Zoroastre – Rameau – Komische Oper Berlin

Zoroastre - Rameau - Deutsche Oper Berlin © Holger Jacobs

Zoroastre – Rameau – Komische Oper Berlin

 

Von Gil Eilin Jung

23.6.2017

🙂 🙂 🙂 (drei von fünf)

Lover, Hater und Rosenkrieg – oder wie die Komische Oper das Kunststück fertigbringt, klassische Barock-Musik gekonnt in eine knallmoderne Kulisse zu packen

Hintergrund und Handlung

Vergessen wir alles, was wir über Zoroastre wissen. Denn mit der Geschichte um Zarathustra, den altiranischen Hohepriester und Glaubensstifter aus dem 2. Jahrtausend vor Christus, der sich hinter dem sperrigen Namen verbirgt, hat die Barockoper von Jean-Philippe Rameau nicht viel zu tun.

Das kleine Juwel von 1749, das zu den Raritäten der Opernwelt zählt, hat Tobias Kratzer für sein Berliner Regie-Debüt auf Hochglanz im 2.0-Format poliert. Da ist Rameaus spezieller Barock-Sound, der fantastisch ist, aber nicht jedermanns Sache, und ihm gegenüber die uralte Story von Liebe, Leidenschaft, Neid und Hass; von Männern, die zu Todfeinden und Frauen, die zu Furien werden – basierend auf einer Geschichte von Rameaus französischem Landsmann, dem Dramaturg Louis de Cahusac.

Das Ganze hat Kratzer aus der Krinoline gepellt und in einen Nachbarschaftsstreit der übelsten Sorte und tollsten Farben gegossen, der in fünf Akten der totalen Eskalation entgegen schreitet. Wunderbar trägt die einzigartige Musik Rameaus die lodernden Emotionen seiner Protagonisten: die Guten verkörpert durch Zoroastre und Amélite, die Bösen durch Abramane und Érinice, in ausgefeilter Psychologie. Dass beide Teams dabei oft auch ins andere Lager tendieren und Gut zu Böse wird wie umkehrt, dass fröhlich gesungen, während Schreckliches getan wird, all das macht die Oper spannend und den Showdown sehenswert.

Seht dazu auch unser Video auf kultur24.berlinTV:

Kritik

Moderne Inszenierungen können gerne auch mal nach hinten losgehen. Allerdings ist das in der Komischen Oper von Barrie Kosky so gut wie unmöglich. Was sich bei einem Stück wie Zoroastre lohnt, ist neben der gekonnten Inszenierung von Tobias Kratzer – der 2019 für den Tannhäuser in Bayreuth bereit steht – , die Sanges- und Spielfreude seiner Charaktere unter der musikalischen Leitung von Christian Curnyn.

Tenor Thomas Walker gibt den schillernden Titelhelden Zoroastre im unermüdlichen Schlagabtausch mit seinem trashigen Gegenpart Abramane, verkörpert von Bariton Thomas Dolié. Katherine Watson kommt der Rolle der zarten Amélite, die als einzige von Skrupeln gepeinigt zu sein scheint, entsprechend soft herüber, während Nadja Mchantaf als Érinice alle an die Hauswand singt.

Ihr Sopran ist so mitreißend, ihr Spiel von einer Intensität, dass man ihr all die Trauer, all das Leid, die Hysterie und pure Verzweiflung abnimmt, die sie mit großer Eleganz performt. Heraus sticht auch der Chor der Ameisen (volle Punktzahl für Kostüme und Bühnenbild von Rainer Sellmaier). Dieser wird als Volk des Herrschers Zoroastre in einer Video-Projektion immer wieder live und überlebensgroß in den Raum geworfen, vermeintlich von dem winzigen Stück Rasen, das er bevölkert und das im Laufe der Handlung zum Kriegsschauplatz mutiert.

Gute Storyline, toller Sound, herausragende Solisten und eine perfektes Bühnenbild machen Zoroastre zu einem Drama, das den Besuch lohnt.

Jean-Philippe Rameau | ZOROASTRE
Eine Tragédie in fünf Akten
Libretto von Louis de Cahusac
Musikalische Leitung: Christian Curnyn
Inszenierung: Tobias Kratzer
Bühnenbild und Kostüme: Rainer Sellmaier
Video: Manuel Braun
Dramaturgie: Johanna Wall
Chöre: David Cavelius

Mit Thomas Walker, Thomas Dolié, Katherine Watson, Nadja Mchantaf, Tom Erik Lie, Denis Milo, Daniil Chesnokov, Johnathan McCullough, Katarzyna Wlodarczyk und den Chorsolisten der Komischen Oper Berlin
Spieldauer: 3 Stunden

Komische Oper
Behrenstraße 55-57,
10117 Berlin

Nächste Vorstellungen: 24./28. Juni, 6./8./ 14. Juli 2017.

25 Bilder: Zoroastre (links, Thomas Walker) und Abramane (Thomas Dolié) streiten sich um ein Fleckchen Gras, „Zoroastre“, Komische Oper Berlin © Holger Jacobs

 

Author: Gil Jung

Journalistin und Public Relation Managerin, schrieb viele Jahre für die Lifeystyle-Seite der Welt am Sonntag

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