DIE ZEIT – Die Lange Nacht – Smashing Ideas

Die Lange Nacht - DIE ZEIT © Phil Dera, Andreas Henn

DIE ZEIT – Die Lange Nacht – Smashing Ideas

 

Von Julia Engelbrecht-Schnür

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26.2.2016

Liebe Kulturfreunde,

Die Lange Nacht am 20.2.2016 in Hamburg, organisiert von der Wochenzeitung DIE ZEIT, fand einen großen Widerhall unter den Bewohnern der Hansestadt Hamburg. Mehr als 10.000 Besucher fanden sich zu den 28 Veranstaltungen ein. Eine Schar von Prominenten war eingeladen, um mit der ZEIT ihren 70. Geburtstag zu feiern. Unter ihnen der 1. Bürgermeister von Hamburg, Olaf Scholz, Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, die Schauspieler Axel Milberg, Sebastian Koch; die Schauspielerinnen Maria Furtwängler, Fritze Haberlandt und viele andere. Die Bilderserie zeigt die wichtigsten Momente des Abends. 

Aber die Geburtstagsfeierlichkeiten sind noch nicht zu Ende.

Unsere Korrespondentin in Hamburg, Julia Engelbrecht-Schnür, begab sich zur Nacht der „Smashing Ideas“, bei der Dichter und Denker, Werbetreibende und Kreative, Philosophen und Musiker, Schriftsteller und Literaten am 24.2.2016 auf Kampnagel zusammenkamen, um Ihre außergewöhnlichen Ideen mit dem Publikum zu teilen.

 

Hier der Bericht von Julia Engelbrecht-Schnür:

 

Mit dem Titel Smashing Ideas lockte die ZEIT anlässlich ihres 70jährigen Bestehens zu einem „Ideen-Festival“ am vergangenen Mittwoch nach Hamburg auf Kampnagel. Gespannt begaben sich rund 300 registrierte Zuhörer auf die quietschende Tribüne in Halle 6.

Um den Erwartungsdruck noch etwas zu steigern, dekorierte Verlagschef Dr. Rainer Esser seine Eröffnungsrede mit Namen wie Goethe und Becker, Boris Becker. Genies, die Unglaubliches geleistet hätten. Unsere Zeit brauche Innovation und Kreativität, um den Wandel aktiv zu gestalten. Wer wollte ihm da widersprechen.

Im Anschluss versuchte ein etwas vergrippter Giovanni die Lorenzo zwei Kreativen der Werbeszene ihr Rezept für schöpferische Prozesse zu entlocken. Aber darauf wollten sich Mathias Richel (TLGG) und Jens Pfau (Jung von Matt) nicht so recht einlassen, sodass das Gespräch zuweilen einen zähen Duktus erhielt. Auf di Lorenzos Frage, was er von dem viel beachteten Edeka-Werbespot (Jung von Matt) mit dem ungeliebten Opa hält, der seine Lieben per Todesanzeige zu einem festlichen Weihnachtsessen an den Tisch holt, entgegnete Mathias Richel etwas spitz, dass ihm die Parodie von Joko und Klaas (der Opa wird erschossen) noch ein bisschen besser gefallen habe als das Original.

 

Jens Pfau, Smashing Ideas © DIE ZEIT

Jens Pfau, Smashing Ideas © DIE ZEIT

Aber das sei ja auch kein Wunder, schließlich sei Werbung im Web viel mutiger und frecher als im TV. Einig wurden sich die drei Gesprächspartner schließlich bei der These, dass Zeitdruck und Angst die Kreativität bremsen und man auf dem Klo und unter der Dusche die besten Einfälle habe. Smashing Ideas eben…

 

Mathias Richel, Smashing Ideas © DIE ZEIT

Mathias Richel, Smashing Ideas © DIE ZEIT

 

Offensichtlich frei von Eitelkeiten offenbarte danach eine elfjährige Schülerin aus England ihr herausragendes musikalisches Talent an Violine, Flügel und Gesang. Ihre Kompositionen, die auch aufgrund ihrer mozartgleichen Harmonien das Publikum in den Bann zogen, ließen Genialität im besten Sinne erahnen. Den Namen Alma Deutscher wird man sich merken müssen. Ihre erste Oper „Cinderella“ wurde vergangenes Jahr in Israel uraufgeführt. Ach, die Ideen für ihr Violinkonzert kämen „meisten ganz von alleine“, sagt das Mädchen mit dem Zöpfen und dem roten Kleid. Genialität ohne Anstrengung, beschleicht es den Zuschauer, der sich trotz aller Bewunderung fragt, warum talentierte Kinder immer so leicht schulfrei kriegen.

