ZEITmagazin Konferenz mit Stella McCartney

ZEITmagazin Konferenz Mode & Stil © Phil Dera

ZEITmagazin Konferenz mit Stella McCartney

 

Von Katja Andreae

10.7.2017

FREE THE FASHION – Wie politisch ist Mode?

Dass die Mode in einem engen Beziehungsgefüge mit der Politik (im weiteren Sinne) steht, ist bereits seit Jahrzehnten zu beobachten. Wer sich der Mode bedient, tut dies mit einem klaren Hintergedanken. Individualität oder auch Konformität können beispielsweise Motive des Trägers sein. Selbst jene Individuen, die sich gänzlich unbeeindruckt zeigen, setzen mit ihrer vermeintlich unmodischen Klamotte ein unbewusstes Statement.

Bekleidung – Mode

Während die Aufgabe der Bekleidung lediglich die Erfüllung einer bestimmten Funktion, wie etwa den Schutz vor Kälte darstellt, ist Mode also das symbolisch aufgeladene Produkt dieser. Sie vermittelt, provoziert, schafft Zugehörigkeit oder verstärkt die Abschottung. Sie dient als Instrument, mithilfe dessen es sich leichter zu positionieren und auszudrücken gilt.

So können die Turnschuhe von Joschka Fischer als Symbol der Auflehnung gegen die damalige Politik-Elite gesehen werden. Die Hippies wiederum bemalten Militärparkas mit Peace Zeichen und nutzten diese als Protestsymbol gegen den Krieg. Zahlreiche weitere Beispiele aus der jüngeren Geschichte belegen, dass Mode und Politik – direkt wie auch indirekt- immer schon eng miteinander verwoben waren.

Was wir aktuell beobachten, zeigt jedoch, dass sich die Gruppe der „politischen Akteure“ im Modewesen erweitert hat. Während es bisher noch der Modekonsument war, der mit seiner Klamotte etwas bestimmtes auszudrücken versuchte, scheint es, als möchten Designer mittlerweile auch nicht ganz unbeteiligt an diesem Prozess sein. Wo bisher noch politischer Isolationismus auf Seiten der großen Modehäuser vorherrschte, ist seit kurzem eine Form des Interventionismus zu erkennen.

Unter jenem Aufhänger fand am vergangen Donnerstag, den 6. Juli im Rahmen der Fashionweek die 8. ZEITmagazin Konferenz MODE & STIL im Kronprinzenpalais statt. Auch dieses mal luden die deutsche VOGUE und das ZEITmagazin zum Panel Talk, unter dem Leitsatz „Free the Fashion“, hochkarätige Gäste aus Mode, Kunst und Wissenschaft ein.

Tillmann Prüfer, Style Director des ZEITmagazins, betonte direkt zu Anfang, dass es eigentlich unmöglich sei, sich NICHT politisch zu kleiden. Politisch, so Prüfer, müsse in diesem Kontext nicht zwangsläufig meinen, radikale Parolen auf dem T-Shirt zu tragen, sondern vielmehr auch den aktuellen Zeitgeist widerzuspiegeln. So ließe sich in den Kollektionen von Gucci’s Art Director Alessandro Michele eine Form des Nonkonformismus erkennen. Kein Teil gleiche dem anderen, Vielfalt und Individualität stünden an oberster Stelle – Attribute, die in gewisser Weise auch politisch verstanden werden können, betrachtet man die zunehmende Diversität der westlichen Industrienationen.

Auch Prof. Dr. Christiane Funken, Fachgebietsleiterin für Kommunikation und Medienforschung an der Technischen Universität Berlin ist der Überzeugung, dass Mode dann politisch werde, wenn sie Regeln und Dresscodes durchbreche. Spätestens seit dem Überholmarsch von Highstreet Labels wie Vetements und Gosha Rubchinskiy, die krasser nicht mit modischen Konventionen brechen könnten, wird deutlich inwieweit sich Designer neu zu positionieren versuchen.

Inwiefern der politische Aktivismus mittlerweile Einzug auf die Laufstege erhalten hat, konnte man bei Angela Missoni, Co-Founderin und Designerin des gleichnamigen Labels, zu Beginn des Jahres beobachten. Auf ihrer Fashionshow im Januar schickte sie ihre Models mit pinken Strickmützen auf den Catwalk, eine Anlehnung an die pinken „Pussyhats“, die im Januar auf dem Women’s March in Washington D.C. zum Protestsymbol avancierten.

Ein deutlicheres Zeichen zugunsten des Feminismus hätte von Seiten einer Designerin wohl kaum gesetzt werden können. Nicht nur ließ die Designerin das Symbol der Frauenbewegung in ihre Kollektion mit einfließen. Ihr gelang es darüber hinaus, ein modisches Accessoire mit derart viel Symbolkraft aufzuladen, dass dessen eigentliche Funktion nun fast schon nebensächlich erscheint. Die 59 jährige Erbin des italienischen Traditionshauses betonte im Gespräch mit Tillmann Prüfer, dass Mode heute eine viel stärkere Stimme habe und leichter etwas bewegen könne.

