Das neue Museum Yves Saint-Laurent in Paris
Von Marina Rasumovskaya
25.10.2017
english text below
Eröffnung Museum Yves Saint Laurent in Paris am 3. Oktober 2017 in Paris
Mode, das ist: zu gleicher Zeit sich zeigen und verbergen. Als Catherine Deneuve in La Belle du Jour mit schwarzem Lackmantel und schwarzem Hut getarnt zum ersten Mal in das verruchte Haus kommt, macht sie zugleich großen Auftritt und die Freundinnen spüren sofort den Wind aus einer andern Welt. „Oh – ist das ein super Mantel! Bestimmt sehr teuer.“ Eine nimmt ihr den Mantel ab. „Kannst ihn mir mal für ein paar Tage leihen?“ Dann schaut sie in den Mantel – „Oh! … Yves Saint Laurent … “
Diesen schönen Mantel könnte man tatsächlich gebrauchen! In der Warteschlange an diesem verregneten 3. Oktober 2017 zum Beispiel vor einer der neuen Institutionen der französischen Hauptstadt: dem Musée Yves Saint Laurent Paris. Während der eben zu Ende gegangenen Fashion Week in Paris wurde das Haus mit dem offiziellen Status eines „Musée de France“ feierlich in Anwesenheit der franz. Kultusministerin Francoise Nyssen eröffnet.
Schon Yves Saint-Laurent selbst hatte die Idee, einmal ein Museum zu gründen. Zu diesem Zweck nahm er seit 1964 bestimmte Modelle vom Markt und hielt sie später in einem eigenen Lager zurück. Sein Lebens- und Arbeitsgefährte Pierre Bergé hatte damit dann eine eigene Stiftung gegründet in dem vornehmen Stadtpalais der 5, avenue Marceau, 16. arrondissement, in dem YSL von Anfang an residierte, mit Produktion, Studio und bis 1974 sogar Modeschauen. Dort befindet sich nun das neue Museum, das ein Mekka modekundiger Heerscharen aus aller Welt werden wird.
Als junger Designer, beeinflußt von seiner Zeit beim damals wichtigsten Modedesigner Europas, Christian Dior, entwirft er Modelle von einfühlsamer Eleganz. Doch schon 1958 schockiert er die Modewelt mit einer komplett neuen, gegen die Zeit stehenden Silhouette: nicht Röcke bis zum Knie, auf Taille, X-Form, eng anliegend wie bei Dior, sondern kurze A-Form ohne Taille. Sie läßt Platz für Beine und Bewegung. Die Zeitungen schreiben: Yves hat Frankreich befreit!
Dann jene Kollektionen, die YSL berühmt machten: 1962, das „Mondrian“- Kleid, inspiriert durch die berühmten Bilder des holländischen Malers Piet Mondrian. Es sind Jersey-Kleider ohne Kragen und Ärmel, jedes Kleid wiegt nur eineinhalb Kilo; und 1966 zur Eröffnung seines eigenen Modehauses direkt am Jardin des Luxembourg die Linie „Rive Gauche“: keine Einzelstücke mehr für Haute Couture, sondern Konfektionen, fertig zum Mitnehmen, Prêt-à-Porter, so zu sagen die Nullserie aller fast fashion. Vorher gab es von Couture-Häusern nur handgefertigte Einzelstücke für reiche Kunden. Sein Ziel ist Haute Couture für Jedermann – sein Mai 1968. Yves Saint Laurents Ruf verbreitet sich nicht nur auf der linken Seite der Seine, sondern auch in der politischen Szene. Zu einer Zeit, in der es noch vorkommt, daß Frauen in Hosen der Zutritt verwehrt wird, steckt er Frauen in Business-Kostüme und Smokings. Nach dem Mondrian Kleid ein weiterer Meilenstein in seiner Karriere. Vielleicht sein wichtigster. Denn damit war er der erste Designer, der Frauen in Männerkleidung steckte. Es war der Zeitgeist. Immer mehr Frauen stiegen in den 70er Jahren beruflich in die Chefetagen von großen Unternehmen auf. Die Power-Frau war geboren. Das hatte es noch nicht einmal in den transgender freundlichen 20er Jahren gegeben. Eine neue Mode für eine neue, beruflich erfolgreiche Frau. Ein weiterer Meilenstein war kurze Zeit später die so genante „Saharienne“, ein hellbeige-weißes Oberteil, geschnitten wie ein Parker, für Reisende auf Safari in Afrika. Unisex! Und dann der Jumpsuit, gerade wieder sehr aktuell, dessen Ursprung der Overall eines Militärpiloten ist.
