Edward II. – Eine schwule Oper in Berlin

Edward II - Deutsche Oper © Holger Jacobs

Edward II. – Eine schwule Oper in Berlin

 

Von Holger Jacobs

19.2.2017

🙂 🙂 🙂 (drei von fünf)

Liebe Kulturfreunde,

das Thema Sex und Erotik finden wir häufig in Opern, sei es „Die Entführung aus dem Serail“ von Mozart oder die erste Szene aus „Tannenhäuser“ von Wagner mit dem Venusberg. Auch die verführerischen Rheintöchter aus „Rheingold“, ebenfalls Wagner, werden häufig nackt dargestellt. Und dann gibt es natürlich auch Stücke (sei es Theater oder Oper), die eigentlich mit Sex vom Inhalt her wenig zutun haben, aber von der Regie mit demselben reichlich aufgepeppt werden.

Hierbei handelt es sich allerdings fast immer um Hetero-Sex.

Die Rheintöchter aus „Rheingold von Richard Wagner

Die Darstellung von Homosexualität hingegen finden wir in den letzten Jahrhunderten in der Oper gar nicht. Das gesellschaftliche Tabu war einfach zu groß.

Dabei gab es in der Antike viele Hinweise auf ausgelebte Homosexualität. Dass die Olympiade im alten Griechenland nur von Männern und meist nackt durchgeführt wurde ist schon ein deutliches Zeichen. Auch Liebe zwischen Erwachsenen und Kindern soll es damals wohl gegeben haben – na ja.

Sicher ist, dass durch die Entstehung der christliche Kirche im ersten Jahrtausend nach Christi Geburt der Homosexualität ein Riegel vorgeschoben wurde. Schon im Alten Testament verbietet Gott dem Volk Israel (Buch Moses) den Beischlaf unter Männern und auch später bei Jesus finden wir ähnliche Äußerungen. Beim Islam gibt es hierzu keine eindeutigen Hinweise (in der Sure 4 Vers 15 wird schändliche Unzucht (Zina) wohl eher als Ehebruch gemeint sein) Heutige islamische Rechtsschulen legen dagegen den Koran deutlich konservativer aus.

Von den 193 Staaten der Vereinten Nationen wird in 78 Staaten Homosexualität heutzutage immer noch strafrechtlich verfolgt. Bis zum Jahr 1994 stellte der § 175 auch in Deutschland den Beischlaf von Menschen gleichen Geschlechts unter Strafe.

Die Niederlande war das erste Land weltweit, in dem gleichgeschlechtliche Paare ab 2001 eine Ehe schließen durften. In Frankreich seit 2013, in den USA seit 2014. In Deutschland steht dies noch in der Diskussion.

Ein verheiratetes schwules Paar (seit 2001 in den Niederlanden möglich)

Handlung

Der englische König Edward II. lebte von 1284 – 1327. Ihm wurde von seinen Zeitgenossen ein homosexuelles Verhältnis zu seinem französischen Freund Piers de Gaveston nachgesagt. Historiker bezweifeln dies heute. Tatsache aber war, dass Gaveston einen großen Einfluss auf den jungen König hatte und ihn zu mancher politischen Entscheidung überredete.

Letztlich ging es wohl mehr um konkrete inner-politische Machtkämpfe in England zwischen dem König und seinen Lords, darunter besonders Roger Mortimer of Wigmore und Thomas of Lancaster. Beide konnte er zunächst bezwingen. Doch Mortimer floh aus dem Tower of London und ging nach Frankreich und verbündete sich mit Isabelle, Ehefrau von Edward II., die sich aus verschiedenen Gründen von ihrem Mann distanziert hatte. Gemeinsam kämpften sie gegen Edward II. und mit Hilfe von Henry of Lancaster, dem Sohn Thomas of Lancaster, wurde Edward II. schließlich am 16. November 1326 gefangengenommen. Kurz darauf wurde er zur Abdankung gezwungen und sein Sohn, Edward III. wurde am 1. Februar 1327 zum König gekrönt. Am 21. September 1327 verbreitete sich die Nachricht, dass der alte König gestorben sei. Eine Gerücht besagte, dass er wohl in seinem Verließ ermordet worden wäre, indem ihm ein glühender Eisenstab vom After her in den Leib getrieben wurde. Als Anspielung auf seine angebliche Homosexualität. Seine Leichnam wurde zerlegt und an verschieden Orten begraben.

