Ein Käfig ging einen Vogel suchen – Franz Kafka in Berlin

Ein Käfig ging einen Vogel suchen - Deutsche Theater Berlin 2016 © Holger Jacobs

Ein Käfig ging einen Vogel suchen – Franz Kafka in Berlin

 

Wertung: 🙂 🙂 🙂 🙂   (vier von fünf)

Von Holger Jacobs

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15.2.2016

Liebe Kulturfreunde,

 

Intro:

 

Immer wenn ich an Kafka denke läuft es mir kalt den Rücken runter. Ich stelle mir dann einen riesigen Käfer vor, der mich zu verschlingen droht…

 

Franz Kafka wurde 1883 im damals noch zum österreichisch-ungarischen Reich gehörenden Prag geboren. Er wuchs er in einer jüdischen Kaufmannsfamilie auf und studierte später Jura bis zur Promotion. Schon früh fing er an zu schreiben, doch sind aus dieser Zeit keine Schriften erhalten geblieben. Erst 1912/13 kam mit dem Erzählband „Betrachtung“ und vor allem mit der Novelle „Das Urteil“ der Durchbruch. Sein Freund Max Brod brachte es erstmalig zur Veröffentlichung. Doch Angst und Zweifel über sich selbst und sein schriftstellerisches Können blieben Zeit seines Lebens ein ständiger Begleiter. Als er bereits mit 40 Jahren an Tuberkulose verstarb, hatte er 3 Romanfragmente und viele Erzählungen und Kurzgeschichten verfasst, von denen die meisten erst posthum veröffentlicht wurden. Heute gehört er zu den meistgelesenen deutschsprachigen Autoren.

 

Worum geht es?

 

Regisseur Alexander Kriegenburg hat mit der Dramaturgin Juliane Köpp einige der Erzählungen von Kafka zusammengeführt und daraus das Theaterstück „Ein Käfig ging einen Vogel suchen“ für das Deutsche Theater Berlin konzipiert. Um den äußeren Rahmen für seine Produktion zu finden, bezog sich Kriegenburg besonders auf „Blumfeld, ein älterer Junggeselle“ von 1915, der allein im sechsten Stock eines Hsauses lebt und „Gemeinschaft“ von 1920, bei der fünf Männer gemeinsam ein Haus bewohnen. Mit diesem Hintergrund erschuf Kriegenburg für die Bühne vier Räume, die in- und übereinander gestapelt, ein Haus bilden. Alle Zimmer sind gleich eingerichtet und alle 5 Bewohner gleich angezogen mit gleicher Gesichtsmaske in grauen Anzügen. Und alle heißen Blumfeld. Doch die vier Stockwerke sind nicht einfach nur übereinander gestapelt, sondern in sich verkanntet und lassen an den expressionistischen Stumm-Film-Klassiker „Das Cabinet des Dr. Caligari“ von 1920 von Robert Wiene erinnern. Die Idee ist genial und bautechnisch kühn zugleich. Ich möchte nicht wissen, wie viel Stunden gebraucht wurden, um hier die richtige Statik zu errechnen!

In diesem vierstöckigen Cabinet reden, springen, laufen und rutschen die Schauspieler umher, immer Kafkas Erzählungen rezitierend. Mal abwechselnd, mal durcheinander. Ab und zu kommt eine junge Frau in einem Blümchenkostüm hinzu, die die Szenen moderiert und kommentiert. Und zwischendurch erscheinen zwei Mädchen als Zwillinge, die die Blumfeld-Männer verführen und umgarnen. Und von der Wand strahlt Judy Garland aus einer Fotografie von 1940. Auch humorvoll darf es mal sein, wie Ihr auf meinem Video auf kultur24berlinTV sehen könnt.

 

Wer Franz Kafka kennt, der weiß, dass seine Texte ziemlich einmalig in der literarischen Landschaft sind. Anders als z.B. sein Zeitgenosse Thomas Mann ist er leicht zu lesen, jedoch bleibt der Inhalt häufig unverständlich. Ob es Nomaden sind, die plötzlich in Prag einfallen, oder Schakale, die sich von Arabern missverstanden fühlen, ein Mann, der Phantomgeräusche aus der Wand hört, Tennisbälle, die unterm Bett ihr Unwesen treiben – der Fantasie von Kafka für völlig realitätsferne und absurde Zustände sind keine Grenzen gesetzt. Und immer mit dem Touch des Unheilvollen, welches Angst und Unbehagen verbreitet – daher auch der Ausdruck kafkaesk für etwas Unheimliches und Bedrohliches.

 

Kritik:

 

Andreas Kriegenburg gebührt allein schon für die Optik des fantastischen Bühnenbildes und die Idee der Vervielfältigung der Blumfelds und der Masken großes Lob. Mir waren die Texte manchmal etwas zu schnell gesprochen, fast stakkato-förmig, so dass man ihrem Inhalt kaum folgen konnte. Die Figur der Moderatorin fand ich etwas überflüssig, die Zwillinge dagegen sehr gut.

 

Andreas Kriegenburg scheint ein Faible für Franz Kafka zu haben. Schon 2008 inszenierte er bereits „Der Prozess“ an den Münchner Kammerspielen mit großem Erfolg – es wurde zum Theatertreffen nach Berlin eingeladen. Auch diese Inszenierung ist spannend und erlebnisreich und lässt die Gedankenwelt Kafkas in überzeugender Weise Wirklichkeit werden.

 

 

Bühnenbild "Ein Käfig ging einen Vogel suchen", Deutsche Theater Berlin 2016 © Holger Jacobs

21 Bilder: Bühnenbild „Ein Käfig ging einen Vogel suchen“, Deutsche Theater Berlin 2016 © Holger Jacobs

 

Nächste Vorstellungen: 18. Februar, 13. und 16. März 2016

Author: Holger Jacobs

Founder & Editorial Director of kultur24.berlin ug.
Founder & Editorial Director of kultur24 TV on Youtube.
Former correspondent for fashion in Paris.
Photographer, writer and filmmaker.

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