässt er den Autoren der „Salome“, Oscar Wilde, als jungen Mann (Christian Natter) auftreten, der die gesamte Handlung begleitet und beim Schleiertanz auch als Tanzpartner (und Todesengel) auftreten darf.

Ein aufregender Abend, eine aufwühlende Musik und eine tolle, moderne Inszenierung. Vielleicht bisher die beste Aufführung an der neuen/alten Staatsoper Unter den Linden seit ihrer Wiedereröffnung.

„Salome“ von Richard Strauss
Staatsoper Unter den Linden in Berlin
Premiere am 5. März 2018
Inszenierung: Hans Neuenfels; Musikal. Leitung: Thomas Guggeis, Bühne und Kostüme: Reinhard von der Tannen

Mit:
Ausrine Stundyte (Salome), Thomas J. Mayer (Jochanaan), Gerhard Siegel (Herodes), Marina Prudenskaya (Herodias), Nikolai Schukoff (Narraboth), Annika Schlicht (Page), Christian Natter (Oscar Wilde)

Nächste Vorstellungen: 8., 10., 14. und 17. März 2018

20 Photos: Ausrine Stundyte als Salome, „Salome“, Staatsoper Berlin © Holger Jacobs

 

Salome in the Staatsoper Berlin
By Holger Jacobs
05/03/2018
Director Hans Neuenfels brings a very modern interpretation of the opera by Richard Strauss. With a Salome as a business woman in a Yves Saint-Laurent Tuxedo and a veil dance with an angel of death.
Opera director Juergen Flimm (remains until April 1, 2018), had a problem: first Zubin Mehta failed as musical director for health reasons and suddenly, after one of the last rehearsals before the premiere, also Christoph von Dohnany left the conductor’s desk – he had quarreled with director Hans Neuenfels. The young assistant of Daniel Barenboim, Thomas Guggeis, jumped in. He had already led several rehearsals from Salome. And now the premiere on Sunday, 5 March 2018, could go on stage.
And how it happened! Thanks to the wonderful music of Richard Strauss (first performed in 1905 in Dresden), thanks to the fabulous singers and actors and also thanks to the direction of Hans Neuenfels, the suspense lasted from the first to the last minute.
A modern „Salome“: a large room in a modernist interior in black and silver, in which the costumes were all kept in black or white. A place without specific time reference.
„Salome“ (after a drama by Oscar Wilde, 1891) is a universal story, with a universal theme: a rejected love and its tragic consequences.

Story
Salome loves the Baptist Johannes (here Jochanaan called), but is rejected by him. Jochanaan is a devout follower of Jesus Christ and loathes any form of lightheartedness, lust and lewd behavior. This attitude has also brought him to the dungeon of Herodes, because the connection of Herodes with his wife Herodias (actually his sister-in-law) is an abomination to Jochanaan. And he shouted this loudly in the streets of Jerusalem until he was arrested by Herodes. Secretly, however, the Tetrarch of Judea (as Herodes is also called) has much reverence for the holy man. At the same time, Herodes is very enthusiastic about his stepdaughter Salome. He asks her to dance for him. Salome initially refuses, but when Herodes promises her everything she wants for the dance, she agrees and dances the famous dance of the seven veils (one after the other, until Salome stops naked in front of Herodes) ). After the dance when Salome now expresses her wish, sheer horror spreads: she demands the head of Jochanaan! Herodes tries to resiste, but had sworn an oath to Salome. When Salome is brought to the head of John, she falls into hysteria, caresses and kisses the cut head. Herodes is so disgusted that he shouts for his soldiers and causes Salome to be killed.
That in today’s time a veil dance no longer seems quite opportune, is obvious. The sexism debate of the last few months hardly allow the portrayal of women as a pure sexual object. For example, with director Hans Neuenfels, this Salome (convincing: Ausrine Stundyte) is not a delicate creature with flowers in her hair and transparent veil dresses, but a harsh business woman in a black tuxedo with short, curled hair. Even such a phenomenon can of course be sexy. This fits a Herodes with a somewhat submissive kind (great voice by Gerhard Siegel) certainly to a whip-swinging domina. In contrast, the mother of Salome, Herodias (excellently voice by Marina Prudenskaya), still quite the classic type of woman: bland blond, tight-fitting glittering dress, eyelash limbs. I particularly liked the depiction of Jochanaan: a black, floor-length dress reveals a broad, white-colored breast. This long, black hair and a black beard. It shows greatness and grandeur. Even singer Thomas J. Mayer in this role as Jochanaan, who is above the earthly desires, is impressive.
The Lithuanian singer Ausrine Stundyte, who is celebrating great success at the Komische Oper in „Die Gezeichneten“ right now, had a hard time with her audience at the premiere evening. There were a few boos. But also a lot of encouragement. I liked her, voice, expression and play formed a unity. Especially as the vocal score of Salome is considered as one of the most difficult in opera literature.
As always, Hans Neuenfels adds another character to his staging. In this case, he lets the author of „Salome“, Oscar Wilde, „act as a young man (Christian Natter), who accompanies the entire plot and may act as dance partner (and angel of death) in the veil dance.
An exciting evening, an exciting music and a great, modern staging. Perhaps the best performance so far at the new / old Staatsoper Unter den Linden since its reopening.
Salome by Richard Strauss
State Opera Unter den Linden in Berlin
Premiere on 5 March 2018
Staging: Hans Neuenfels; Musical. Direction: Thomas Guggeis, stage and costumes: Reinhard von der Tannen
With:
Ausrine Stundyte (Salome), Thomas J. Mayer (Jochanaan), Gerhard Siegel (Herodes), Marina Prudenskaya (Herodias), Nikolai Schukoff (Narraboth), Annika Schlicht (Page), Christian Natter (Oscar Wilde)
Next performances: 8, 10, 14 and 17 March 2018

Author: Holger Jacobs

Founder & Editorial Director of kultur24.berlin ug.
Founder & Editorial Director of kultur24 TV on Youtube.
Former correspondent for fashion in Paris.
Photographer, writer and filmmaker.

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