Tristan und Isolde von Richard Wagner in der Deutschen Oper

Tristan und Isolde - Deutsche Oper Berlin -ph: Bernd Uhlig

Tristan und Isolde von Richard Wagner in der Deutschen Oper

 

Von Holger Jacobs

10.11.2025

for english text click here

Wertung: 🙂 🙂 🙂 (drei von fünf)

Auch die schöne Musik Richard Wagners kann die inhaltliche Leere und die wenig inspirierende Inszenierung retten.

Die Tristan Sage

Richard Wagner liebte es alte Sagen als Hintergrund seiner Opern zu nehmen.
Die Tristan-Sage soll es schon seit dem 6. Jahrhundert n.Chr. durch keltische Erzählungen geben.
Selbst im Perserreich um 1000 n.Chr. finden sich Epen mit ähnlichem Inhalt.
Dass Autoren über unerfüllte Liebesbeziehungen seit der Antike schreiben ist sicher nicht ungewöhnlich, da Eheschließungen in vielen Kulturen nicht auf Grund von Liebe, sondern auf Grund von gesellschaftliche Zwängen üblich waren.
Bis heute ist es in arabischen Ländern und auch in Indien Usus, Hochzeiten zwischen Familien zu arrangieren, egal, ob sich die beteiligten Männer und Frauen aneinander zugeneigt sind oder nicht.
Eheschließungen zwischen Fürsten- und Königshäusern wurden meistens machtpolitisch ausgenutzt.
Ging es doch darum, verfeindete Staaten durch eine Hochzeit ihrer Nachkommen aneinander zu binden.
Dabei kam es sicher vor, dass einige von ihnen sich in ihrer Heimat schon in jemand anderen verliebt hatten, wohl wissend, dass sie diesen (oder diese) nie werden heiraten können.
So wie bei Tristan und Isolde.

„Tristan und Isolde“ von Edmund Leighton, 1902 -CC- Wikimedia Commons

Handlung

Vorgeschichte

In der Zeit nach der römischen Herrschaft in Britannien ist das an der Südspitze Englands gelegene Cornwall der Insel Irland zinspflichtig.
Als eines Tages Morold, ein hoher Adliger aus Irland, wieder einmal nach Cornwall kommt um den Zins von König Marke von Cornwall zu einzufordern, stellt sich ihm Tristan, der Neffe von König Marke, entgegen und tötet ihn. Dabei wird Tristan im Kampf selber schwer verwundet.
Es gibt nur eine Möglichkeit der Heilung:
Isolde, die Tochter des Königs von Irland. Denn Isolde verfügt über außergewöhnliche Heilkräfte.
Obwohl Tristan Isoldes Verlobten Morold im Kampf tötete, entscheidet sie sich Tristan zu heilen, weil sie sich bei seinem Anblick spontan ich ihn verliebt hat.
Währenddessen wird in Cornwall beschlossen, dass König Marke ausgerechnet die Königstochter Isolde von Irland heiraten soll, um in Zukunft in Frieden mit dem irischen Volk leben zu können.
Und ausgerechnet Tristan soll Isolde mit dem Schiff von Irland abholen und sie nach Cornwall bringen.

„Tristan und Isolde“, Künstler unbekannt, ca. 1470

Handlung der Oper

Erster Aufzug

Während der Überfahrt von Irland nach Cornwall ist Isolde (ELISABETH TEIGE) tief verletzt darüber, dass ausgerechnet Tristan (CLAY HILLEY), in den sie sich verliebt hatte, sie zu dem ihr völlig unbekannten König Marke (GEORG ZEPPENFELD) nach Cornwall bringen soll, um diesen zu ehelichen.
Auf dem Schiff versucht Isolde vergeblich Tristan zur Rede zu stellen, der seinerseits unglücklich über die Situation ist, sich aber gegenüber seinem König verpflichtet fühlt. Als es dann doch zu einem Treffen kommt, möchte Isolde ihm und sich selbst mit einem giftigen Trank das Leben nehmen.
Aber Isoldes treue Dienerin Brangäne (IRENE ROBERTS) hat den Todestrank mit einem Liebestrank vertauscht, da sie es nicht übers Herz brachte Isolde sterben zu sehen.
Kaum getrunken gestehen sich Tristan und Isolde ihre Liebe.