Christian Dior: We should all be feminists

Rabih Kayrouz, der aus dem Libanon stammende und in Paris lebende Designer, wies darauf hin, dass die politischen Ambitionen zwar ein Schritt in die richtige Richtung seien, jedoch nicht immer auch gleich Ernst genommen werden dürfen.
So kritisierte er im Gespräch mit Claire Beermann, Autorin beim ZEITmagazin scharf, dass ein T-Shirt mit dem Aufdruck „We should all be feminists“ die Trägerin nicht gleich zur Feministin mache. Das 500€ teure T-Shirt der Marke Dior lieferte erst kürzlich heißen Gesprächsstoff, nachdem man es am Leibe sämtlicher Stars und Influencer wie Rihanna, Natalie Portman, Jennifer Lawrence oder auch Chiara Ferragni zu sehen bekam.

Christian Dior T-Shirt „We should all be feminists“ © Dior

Stargast des Tages war keine andere als Stella McCartney. Mit ihrer veganen Mode setzt sie seit der Gründung ihres Labels ein starkes Zeichen in punkto Umweltbewusstsein. Die 45 jährige Britin und Tochter des Beatles Sängers Paul McCartney, wurde von Kindheit an vegetarisch erzogen.

McCartney kritisierte im Gespräch mit Christoph Amend, Chefredakteur des ZEITmgazins, dass ein Großteil der Designer die kollektive Verantwortung immer noch zu stark auf den Verbraucher abwälze. Man müsse diesem bereits ein Produkt anbieten, welches moralisch und ethisch zu vertreten sei. So verzichtet McCartney bei der Produktion ihrer Kollektionen nicht nur auf Leder, sondern auch auf die Verwendung von Wasser, Getreide und Holz. Auch wenn dies gewiss kein Muss ist für jedes Label sein mag, ist man doch immer wieder erstaunt, wie unbeeindruckt große Modehäuser von klar definierten „Codes of Conducts“ sind.

Das Problem, so die britische Designerin, liege an der falschen Gewichtung von Werten. Achtsamkeit und Verantwortung seien immer noch keine Norm. Die Designerin appellierte damit klar an ihre Kollegen und Kolleginnen, die sich nach wie vor nicht in der Verantwortungs- und Vorbildrolle sehen.

Jason Wu,  taiwanesischer Herkunft, seit 2015 neuer Chefdesigner bei Hugo Boss, bekam die gewaltige Macht der Politik auf andere Weise zu spüren.

Als Michelle Obama 2009 aus der Präsidenten Limousine die Treppen hinauf in Richtung Inauguration Ball stieg, kam ihm das Kleid der First Lady, eine fließende One-Shoulder Robe aus Chiffon, nicht ganz unbekannt vor. Wu beschrieb diesen Moment als seinen großen Durchbruch: „The woman I admire the most, helped me the most“. Dass die Garderobe der First Lady nicht dem Zufall überlassen wird, ist gewiss kein Geheimnis. Michelle Obama war sich bei der Wahl ihrer Garderobe stets darüber im klaren, welche Plattform sie dem Designer damit bieten könne. So überrascht es kaum, dass sie vermehrt zu Nachwuchsdesignern tendierte. Junge Kreative, die im Gegensatz zu den alt eingesessene Haute Couture Häusern noch gewillter und mutiger sind, einen Stein ins Rollen zu bringen.

Mode, so Wu, habe die Kraft Dinge zu transformieren. Seitdem er von der ehemaligen First Lady auserwählt wurde (und das gleich mehrere Male), steht der junge Designer im Spotlight der Öffentlichkeit. Ob er sich jetzt noch einen Fehltritt erlauben würde – wohl kaum.

Es scheint, als bewege sich etwas im Verhältnis der Modeakteure. Während die Aufgabe des Designers bisher darin bestand, zielgruppenorientierte Trends auszuformulieren, wird neuerdings mehr von ihm erwartet. Angela Missoni oder auch Stella McCartney verdeutlichen, inwiefern Designer einen positiven Einfluss oder zumindest augenöffnenden Effekt auf eine große Gruppe unterschiedlicher Individuen haben können.

Verantwortung und Pflichtbewusstsein sollten mittlerweile zur Aufgabe eines jeden Designers gehören. Dabei genügt es nicht, T-Shirts mit frechen Parolen bedrucken zu lassen, sondern vielmehr richtungslenkende Maßnahmen einzuleiten, die egal ob Umweltschutz, Frauenrechte oder faire Arbeitsbedingungen individuell ausformuliert werden können. Was bisher schon in kleinen Ansätzen funktioniert, sollte in Zukunft flächendeckend Einzug in die Modewelt erhalten. Wir sind gespannt.

10 Bilder: Stella McCartney und Christoph Amen (Chefredakteur ZEITmagazin), ZEITmagazin Konferenz Mode & Stil © Phil Dera

 

Author: Katja Andreae

Journalistin und freie Autorin

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