Kritik

Die Deutsche Oper Berlin möchte wieder an ihre große Tradition der Uraufführungen anknüpfen und vergab einen Auftrag an Andrea Lorenzo Scartazzini. Dieser hatte bereits mit der Neukomposition von „Der Sandmann“ in Basel Erfolge gefeiert. Als Librettist beauftragte er, wie schon bei „Der Sandmann“, den Dramatiker und Schriftsteller Thomas Jonikg.

Librettist Thomas Jonikg nahm einzelne Szenen aus dem Leben von Edward II. und fügte sie zusammen wie zu einem Film. Daraus resultieren ca. ein Dutzend einzelner Bilder in 1 ½ Stunden Dauer. Angefangen von einer Traumsequenz, in der Edward von der Folterung und Tod seines Freundes Gaveston träumt, über die Auseinandersetzung mit seiner Frau Isabelle, der Konflikt mit der Kirche, bis zur Ermordung seines Freundes und bis zu seiner eigenen Verurteilung.

Regisseur Christoph Loy setzt auf drastische Bilder. Gaveston wird vergewaltigt, der Bischoff bekommt ein Mikrofon in den Hintern gedrückt und Edward bekommt einen Speer in den After (allerdings nur angedeutet). Und das bei der Anwesenheit von Kindern im Chor, kaum älter als 6 oder 7 Jahre. Dabei fallen Worte wie „Schwanzlutscher“ und „Arschficker“. Wenn ich bedenke, dass meine Eltern mir noch verbaten „Scheiße“ zu sagen…

Wie in einer schlechten RTL-Serie wäre es ihm vorgekommen, meinte nachher ein mir befreundeter Journalist. Ganz so weit würde ich nicht gehen. Wer die Dramen von Shakespeare kennt, weiß um die Grausamkeit der damaligen Zeit. Dies so auch explizit zu zeigen finde ich legitim. Einzig die Anwesenheit von Kindern finde ich hierbei nicht in Ordnung.

Das Bühnenbild ist auf das Notwendigste beschränkt. Ein mittelalterlicher Turm dreht sich ganz langsam um sich selbst. Er macht genau eine Umdrehung in den gesamten 90 Minuten der Aufführung.

Die Musik-Komposition von Andrea Scartazzini klingt nach einer Mischung von Richard Strauss und Benjamin Britten.

Die Sängerinnen und Sänger sind überwiegend auf guten Niveau. Besonders der amerikanische Bass-Bariton Andrew Harris als Mortimer und die schwedische Sopranistin Agneta Eichenholz als Isabella sind stimmlich herausragend und zeigen auf der Bühne starke Präsenz. Der Sopran von Agneta Eichenholz bleibt in Erinnerung.

Seht dazu auch unser kurzes Video der Aufführung auf kultur24.berlinTV

EDWARD II. von Andrea Lorenzo Scartazzini
Musikalische Leitung: Thomas Søndergard
Inszenierung: Christof Loy
Bühne: Annette Kurz
Kostüme: Klaus Bruns

Deutsche Oper Berlin
Bismarckstraße 35
10627 Berlin

Nächste Vorstellungen: 24. Februar, 1., 4. und 9. März 2017

30 Bilder: Edward II. (Michael Nagy) und Gaveston (Ladislav Elgr), „Edward II.“, Deutsche Oper Berlin © Holger Jacobs

 

 

 

Author: Holger Jacobs

Founder & Editorial Director of kultur24.berlin ug.
Founder & Editorial Director of kultur24 TV on Youtube.
Former correspondent for fashion in Paris.
Photographer, writer and filmmaker.

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