„Tristan und Isolde“ von John William Waterhouse, 1916 -CC-Wikimedia Commons

Zweiter Aufzug

Tristan und Isolde treffen sich heimlich nachts in einem Garten in der Nähe des Palastes von König Marke.
Eine gesangliche Liebesbezeugung nach der anderen folgt, bis plötzlich König Marke mit seinem Diener Melot (DEAN MURPHY) auftaucht und dem Liebesrausch ein Ende bereitet.
Tristan ist sich seiner ausweglosen Lage bewusst und stürzt sich auf Melot ohne sich selbst zu verteidigen.
Melot zügt sein Schwert und sticht Tristan nieder, der schwer verletzt seinem Diener Kurwenal (THOMAS LEHMAN) in die Arme sinkt.

„Tristan und Isolde“, Deutsche Oper Berlin, ph: Bernd Uhlig

Dritter Aufzug

Kurwenal kann den schwerverletzten Tristan in seine Heimat in die französische Bretagne bringen.
Nur Isoldes Heilkräfte können ich noch vor dem sicheren Tod retten und beide fiebern dem Boot mit Isolde aus England entgegen.
Als sie endlich kommt ist es zu spät: Tristan stirbt in ihren Armen.
Plötzlich kommt ein weiteres Schiff, dieses Mal mit König Marke und Gefolge.
Er hat von Brangäne die ganze Tragik erfahren und will Isolde für Tristan freigeben.
Aber als Tristan stirbt verlässt auch Isolde der Lebenswille und bricht sterbend über seinem Leichnam zusammen.

„Tristan und Isolde“, Deutsche Oper Berlin, ph: Bernd Uhlig

Kritik

Richard Wagners Opern bestechen zu allererst durch ihre Musik.
Und das ist bei „Tristan und Isolde“ ganz besonders der Fall.
Denn inhaltlich tut sich nicht viel.
Im ersten Aufzug stehen Tristan und Isolde zunächst getrennt und dann beieinander auf einem Schiff, welches hier durch einen langen, schwarzen Block dargestellt wird (Bühne: HENRIK AHR) und besingen ihre Liebesprobleme.
Im zweiten Aufzug schmachten sie sich eine Stunde lang an, bevor dann kurz vorm Ende der Showdown mit dem Kampf Melot gegen Tristan kommt.
Und im dritten Akt besingt Tristan nochmals ca. eine Stunde lang sein Schicksal bis endlich Isolde kommt und sie ihre unter dem Titel „Isoldes Liebestod“ bekannt gewordene Arie singt.
Das wars.

Um den Zuhörer nun während dieser insgesamt 5,5 Stunde nicht einschlafen zu lassen, muss sich die Regie einiges einfallen lassen.
Leider hat sich Regisseur MICHAEL THALHEIMER dafür entschieden, möglichst gar nichts zu tun.
Oder besser gesagt: So wenig wie möglich von der Musik und den Sängern ablenken.
Das bewirkt er, indem er die Bühne im Hintergrund nur mit einer 10 x 20 Meter großen Wand aus 260 Lampen bestückt, die, je nach Stimmungslage, mal hell, mal weniger hell aufleuchtet oder ganz oder teilweise ausgeschaltet wird.
Im dritten Akt wird die Leuchtwand ganz hochgezogen und senkt sich während des Aktes langsam wieder, bis die Oper zu Ende ist.
Links und rechts sind schwarze Wände.
Das wars.

„Tristan und Isolde“, Deutsche Oper Berlin, ph: Bernd Uhlig

Im ersten Akt hat mir das noch gut gefallen, weil ich mich ganz auf die Musik und vor allem auf den hervorragenden Sopran der norwegischen Sängerin ELISABETH TEIGE (*1980) und ihrer Interpretation der Isolde konzentrieren konnte.
Das war ein Genuss. Auch ihr wunderschönes, schneeweißes Kleid (Kostüme: MICHAELA BARTH) machte sie zum Ohren- und Augenschmaus auf der Bühne.

Leider ganz im Gegenteil der US-amerikanische Sänger CLAY HILLEY als Tristan, der mit seinem grau-schwarzen Hemd, grau-schwarzer Hose, kurzer, dickbäuchiger Gestalt und rundem Kopf mit Vollbart eher wie ein Bauarbeiter, als wie ein strahlender Held aussah.
Dabei ist er stimmlich ein guter Tenor, dass sich auf einer CD sicher vortrefflich anhören würde.
Aber eben nicht auf der Bühne.
Und erst Recht nicht neben solch einer strahlenden Heldin an seiner Seite.
Am Schluss, als Tristan schon am Boden liegt, durfte Isolde in der Sterbeszene noch eine gefühlte Ewigkeit ihren Kopf auf seinen runden Bauch legen…

„Tristan und Isolde“, Deutsche Oper Berlin, ph: Bernd Uhlig

Schade, ich kenne Michael Thalheimers Inszenierungen am Theater schon seit langem.
Besonders gut habe ich noch seine „Faust“ Inszenierung 2004 am Deutschen Theater Berlin in Erinnerung.
Die war großartig.
Genauso minimalistisch, nur auf die Sprache Goethes und auf die Mimik der Schauspieler konzentriert.