Als sich YSL 2002 aus der Modewelt zurückzieht ist er tief enttäuscht von der Mode seiner Zeit, mit ihrem stillosen Strassenlook, bestehend aus T-shirt, Jeans und Turnschuh. Er mochte sie einfach nicht, diese Welt der stilistischen Beliebigkeit. „Modes passent, le style est éternel.“
Das neu eröffnete Museum in Paris betitelt den ersten Raum also nicht von ungefähr mit: „Stil“. Dort ist alles versammelt, was Yves Saint Laurents wichtig war – seine Leitmotive. Ein zweiter Saal ist dem YSL-Kult selbst gewidmet. Große Portraits von ihm (u.a. von Andy Warhol), sowie Videos mit Filmen und O-Ton von YSL.
Und dann geht es zur Sache: zehn Räume, in denen Entwürfe, Zeichnungen, Kleider aus verschiedenen Perioden ausgestellt sind, man sieht viel schwarze Eleganz, die ganze Kollektion für den Film „Belle du Jour“ inklusive Lackmantel. Man sieht aber auch die andere Seite: Gruppen knallig farbiger Kreationen bis hin zu Veruschka als pioneer girl in Safari-Outfit mit Gewehr quer im Nacken.
In einem anderen Saal sind die historischen Inspirationsquellen zu sehen: wie antike Togas zu Abendroben werden, wie sich mittelalterliche Goldschmiedekunst in moderne Stickerei verwandelt, wie die goldenen Fäden von Renaissance-Kleidern sich in eine moderne Kollektion mogeln. Und schließlich jenes von YSL entworfene und 1962 von dem Goldschmied Roger Scémama realisierte „Herz“, das als Talisman in jeder Kollektion YSLs irgendwo auftaucht oder auf der Show einem auserwählten Model anvertraut wird.
Am interessantesten vielleicht sind die Räume, in denen die Anatomie eines Arbeitsprozesses dargestellt wird – vom Entwurf dem „Croquis“ (franz. für Zeichnung), über die Spezifikation einer Kollektion, dem Fiche d’atelier, genannt „Die Bibel“, über die Kommunikation mit den besten Werkstätten Frankreichs, denen ein eigener Raum gewidmet ist, bis hin zur genauen Vorbereitung von Ablauf und Programm der Show. Und dann der Höhepunkt: YSL’s Arbeitsraum, unaufgeräumt, lebendig, mit herumliegenden Büchern, Dutzenden Bildern an der Wand, Zeichnungen, Entwürfen, in Regalen Ordner mit der Korrespondenz – ein Arbeitsraum in Aktion, alles andere als museal.
Dieser produktive, oft drogengepeitschte und -geplagte Wirbelwind YSL brauchte einen ruhenden Pol: seinen Freund Pierre Bergé. Und seinen Hund Muzhik, russisch: der kleine Bauer, der sich eines Nachts auf einer drogengeschwängerten Party selbst bediente und daran starb. Bevor der Meister in der Früh aufstand, hatten seine Freunde schon neun andere Muzhiks organsiert. YSL merkte nichts…
Musée Yves Saint-Laurent
5, avenue Marceau
75116 Paris
France
Di – So 11 – 18 Uhr, Fr – 21 Uhr
english text
Opening museum Yves Saint Laurent in Paris on October 3, 2017 in Paris
Fashion, that’s it: at the same time show and conceal. When Catherine Deneuve disguised with a black lacquer coat and black hat in „La Belle du Jour“ (movie from 1967 by Luis Bunuel) came for the first time in the bordel house, Catherine Deneuve had a special appearance and the girls in the bordel immediately felt the wind from another world. „Oh – is that a great coat! Sure very expensive. „One takes off her coat. „Can you lend me for a few days?“ Then she looks into the coat – „Oh! … Yves Saint Laurent … “
I could actually use this beautiful coat on this 3rd of October 2017! In the rainy queue in front of this new institution in the French capital: the Musée Yves Saint Laurent Paris. During the fashion week in Paris, the house was celebrated with the official status of a „Musée de France“ by the french Minister of Culture Francoise Nyssen.
Yves Saint-Laurent himself had the idea to found a museum. For this purpose he took certain models from the market since 1964 and later kept them in his own camp. His life and work companion, Pierre Bergé, had then established a foundation of his own in the prestigious city palace of the 5th Avenue Marceau, 16th arrondissement, where YSL resided from the beginning, with production, studio and even 1974 fashion shows. There is now the new museum, which will become a mecca of Fashionistas from all over the world.
