Salome von Richard Strauss in der Komischen Oper Berlin
Von Holger Jacobs
23.11.2025
Wertung: 🙂 🙂 🙂 🙂 (vier von fünf)
Eine Salome ohne Gesicht, aber mit umso mehr Stimme.
Es ist schon erstaunlich, was einem Regisseur so alles einfällt.
Zu dem Schlimmsten gehört wohl, einem Bühnen-Schauspieler/ Sänger das Gesicht zu nehmen.
Aber genau das tat Regisseur EVGENY TITOV mit seiner Hauptdarstellerin / Sängerin NICOLE CHEVALIER.
Was die wohl gedacht haben muss, als ihr der Regisseur vorschlug, sie solle die gesamte Zeit auf der Bühne eine weiße Ganzkopf-Maske tragen, die sowohl ihr Gesicht, wie auch den Rest des Kopfes bedecken würde?
Schließlich muss sie wohl eingewilligt haben, sonst hätten wir sie wohl am Premierenabend nicht als Salome auf der Bühne gesehen.
Und was für ein Abend! Aber dazu später.
Evgeny Titov
Der aus Kasachstan stammende EVGENY TITOV studierte in St. Petersburg zunächst Schauspiel und wechselte dann an das Max Reinhardt Seminar in Wien in das Regiefach. Gleich seine ersten Regiearbeiten noch an der Akademie fanden großen Anklang und wurden 2016 als Gastspiele ins Wiener Burgtheater und in das Thalia Theater nach Hamburg eingeladen. Danach arbeitete er an Theatern in Dresden, Wiesbaden, Düsseldorfer Schauspielhaus und am Münchner Residenztheater bis zu Gorkis „Sommergäste“ 2019 bei den Salzburger Festspielen.
Ab da ging es in die Opernregie und EVGENY TITOV inszenierte 2021 erstmals an der Komischer Oper Berlin „Oedipe“.
Und jetzt „Salome“ von RICHARD STRAUSS an derselben Stelle.
Nicole Chevalier
Anders als man auf Grund des Namens denken sollte ist NICOLE CHEVALIER nicht Französin, sondern Amerikanerin.
Sie wurde in Chicago geboren und studierte an der Juilliard School in New York. Ihr erstes festes Engagement bekam sie am Theater Freiburg (Inszeniert auch Opern) von 2003 – 2007.
Danach in Kassel von 2007 – 2009 und in Hannover von 2009 – 2012 und wurde von 2012 – 2017 Mitglied des Ensembles an der Komischen Oper, wohin sie jetzt für die Rolle der „Salome“ zurückkehrte. 2016 wurde sie für ihre Rolle der Stella/ Olympia/ Antonia/ Guilietta in „Les Contes d‘ Hoffmann“ in der Inszenierung von Barry Kosky an der Komischen Oper mit dem deutschen Theaterpreis „Der Faust“ geehrt.
Handlung
RICHARD STRAUSS komponierte diese Oper Anfang des 20. Jahrhunderts nach dem gleichnamigen Drama von OSCAR WILDE, welches 1896 in Paris uraufgeführt wurde.
Hintergrund ist die Geschichte um HERODES ANTIPAS, der zur Zeit von JESUS CHRISTUS in Galiläa als Tetrarch (griechisch für „einer von vier Fürsten“) herrschte.
Er übergab Jesus von Nazareth dem Stadthalter Pontius Pilatus, der ihn schließlich kreuzigen ließ. Einige Jahre später ließ Herodes auch den Propheten Johannes den Täufer hinrichten, vermutlich, weil er durch diesen politische Unruhen befürchtete.
Johannes der Täufer war ein jüdischer Prediger zurzeit von Jesus von Nazareth, der begann Menschen als Zeichen ihrer Glaubensgemeinschaft zu taufen, wobei der ganze Körper unter Wasser gedrückt wurde.
Diese Handlungsweise war bis dahin bei den Juden unbekannt.
Auch Jesus ließ sich von Johannes taufen.
Um den Tod Johannes des Täufers (bei STRAUSS Jochanaan genannt) ranken sich mehrere Theorien und Mythen.
Im neuen Testament steht, dass der Grund für Johannes Tod seine Kritik an der Hochzeit Herodes mit seiner Schwägerin Herodias war (und deren Scheidung von ihrem früheren Mann).
Von einer Salome ist hier nicht die Rede. Nur der römische Geschichtsschreiber Flavius Josephus erwähnt ihren Namen.
Die Geschichte um Salome als Tochter der Herodias, die für ihren verführerischen Schleiertanz, den sie vor ihrem Stiefvater aufführte, den Kopf des Johannes verlangte, muss historisch als Legende gesehen werden.
RICHARD STRAUSS nahm sich die deutsche Übersetzung des Theaterstücks von Oscar Wilde als Vorlage für sein Libretto.
„Salome“ ist eine Oper in einem Akt von ca. 1 ¾ Stunden Länge, aufgeteilt in vier Szenen.
In der ersten Szene erleben wir Herodes (MATTHIAS WOHLBRECHT) bei einem Fest in seinem Palast, während im Kerker der jüdische Prophet Jochanaan (GÜNTER PAPENDELL) gefangen gehalten wird.
In der zweiten Szene hört die Stieftochter von Herodes, Prinzessin Salome (NICOLE CHEVALIER), den Propheten aus dem Kerker seine Botschaften über die Missetaten von Herodias (KAROLINA GUMOS), der zweiten Frau von Herodes, verkünden.
