Die Schönheit von Ost-Berlin – eine Collage von Bastian Kraft
Neuproduktion des Deutschen Theater Berlin in den Kammerspielen
Wertung: 🙂 🙂 🙂 🙂 (vier von fünf möglichen)
Von Holger Jacobs (Text und Fotos)
16.22.2014. „Die Schönheit von Ost-Berlin“ – Ein Stück über einen, der sich nicht anpassen konnte und wollte, weder auf der einen, noch der anderen Seite der Mauer.
Worum geht es?
Wir schreiben das Jahr 1966. Eine Mutter flieht mit ihrem 6-jährigen Jungen im Kofferraum eines Autos über die deutsch-deutsche Grenze in die Bundesrepublik Deutschland. Sie will zu Ihrem Mann, der schon zu früherer Zeit fliehen konnte. Doch kaum angekommen, verkündet dieser, dass er in der BRD eine neue Familie gegründet und von der neuen Frau zwei Kinder hat. Die Mutter ist entsetzt, ändern kann sie es nicht. Der Vater teilt sich künftig zwischen 2 Familien auf. Der Junge seinerseits kann sich nicht in seiner neuen Heimat integrieren und wird von seinen Mitschüler gehänselt. Zusätzlich entdeckt er, dass er schwul ist, was sein Leben nicht leichter macht. Aber er schreibt sein erstes Buch, „Kleinstadtnovelle“, über ein Coming Out in der Provinz, welches ein großer Erfolg wird. Als junger Mann geht er Anfang der 80er Jahre nach Westberlin, aber auch dort wird er nicht glücklich. Schließlich geht er in seine alte Heimat zurück und erwirbt am 1. September 1989 die Staatsbürgerschaft der DDR – drei Monate vor Öffnung der Mauer. 1991 stirbt er mit 31 Jahren an AIDS.
Was eher wie ein Roman klingt oder wie ein typisch-deutscher Problemfilm ist eine wahre Geschichte. Das Deutsche Theater Berlin wollte wohl einen Kontrapunkt setzen zu all den Feierlichkeiten zu 25 Jahre Mauerfall. Und dies ist ihm wunderbar gelungen. Es geht in keiner Weise um irgendeine Glorifizierung der DDR oder darum, welches System nun besser oder „schöner“ gewesen wäre, sondern einzig und allein um das Schicksal eines Mannes, der anders dachte und anders fühlte.
Regisseur Bastian Kraft setzt die Geschichte von Ronald Schernikau mit einer tollen Inszenierung um. Er lässt gleich vier Schauspieler – 3 Männer und eine Frau – den Schernikau spielen und stellt diesem Vierer-Gespann nur die Mutter entgegen, die sehr bedrückend und wirklichkeitsnah ihre Geschichte erzählt.
Für mich das beste Stück in dieser neuen Spielzeit. Eine außergewöhnliche Story lebendig umgesetzt mit tollen Schauspielern. Margit Bendokat, die die Mutter spielt, kannte sogar noch den echten Schernikau, der zu seinen Lebzeiten engen Kontakt zum Deutschen Theater pflegte und großer Bewunderer von Heiner Müller war.
Es spielen: Elias Arens, Thorsten Hierse, Bernd Moss und Wiebke Mollenhauer als Ronald M. Schernikau, Margit Bendokat als Mutter. Bühne: Peter Bauer, Kostüme Inga Timm, Regie: Bastian Kraft
Spielplan des Deutschen Theaters:
http://www.deutschestheater.de/spielplan/
http://youtu.be/HvOswUsAHGU
- Die Mutter erzählt ihre Geschichte von der Flucht in einem Kofferraum über die Grenze
- Im Westen angekommen, gibt es einige Überraschungen
- Mutter und Sohn sind nicht glücklich über ihre Flucht in den Westen
- Sie erinnern sich an die frühere Zeit
- Ronald Schernikau von vier Schauspielern dargestellt
- Die Mutter erzählt, wie ihr Mann im Westen ihr von seiner neuen Familie erzählt
- Eine zweite Familie mit noch 2 Kindern
- Schernikau merkt in der Pubertät, dass er schwul ist
- In seiner neuen Umgebung im Westen ist er ausgegrenzt
- Die Mutter erzählt, wie ihr von den West-Behörden immer eingetrichtert wird, sie soll doch auf politischen Flüchtling plädieren, um Hilfsgelder vom Staat zu bekommen
- Schernikau veröffentlicht seinen ersten Roman „Keinstadtnovelle“ über ein Coming Out in der Provinz
- Die Mutter aber sagt den Behörden, sie sei doch wegen der Liebe in den Westen gekommen…
- Schernikau zieht nach West-Berlin und taucht dort in die Party -und Schwulenszene ein
- Westberlin in den 70er Jahren
- Nach intensiven Gesprächen mit Schriftstellerkollegen entscheidet sich Schernikau 1989 wieder in die DDR zu ziehen
- Anfang der 90er Jahre erfährt er, dass er an AIDS erkrankt ist
- Eine Krankheit, die die Schwulenszene zunächst wie ein Schock traf
- Gespräch mit der Mutter
- Schernikau wurde nur 31 Jahre alt
- Am 20. Oktober 1991 stirbt er an seinem letzten Wohnort – in Berlin-Hellersdorf
Author: Holger Jacobs
Founder & Editorial Director of kultur24.berlin ug.
Founder & Editorial Director of kultur24 TV on Youtube.
Former correspondent for fashion in Paris.
Photographer, writer and filmmaker.