Radetzkymarsch im Wiener Burgtheater

Radetzkymarsch - Wiener Burgtheater © Marcella Cruz/ Burgtheater

Radetzkymarsch im Wiener Burgtheater

 

Von Cecilie von Heintze

3. Januar 2018

english text below

Radetzkymarsch – Bunte Premiere im Wiener Burgtheater

Viele bunte, überdimensionale Luftballons, die zwischen Bühne und Publikum auf und ab schweben und ein in Unterwäsche uniformiertes Ensemble, das sich tapfer durch nicht enden wollende Dialoge kämpft. Die neue Inszenierung des „Radetzkymarsches“ am Wiener Burgtheater hält so einige Überraschungen bereit.

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Hintergrund

Das auf Joseph Roths gleichnamigen Roman basierende Theaterstück „Radetzkymarsch“ erlebte seine Uraufführung am 14. Dezember 2017 in dem prunkvollen Saal des Wiener Burgtheaters. Das österreichische Nationaltheater gilt nicht nur als wichtigste Schauspielbühne des Landes, sondern ist auch als das größte Sprechtheater Europas, welches Tradition, Vielfalt und Fortgang verbindet. Deshalb scheint es nicht verwunderlich, dass der gefeierte niederländische Regisseur und Theaterleiter Johan Simons mit seiner ersten Arbeit für das Burgtheater gerade diesen Jahrhundertroman für die Wiener Bühne adaptiert. In seinem 1932 erschienen Werk „Radetzkymarsch“ erzählt der österreichische Schriftsteller Joseph Roth anhand einer Familiengeschichte  den Aufstieg und Niedergang der österreichisch-ungarischen Monarchie.

Während hundert Jahre später ihre Darsteller im Wiener Burgtheater über die Bühne laufen – wobei sie durchgängig vom monströsen Bühnenbild der Luftballons gestört zu scheinen werden – formiert sich im Zuge der österreichischen Wahlen just auf der anderen Straßenseite des Theaters eine neue Regierung. Eine perfekte Verbindung der politischen Verhältnisse in Österreich von gestern und heute!

Treppenaufgang im Wiener Burgtheater, Foto: Cecilie von Heintze

Handlung

Die Familie Trotta ist eine arme Bauernfamilie aus Slowenien. Ihr Sohn Joseph geht zur österreichisch-ungarischen Armee. Bei der Schlacht von Solferino schützt er das Leben von Kaiser Franz-Joseph unter Einsatz seines Lebens. Auf Grund dieser Heldentat wird der junge Joseph  in den Adelsstand erhoben. Es beginnt eine glorreiche Phase in der Geschichte der Familie Trotta, welche einhergeht mit der Blütezeit der Habsburger Monarchie. Doch der Aufstieg der Familie ist nicht von Dauer. Bereits beim Enkel Carl Joseph von Trotta, der Hauptfigur von Roths Jahrhundertroman, zeigen sich Spuren des Verfalls und der Auflösung, die mit dem Kollaps einer zuvor nahezu unvergänglich scheinenden Ordnung korrespondieren.

„Die Welt von gestern“ ist nicht mehr.

Der Autor Joseph Roth (*1894) war von der äußersten, galizischen Grenze des Reiches nach Wien übergesiedelt und 1939 im Pariser Exil in tiefster Verzweiflung gestorben. Er hatte den Zerfall Österreich-Ungarns in einer Art Lebensschock nie überwinden können. Sein literarisches Requiem „Radetzkymarsch“ (der Titel ist dem gleichnamigen Militärmarsch von Johann Strauss aus dem Jahre 1848 entliehen) zeigt ein Panorama von Figuren, die sämtlich zu wissen scheinen, dass ihr Kosmos dem Untergang geweiht ist. Aufgrund dieser Erfahrung wird ihr Leben von einer unaussprechlichen, inneren Trauer bestimmt. Im Aufstieg und Fall einer Familie spiegeln sich die letzten Dekaden der Donaumonarchie, für deren europäischen Geist Roth Worte wie kein anderer fand – eine Utopie, die er bis an sein Lebensende leidenschaftlich verteidigte.

Kritik

Der Bezug zur Gegenwart wird in Johan Simons Inszenierung des „Radetzkymarsches“ nur ungenügend rübergebracht. Mit dem simpel gestalteten Bühnenbild, bestehend aus riesigen Luftballons und Bierbänken, auf denen das Ensemble abwechselnd verweilt, versucht die Bühnenbildnerin Katrin Brack einen Bezug zur Moderne aufzubauen. Doch das Publikum reagiert auf die in die Menge schwebenden Riesenbälle eher gereizt und es folgt ein ewig anhaltender Schlagabtausch des Luftballongewirrs zwischen Darstellern und Publikum. Die Intention dieser Ballons, ein aufgeblasenes System das kurz vor dem Platzen steht, wird durchaus ersichtlich. Dennoch wird diese Idee innerhalb der Inszenierung von den Meisten eher als störend empfunden.

Auch die Kostüme  sind eher verwunderlich. Sie bestehen teils aus Uniformen und teils aus Leinenunterwäsche. Mehrmals ziehen sich die Schauspieler während des Stückes auf der Bühne um. Die Inszenierung  wirkt  abstrakt und unverständlich und läßt einen großen Interpretationsspielraum.