 

Alma Deutscher, Smashing Ideas © DIE ZEIT

Alma Deutscher, Smashing Ideas © DIE ZEIT

 

Nachdem Suhrkamp-Autor Clemens J. Seitz (u.a. Die Stunde zwischen Frau und Gitarre) sich im Gespräch mit ZEIT-Redakteur Ijoma Mangold über die stimulierende Wirkung von Malsendungen und Teleshopping ausgelassen hatte, machte in der Mittagspause unter den Besuchern die Nachricht die Runde, dass der eigentliche Star der Veranstaltung, der Islamkritiker Hamed Abdel-Samad, abgesagt hat. Grippe. Enttäuschung beim Publikum und Erleichterung beim Sicherheitspersonal.

 

Clemens J. Seitz, Smashing Ideas © DIE ZEIT

Clemens J. Seitz, Smashing Ideas © DIE ZEIT

 

Starup-Kenner Pascal Finette brachte in der zweiten Programmhälfte den nötigen Ideen-Geist zurück auf die Bühne, indem er in amerikanischer Heilsprediger-Manier dazu aufrief, insgesamt im Denken unvernünftiger zu sein, um Begrenzungen des menschlichen Geistes einzureißen. Wirkliche Innovation und bahnbrechender Wandel könnten nur von „unreasonable men“ kommen, nicht vom Angepassten und Konformisten. Der dynamische Kölner und Wahl-Amerikaner trägt Turnschuhe und seine Zähne sind sehr weiß. Alle klatschen. Das tut gut.

 

Pascal Finette, Smashing Ideas © DIE ZEIT

Pascal Finette, Smashing Ideas © DIE ZEIT

 

Um die Schwächen des Menschseins geht es auch bei Prof. Armin Falk. Fast genüßlich zeigt der Volkswirt und gefragte Verhaltensforscher auf, wie er in wissenschaftlichen Experimenten seine Probanden dazu bringt, ihre Moral zu untergraben, wenn es darum geht, Mäuse zu töten – für Geld. Auch Neid und Ehrgeiz senkten die Hemmschwelle für unmoralisches Handeln, das beweisen die Labortests. Nanu! Bleibt nur zu hoffen, dass Falk unmoralischen Forschungsaufträgen seitens der Industrie zur Optimierung von Kaufverhalten bei fragwürdigen Produkten widerstehen kann.

 

Prof. Dr. Falk, Smashing Ideas © DIE ZEIT

Prof. Dr. Falk, Smashing Ideas © DIE ZEIT

 

Einen weiteren Höhepunkt bildete der Auftritt des Jazzmusikers und siebenfachen Echogewinners Michael Wollny, der mit seinen fulminanten Tonkaskaden alles bisher an jenem Tag Gehörte und Gesprochene neu aufzumischen schien. Als er über seine Improvisationen, sein Bedürfnis, den Punk in den Jazz zu integrieren spricht, wird deutlich, wie sehr ausgeprägte Musikalität und (emotionale) Intelligenz einander bedingen – und Bescheidenheit eine Zier ist. Bravo!

 

Michael Woolny, Smashing Ideas © DIE ZEIT

Michael Woolny, Smashing Ideas © DIE ZEIT

 

„Um den transparenten Avatar in Ihrem Gehirn“, ging es bei dem Vortrag des Philosophen Prof. Thomas Metzinger. Schon nach wenigen Minuten schwirrten, rauchten die Köpfe der Zuhörer. Das Gummi-Handschuh-Experiment verdeutlichte, wie vage unser Selbst-Gefühl ist, wie trügerisch das Selbst-Bewußtsein und wie schnell wir uns in virtuellem Selbst wiederfinden, extern irgendwo als willenloser Bediener einer Drohne. Wieviel Abstraktion kann der Mensch aushalten, ausfüllen und was muß er an seelischer Kraft dem entgegensetzen. Ach nein, laut Metzinger gibt es die Seele ja gar nicht.

 

Prof. Metzinger, Smashing Ideas © DIE ZEIT

Prof. Metzinger, Smashing Ideas © DIE ZEIT

 

Wie gut, dass der originelle Chef des Berliner Naturkundemuseums die Gemüter am Ende dieses bunten ZEIT-Symposiums wieder in die Realität führte. Man glaubt Prof. Johannes Vogel, wenn er fleht: Lasst uns weniger wissenschaftliche Energie in die Ergründung der Wasservorräte auf dem Mars stecken und stattdessen viel mehr Kraft in den Erhalt unseres Planeten. Davon hätte die Menschheit viel mehr.

Prof. Vogel, Smashing Ideas © DIE ZEIT

Prof. Vogel, Smashing Ideas © DIE ZEIT

 

Jazzprofi und Saxofonist Klaus Doldinger setze „Smashing Ideas“ eine musikalisches Krönchen auf und entließ die wohlwollende Besucher, die sich nun fragten, welche der Ideen wirklich smashing war.

 

Klaus Doldinger, Smashing Ideas © DIE ZEIT

Klaus Doldinger, Smashing Ideas © DIE ZEIT

 

Und hier die Bilderserie der LANGEN NACHT vom 20.2.1016:

 

Axel Milberg, Die Lange Nacht © DIE ZEIT

Axel Milberg, Die Lange Nacht © DIE ZEIT

Author: Julia Engelbrecht-Schnür

Journalistin

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