Pierre Bergé opened two museums: one in Paris and one in Marrakesh at the garden of the painter Jacques Majorelle with the inimitable cobalt blue. The garden was bought by Yves and Pierre in 1980. The Laurent Museum of Marrakech is in a spectacular building by the architect’s office KO architects Paris, a kind of large-scale mosque.
In the Paris YSL Museum, you will be able to see on four floors the development, the workings, the philosophy of one of the most interesting fashion designer of the 20th century.
As a young designer, Yves Saint-Laurent was influenced by at this time most important fashion designer of Europe, Christian Dior. He designed models of sensitive elegance. But as early as 1958, he shocked the fashion world with a completely new, out-of-date silhouette: not skirts to knee, waist, X-shape, close to Dior, but short A-shape without waist. It leaves room for legs and movement. The newspapers wrote: Yves freed France!
Then those collections that made YSL famous: 1962 The „Mondrian“ dress, inspired by the famous paintings by the Dutch painter Piet Mondrian. There are jersey dresses without collar and sleeve, each dress weighing only one and a half pounds; and in 1966 to open his own fashion house directly on the Jardin des Luxembourg, the line „Rive Gauche“: no more exclusive pieces for haute couture, but ready-made, ready to go, ready-to-porter for everyone. His personal May 1968. Previously, couture houses had only handmade items for rich customers.
Yves Saint Laurent’s reputation spreads not only on the left side of the Seine but also in the political scene. At a time when women are not allowed to enter the pants, he puts women in business costumes and tuxedos. After the Mondrian dress another milestone in his career. Perhaps his most important. For this, he was the first designer to put women in men’s clothing. It was the Zeitgeist. In the 1970s, an increasing number of women rose professionally to leaders of large companies. The „power woman“ was born. It did not even exist in the transgender friendly 20’s. A new fashion for a new, professionally successful woman. Another milestone was the so-called „Saharienne“, a light-beige-white shell, cut like a parker, for travelers on safari in Africa. Unisex! And then the „Jumpsuit“, just very topical, whose origin is the overalls of a military pilot.
As YSL 2002 withdraws from the fashion world, he is deeply disappointed by the fashion of that time, with her silly street look, consisting of T-shirts, jeans and sneakers. He simply did not like it, this world of stylistic arbitrariness. „Modes passent, le style est éternel.“
The newly opened museum in Paris, for example, does not mention the first room without a special meaning: „Style“. All the things Yves Saint Laurent’s important – his leitmotifs – was gathered there. A second hall is devoted to the YSL cult itself. Great portraits of him (among others painted by Andy Warhol), as well as videos with films and original voice of YSL.
And then it comes to the point: ten rooms, in which drafts, drawings, dresses from different periods are exhibited, one sees much black elegance, the whole collection for the film „Belle du Jour“ including the lacquer coat. But you can also see the other side: groups of brightly colored creations up to Veruschka as pioneer girl in safari outfit with gun across the neck.
In another room are the historical sources of inspiration: like the ancient togues, the transformation of medieval goldsmithing into modern embroidery, and the golden threads of Renaissance dresses into a modern collection. And lastly, the „heart“ designed by YSL and designed by the goldsmith Roger Scémama in 1962, which appears as a talisman in any YSL collection or is entrusted to a select model at the show.
Most interesting, perhaps, are the spaces in which the anatomy of a work process is presented, from the design to the „Croquis“ (French for drawing), to the specification of a collection, the Fiche d’atelier, called „The Bible“ with the best workshops in France devoted to their own space, right up to the exact preparation of the program and program of the show. And then the highlight: YSL’s workroom, uninhabited, lively, with books around, dozens of pictures on the wall, drawings, drafts, in shelves with correspondence – a work space in action, anything but museal.
This productive, often drug-whipped YSL needed a dormant pole: his friend Pierre Bergé. And his dog Muzhik. Russian: the little farmer, who one night at a drug-weaned party itself served and died of it. Before the Master got up early, his friends had already organized nine other Muzhiks. YSL did not notice anything …
Musée Yves Saint-Laurent
5, avenue Marceau
75116 Paris
France
Tue – So 11 am – 6 pm, Fr – 9 pm
Author: Marina Razumovskaya
Modedesignerin (Diplom HTW Berlin) und freischaffende Journalistin (ProFashion, die tageszeitung TAZ)