„Faust 1“, Deutsches Theater 2004, ph: Holger Jacobs

Ich denke, er hat hier bei „Tristan und Isolde“  Ähnliches vorgehabt, ist dabei aber an der sich schleppend hinziehenden Handlung und der Länge des Stücks gescheitert.
Außerdem ist es ein großer Unterschied, ob ich einem Text auf hoher intellektueller Ebene zuhöre, oder einer schönen Musik (Dirigent: DONALD RUNNICLES) lausche, die sich endlos hinzieht und den Hörer einlullt.
Dabei können einem dann schon mal die Augen zufallen…

Fazit: Musikalisch brillant, aber inszenatorisch schwach.

„Tristan und Isolde“ von Richard Wagner
Deutsche Oper Berlin
Premiere war am 1.November 2025
Inszenierung: Michael Thalheimer
Musikalische Leitung: Sir Donald Runnicles
Mit: Elisabeth Teige (Isolde), Clay Hilley (Tristan), Georg Zeppenfeld (König Marke), Irene Roberts (Brangäne), Thomas Lehmann (Kurwenal)

Applaus, „Tristan und Isolde“, ph: Holger Jacobs

 

English Text

 

 

Tristan and Isolde by Richard Wagner at the Deutsche Oper Berlin

 

By Holger Jacobs


November 10, 2025

Rating: 🙂 🙂 🙂 (four of five)

Even Richard Wagner’s beautiful music can’t salvage the lack of substance and the uninspiring staging.

The Tristan Legend

Richard Wagner loved to use ancient legends as the backdrop for his operas.
The Tristan legend is said to have existed since the 6th century AD through Celtic tales.
Even in the Persian Empire around 1000 AD, epics with similar content can be found.
That authors have written about unrequited love since antiquity is certainly not unusual, since marriages in many cultures were not based on love, but rather on social constraints.
To this day, it is common practice in Arab countries and also in India to arrange marriages between families, regardless of whether the men and women involved are attracted to each other or not.
Marriages between princely and royal houses were usually exploited for power politics.
The aim was to bind hostile states together through the marriage of their offspring.
It certainly happened that some of them had already fallen in love with someone else back home, knowing full well that they would never be able to marry that person.
Just like with Tristan and Isolde.

„Tristan und Isolde“ von Edmund Leighton, 1902 -CC- Wikimedia Commons

Story

Background

In the period following Roman rule in Britain, Cornwall, located at the southern tip of England, owes tribute to the island of Ireland.
When Morold, a high-ranking Irish nobleman, once again arrives in Cornwall to collect the tribute from King Mark of Cornwall, he is confronted and killed by Tristan, King Mark’s nephew.
Tristan himself is gravely wounded in the battle.
There is only one way to heal him:
Isolde, the daughter of the King of Ireland. She possesses extraordinary healing powers.
Although Tristan killed Isolde’s betrothed Morold, in battle, she decides to heal Tristan because she has fallen instantly in love with him at first sight.
Meanwhile, in Cornwall, it is decided that King Mark should marry none other than the king’s daughter, Isolde of Ireland, in order to live in peace with the Irish people in the future.
And Tristan, of all people, is to fetch Isolde by ship from Ireland and bring her to Cornwall.

„Tristan und Isolde“, Künstler unbekannt, ca. 1470

Plot of the opera

Act One

During the voyage from Ireland to Cornwall, Isolde (ELISABETH TEIGE) is deeply hurt that Tristan (CLAY HILLEY), with whom she has fallen in love, is to take her to Cornwall to marry the completely unknown King Marke (GEORG ZEPPENFELD).
On the ship, Isolde tries in vain to confront Tristan, who is unhappy about the situation but feels obligated to his king.
When a meeting finally takes place, Isolde intends to take her own life and hiss with a poisoned potion.
But Isolde’s loyal servant Brangäne (IRENE ROBERTS) has switched the death potion with a love potion, unable to bear to see Isolde die.
No sooner have they drunk it than Tristan and Isolde confess their love for each other.

„Tristan und Isolde“ von John William Waterhouse, 1916 -CC-Wikimedia Commons

Act Two

Tristan and Isolde meet secretly at night in a garden near King Marke’s palace.
One song of love follows another, until suddenly King Marke appears with his servant Melot (DEAN MURPHY) and puts an end to their amorous revelry.
Aware of his hopeless situation, Tristan lunges at Melot without defending himself.
Melot draws his sword and stabs Tristan, who collapses, gravely wounded, into the arms of his servant Kurwenal (THOMAS LEHMAN).