Neugierig bittet sie den Wachmann Narraboth (AUGUSTIN GOMEZ) den Kerker zu öffnen, damit sie Jochanaan sehen und sprechen kann.
In der dritten Szene kommt es zur Konfrontation beider so unterschiedlicher Charaktere.
Während Salome von diesem weisen Propheten schwer beeindruckt ist und ihn berühren und küssen möchte, weist Jochanaan sie brüsk zurück, als er von ihr erfährt, dass sie die Tochter der Sünderin Herodias ist. Er geht zurück in den Kerker und lässt Salome zutiefst verletzt zurück.
In der vierten Szene kommt es zum Showdown.
Herodes hat seine lüsternen Augen auf seine junge und hübsche Stieftochter Salome gerichtet und bittet sie für ihn zu tanzen.
Zunächst lehnt sie ab.
Doch als Herodes ihr für das Tanzen alles verspricht, was sie sich wünscht, willigt sie ein.
Nach dem erotisch-sinnlichen „Tanz der sieben Schleier“ (bei EVGENY TITOV sind es 15 Tänzerinnen) fordert Salome von Herodes den Kopf von Jochanaan auf einem Silbertablett.

„Salome“, Herodias (Karolina Gumos), Herodes (Matthias Wohlbrecht), Salome (Nicole Chevalier), ph: Holger Jacobs
Zunächst verweigert sich Herodes dieser schrecklichen Tat.
Doch letztlich hatte er einen Eid geschworen und muss den Wunsch seiner Stieftochter erfüllen.
Als der Henker Salome den Kopf von Jochanaan bringt, küsst sie ihn, so wie sie es sich immer gewünscht hatte (bei EVGENY TITOV wird der Körper aufgeschlitzt). Herodes weist daraufhin voller Ekel seine Soldaten an, Salome zu töten.
Sie begraben sie unter ihren Schildern.
Kritik
Wie schon in der Einleitung erwähnt, war die wesentliche Inszenierungsidee von Regisseur EVGENY TITOV der Sängerin der Salome eine dauerhafte Maske über den ganzen Kopf zu verpassen, der in keinem Moment das Gesicht von NICOLE CHWVALIER freilegte.
Nach anfänglicher Irritation seitens der Zuschauer gewöhnte man sich aber nach einer Weile daran und konzentrierte sich umso mehr auf die gewaltige Stimme der Sopranistin. Diese Konzentration wird wohl auch der Ursprung der Idee gewesen sein. Es stellte ein Mittelding dar zwischen CD-Aufnahme und Opernaufführung.
Während man einer Aufnahme auf seinem Stereo-Gerät nur der Musik lauscht und sich alles weitere denken muss, so muss sich die Musik in einer Opernaufführung die Aufmerksamkeit des Zuschauers immer mit dem sichtbaren Bühnengeschehen teilen.
EVGENY TOTOV wählte mit der Maske den Mittelweg.
Eine besondere Hochachtung gilt dem Dirigenten JAMES GAFFIGAN und dem Orchester der Komischen Oper, die der Musik von RICHARD STRAUSS die nötige Kraft und Stärke verlieh, die das Werk benötigt.
Nach dem Schlussakkord und Abschalten der Scheinwerfer blieb das Publikum zunächst 10 Sekunden völlig regungslos in ihren Sitzen, bis ich schließlich die Stille mit einem lauten Klatschen unterbrach.
Tosender Beifall erklang.
Die Bühne (RUFUS DIDWISZUS) war sehr zurückhaltend konstruiert.
Das ganze Stück über wurde nur ein hoher Raum mit dunkel-vergoldeten Wänden gezeigt (Herodes Palast), mit einer Unterbrechung:
Nach der dritten Szene werden die Wände kurz hochgefahren und eine Mauer mit ca. 100 kleiner Rahmen wird gezeigt, in der jeweils ein abgeschnittener Kopf liegt – vielleicht ein Hinweis auf das, was in diesem Moment in Salomes Kopf vorging.
Die Kostüme (Esther Bialas) waren etwas verwirrend.
Salome war in ein silbernes Cocktailkleid mit Unterrock gekleidet, Herodes in einen giftgrünen Herrenanzug unserer Zeit und Herodias trug ein goldenes Paillettenkleid, welches über einen Fatsuit (ein Ganzkörperschlauch, der den Umfang des Körpers um das Doppelte vergrößert) gestülpt war.
Die anderen Sängerinnen und Sänger konnten sich alle positiv behaupten.
MATTHIAS WOHLBRECHT als Herodes fiel besonders durch seine schauspielerische Leistung auf und GÜNTER PAPENDELL durch seinen sonoren Bass, der selbst aus der Tiefe des Kerkers gut zu hören war.
Fazit: Beeindruckende Inszenierung mit einer überragenden NICOLE CHEVALIER. Komponist RICHARD STRAUSS hätte seine Freude gehabt.
Salome von Richard Strauss
Komische Oper Berlin
Premiere war am 22.11.2025
Musikalische Leitung: James Gaffigan, Inszenierung: Evgeny Titov
Mit: Nicole Chevalier (Salome), Günter Papendell (Jochanaan), Matthias Wohlbrecht (Herodes), Karolina Gumos (Herodias)
Author: Holger Jacobs
Founder & Editorial Director of kultur24.berlin ug.
Founder & Editorial Director of kultur24 TV on Youtube.
Former correspondent for fashion in Paris.
Photographer, writer and videographer.























