Nathan der Weise – Deutsches Theater Berlin

Nathan der Weise © Holger Jacobs

Nathan der Weise – Deutsches Theater Berlin

 

Von Holger Jacobs

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30.8.2015

„NATHAN DER WEISE“ von Gotthold Ephraim Lessing

Uraufgeführt 1783 in Berlin

Hintergrund:

Gotthold Ephraim Lessing wurde 1729 in der Nähe von Dresden in eine sehr religiöse Familie hineingeboren. Als hochintelligentes Kind lernte er, ähnlich wie der „Faust“ im gleichnamigen Stück seines Dichterkollegen Goethe, viele Studienfächer, von der Medizin bis zur Philosophie. Schnell entwickelten sich bei ihm Gedanken zur Freiheit des Menschen und zu mehr Toleranz gegenüber Andersdenkenden. Er wurde mit seinen späteren Schriften und Dramen zum wesentlichen Vertreter der deutschen Aufklärung. Lessing ist der älteste deutsche Dramatiker, dessen Werke bis heute ununterbrochen gespielt werden.

Handlung:

„NATHAN DER WEISE“ spielt im Jerusalem zur Zeit der Kreuzzüge, als sich die Herrschaft über die Stadt einmal in der Hand der christlichen Tempelritter, einmal in der Hand der Moslems befand. Die Geschichte fängt an mit der Rückkehr des jüdischen Kaufmanns Nathan von einer Geschäftsreise. Er erfährt, dass seine Tochter Recha in letzter Sekunde von einem Tempelritter aus dem Feuer eines brennenden Hauses gerettet wurde. Der muslimische Sultan Saladin hatte bei einem Gefecht kurz vorher den Tempelritter am Leben gelassen, weil der angeblich seinem Bruder Assad so ähnlich sehen würde. Saladin wiederum hat Geldschulden, weshalb ihm seine Schwester Sittah und sein Schatzmeister Al-Hafi, der Derwisch, raten, sich vom reichen Juden Nathan Geld zu leihen. Er lässt also Nathan zu sich bringen. Doch unerwartet interessiert den Muselmanen weniger das Geld, sondern viel eher die Frage nach den Religionen. So stellt er dem Nathan die schwierige Frage, welche Religion denn die einzig wahre wäre?

Nathan erkennt, in welcher Zwickmühle er steckt und antwortet mit einem Gleichnis: Ein goldener Ring wird innerhalb einer Familie vom Vater immer an den Sohn weitergegeben, den er am meisten liebt. Der Ring hat die besondere Eigenschaft, seinem Träger ein sympathisches Äußeres zu geben, welches ihn bei seinen Mitmenschen beliebt macht. Doch eines Tages tritt der Fall ein, dass ein Vater alle seine drei Söhne gleich liebt, weshalb er drei Kopien anfertigen lässt, um allen drei Söhnen den gleichen Ring schenken zu können. Als der Vater stirbt, erkennen die Söhne das Problem und gehen zu einem Richter. Doch der sieht sich außerstande den einzigen „wahren“ Ring zu erkennen und verweist auf die spezielle Eigenschaft des Ringes: es könne sich erst in der Zukunft zeigen, wer bei den Menschen besonders beliebt sein wird, wenn das überhaupt zu ermessen ist. Die Frage bleibt also ungeklärt.

Saladin erkennt sofort die Botschaft der Parabel als Hinweis darauf, dass letztlich alle drei monotheistischen Religionen vor Gott gleich sind. Er rühmt die Weisheit Nathans und bietet ihm seine Freundschaft an.

Währenddessen sind sich der Tempelritter und Recha näher gekommen und wollen heiraten. Die Gesellschafterin Daja erzählt aber dem Tempelritter, dass Recha gar nicht die echte Tochter von Nathan ist sondern nur adoptiert. In Wirklichkeit sei diese sogar eine Christin. Der Tempelritter sucht daraufhin einen Rat beim Patriarchen, dem christlichen Oberhaupt von Jerusalem. Dieser ist entsetzt, dass ein christliches Kind von einem Juden aufgezogen wurde und will Nathan auf den Scheiterhaufen bringen. Doch plötzlich kommt ein Klosterbruder mit einem Buch, in dem steht, dass Recha und der Tempelritter Tochter und Sohn des verstorbenen Bruders von Saladin sind und somit Geschwister. „Unter stummer Wiederholung allseitiger Umarmungen fällt der Vorhang“.

Kritik:

Der Regisseur Andreas Kriegenburg hat hiermit wahrlich eine Glanzleistung abgeliefert. Auch wenn ihm in letzter Zeit nicht alles so gut gelang, so muss man ihm dieses Mal hohes Lob aussprechen. Allen voran die Idee der Maske (Andrea Schaad), alle Schauspieler mit einer Erdschicht zu belegen, ist ein erstaunlicher visueller Effekt. Dadurch bekommt die Inszenierung etwas Abstraktes, Zeitloses, was durch die marionettenhaften Bewegungen der Personen noch verstärkt wird. Und die Bühne (Harald Thor) ist eine sehr schlichte, einfache Holzkonstruktion, die sich mit wenigen Handgriffen an immer wieder neue Szenen anpassen lässt. Die Schauspieler nahmen die Regie-Ideen wunderbar auf und konnten alle überzeugen.

Ohne Übertreibung kann man jetzt schon sagen, dass „Nathan der Weise“ am Deutschen Theater Berlin nicht nur wegen seiner politischen Aussage (unter Hitler war das Stück verboten), sondern auch wegen seiner Inszenierung ein Highlight dieser Spielzeit wird.

„Nathan der Weise“
Deutsches Theater Berlin

Nathan, ein reicher Jude in Jerusalem – Jörg Pose, Recha, dessen angenommene Tochter – Nina Gummich, Sultan Saladin – Bernd Moss, Sittah, dessen Schwester – Julia Nachtmann, Daja, eine Christin, Gesellschafterin der Recha – Natali Seelig, Ein junger Tempelritter – Elias Arens, Ein Derwisch – Bernd Moss – Julia Nachtmann – Bernd Moss, Der Patriarch von Jerusalem – auch Natali Seelig, Klosterbruder – Julia Nachtmann, Regie: Andreas Kriegenburg, Bühne: Harald Thor, Kostüme und Maske: Andrea Schraad, Masken: Andreas Müller

Der Derwisch (Bernd Moss) erzählt Nathan (Jörg Pose) von den Geldschwierigkeiten des Sultans, Nathan der Weise © Holger J

45 Bilder: Der Derwisch (Bernd Moss) erzählt Nathan (Jörg Pose) von den Geldschwierigkeiten des Sultans, Nathan der Weise © Holger Jacobs

Author: Holger Jacobs

Founder & Editorial Director of kultur24.berlin ug.
Founder & Editorial Director of kultur24 TV on Youtube.
Former correspondent for fashion in Paris.
Photographer, writer and filmmaker.

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