Marke + Melot, „Tristan und Isolde“, Deutsche Oper Berlin, ph: Bernd Uhlig

Act Three

Kurwenal manages to bring the gravely wounded Tristan back to his home in Brittany, France.
Only Isolde’s healing powers can save them from certain death, and both eagerly await the boat carrying Isolde from England.
When she finally arrives, it is too late: Tristan dies in her arms.
Suddenly, another ship arrives, this time with King Marke and his entourage.
He has learned the full tragedy from Brangäne and intends to release Isolde for Tristan.
But as Tristan dies, Isolde also loses her will to live and collapses, dying, over his body.

„Tristan und Isolde“, Deutsche Oper Berlin, ph: Bernd Uhlig

Critics

Richard Wagner’s operas are captivating first and foremost (at least for me) because of their music. And this is especially true of „Tristan und Isolde.“
Because not much happens in terms of plot.
In the first act, Tristan and Isolde stand first separately and then together on a ship, represented here by a long, black block (set design: Henrik Ahr), and sing about their love troubles.
In the second act, they gaze longingly at each other for an hour before the showdown with the battle between Melot and Tristan takes place shortly before the end.
And in the third act, Tristan sings about his fate for another hour or so until Isolde finally arrives and sings her aria, now known as „Isolde’s Liebestod“ (Love-Death).
That’s it.

To keep the audience from falling asleep during these 5.5 hours, the director has to come up with something special.
Unfortunately, director Michael Thalheimer has decided to do as little as possible.
Or rather: to distract as little as possible from the music and the singers.
He achieves this by equipping the backdrop of the stage with only a 10 x 20 meter wall of 260 lamps, which, depending on the mood, sometimes shines brightly, sometimes less brightly, or is switched off completely or partially.
In the third act, the illuminated wall is raised completely and slowly lowers again during the act until the opera ends.
To the left and right are black walls.
That’s it.

„Tristan und Isolde“, Deutsche Oper Berlin, ph: Bernd Uhlig

I enjoyed the first act quite a bit, because I could concentrate entirely on the music and especially on the outstanding soprano of the Norwegian singer Elisabeth Teige (born 1980) and her interpretation of Isolde.
That was a delight. Her beautiful, snow-white dress (costumes: Michaela Barth) also made her a feast for the eyes and ears on stage.
Unfortunately, the American singer Clay Hilley as Tristan was quite the opposite. With his gray and black shirt, gray and black trousers, short, pot-bellied figure, and round head with a full beard, he looked more like a construction worker than a shining hero.
Yet he is a fine tenor, which would certainly sound good on a CD.
But not on stage.
And certainly not next to such a radiant heroine.

„Tristan und Isolde“, Deutsche Oper Berlin, ph: Bernd Uhlig

At the end, when Tristan is already lying on the ground, Isolde is allowed to rest her head on his round belly for what feels like an eternity in the death scene…

It’s a shame, I’ve been familiar with Michael Thalheimer’s theater productions for a long time.
I particularly remember his production of „Faust“ at the Deutsches Theater Berlin in 2004.
That was magnificent.
Just as minimalist, focusing solely on Goethe’s language and the actors‘ facial expressions.

„Faust 1“, Deutsches Theater 2004, ph: Holger Jacobs

I think he attempted something similar with „Tristan and Isolde,“ but failed due to the sluggish plot and the length of the play.
Furthermore, there’s a big difference between listening to a text on a high intellectual level and listening to beautiful music (conductor: Donald Runnicles) that drags on endlessly and lulls the listener.
You can easily doze off…

Conclusion: Musically brilliant, but weak in its staging.

„Tristan und Isolde“ by Richard Wagner
Deutsche Oper Berlin
Premiere was on November 1, 2025
Director: Michael Thalheimer
Conductor: Sir Donald Runnicles
With: Elisabeth Teige (Isolde), Clay Hilley (Tristan), Georg Zeppenfeld (King Marke), Irene Roberts (Brangäne), Thomas Lehmann (Kurwenal)

Applaus, „Tristan und Isolde“, ph: Holger Jacobs

 

Author: Holger Jacobs

Founder & Editorial Director of kultur24.berlin ug.
Founder & Editorial Director of kultur24 TV on Youtube.
Former correspondent for fashion in Paris.
Photographer, writer and videographer.

Cookies help us deliver our services. By using our services, you agree to our use of cookies.