Entsprechend kämpfte sich das Ensemble dreieinhalb Stunden durch lange Dialoge und große Ballonberge. So fiel der Schlussapplaus für eine Burgtheaterpremiere doch eher spärlich aus. Die Frage, wie Johan Simons das Publikum mit seiner Inszenierung erreichen will, blieb bis zum Schluss offen.

„Radetzkymarsch“ von Joseph Roth
Regie: Johan Simons,
Bühne: Katrin Brack,
Kostüme: Greta Goiris,

Mit: Philipp Hauß (Joseph von Trotta), Falk Rockstroh (Franz von Trotta), Johann Adam Oest (Kaiser Franz Joseph), Andrea Wenzl (Geliebte von Joseph und Frau des Kapellmeisters), Daniel Jesch (Kapellmeister),  Merlin Sandmeyer (Diener Jacques), Steven Scharf (Regimentsarzt)

Burgtheater Wien
Universitätsring 2
1010 Wien

Nächste Vorstellungen: 06., 18., 20. und 27. Januar 2018
Dauer: 3 Stunden 30 Minuten, eine Pause

12 photos: „Redatzkymarsch“, Wiener Burgtheater © Marcella Cruz/ Burgtheater

 

 english text

„Radetzky March“ – Colorful premiere in the Vienna Burgtheater

Many colorful, oversized balloons floating up and down between the stage and the audience, and an ensemble uniformed in underwear, fighting bravely through never-ending dialogues. The new production of the „Radetzky March“ at the Burgtheater in Vienna gives so many surprises.

Background

The play „Radetzky March“, based on Joseph Roth’s novel of the same name, was premiered on 14 December 2017 in the splendid hall of the Vienna Burgtheater. The Austrian National Theater is not only regarded as the country’s most important stage, but is also the largest theater in Europe, combining tradition, diversity and progress. Therefore it does not come as a surprise that the acclaimed Dutch director and theater director Johan Simons, with his first work for the Burgtheater, is adapting this century novel to the Viennese stage. In his 1932 published work „Radetzky March“ tells the Austrian writer Joseph Roth based on a family history, the rise and decline of the Austro-Hungarian Empire.
While a hundred years later their performers in the Vienna Burgtheater run across the stage the Austrian elections just across the street of the theater forms a new government. A perfect combination of political conditions in Austria yesterday and today!

The story

The family Trotta is a poor peasant family from Slovenia. Her son Joseph goes to the Austro-Hungarian army. At the Battle of Solferino, he protects the life of Emperor Franz Joseph. Because of this heroism, the young Joseph is raised to the peerage. It begins a glorious phase in the history of the Trotta family, which goes hand in hand with the heyday of the Habsburg monarchy. But the rise of the family is not permanent. Already the grandson Carl Joseph von Trotta, the main character of Roth’s novel of the century, traces of the decay and the dissolution, which correspond to the collapse of a the Austrian monarchy.

„The world of yesterday“ is no more.

The author Joseph Roth (* 1894) had moved from the Galician border of the empire to Vienna and died in 1939 in exile in Paris in deep despair. He had never been able to overcome the collapse of Austria-Hungary in a kind of life-shock. His literary requiem „Radetzky March“ (the title is borrowed from the eponymous military march by Johann Strauss from 1848) shows a panorama of figures who all seem to know that their cosmos is doomed. Because of this experience, her life is determined by an inexpressible, inner mourning. The rise and fall of a family reflects the last decades of the Danube monarchy, for whose European spirit Roth found words like no other – a utopia that he passionately defended to the end of his life.

Critics

The reference to the present is insufficiently conveyed in Johan Simon’s production of the „Radetzky March“. The stage designer Katrin Brack tries to build a connection to the modern with a simple set design, consisting of huge balloons and beer benches, on which the ensemble alternately lingers. But the audience reacts rather irritably to the giant balls hovering in the crowd and it follows an eternally lasting exchange of blowers between the actors and the audience. The intention of these balloons, a puffed-up system that is about to burst, becomes obvious. Nevertheless, this idea within the staging is rather distracting to most people.
The costumes are also rather surprising. They consist partly of uniforms and partly of linen underwear. Several times the actors change their clothes on stage during the play. The directing is abstract and incomprehensible and leaves a big space for interpretation.

Accordingly, the ensemble fights three and a half hours through long dialogues and large balloon fights. So the applause for a Burgtheater premiere was rather sparse. The question of how Johan Simons wants to reach the audience with his production remains open until the end.
„Radetzky March“ by Joseph Roth
Director: Johan Simons,
Stage: Katrin Brack,
Costumes: Greta Goiris,
With: Philipp Hauß (Joseph von Trotta), Falk Rockstroh (Franz von Trotta), Johann Adam Oest (Emperor Franz Joseph), Andrea Wenzl (mistress of Joseph and wife of the Kapellmeister), Daniel Jesch (Kapellmeister), Merlin Sandmeyer (servant Jacques ), Steven Scharf (regimental doctor)
Burgtheater Vienna
University ring 2
1010 Vienna
Next performances: 06., 18., 20. and 27. January 2018
Duration: 3 hours 30 minutes, one break

Author: Cecilie von Heintze

Studentin der Publizistik- und Kommunikationswissenschaften an der Universität Wien

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