Berlinale 2025 – Die Preise der Internationalen Jury
Von Holger Jacobs
24.02.2025
Was bleibt vom Jubiläumsjahr der 75. Internationalen Filmfestspiele von Berlin?
Es war das erste Festival unter der neuen Leitung der US-Amerikanerin TRICIA TUTTLE.
Und es war ein gutes Festival mit wenig Skandalen und vielen guten Filmen.
Wie immer schaffte ich es nicht mir alle der 240 Filme anzuschauen, aber von denen, die ich sah waren (fast) alle beachtenswert bis gut.
Es gab nur einen Reinfall. Dabei handelte es sich ausgerechnet um die franz. Produktion „La Tour de Glace“ (ich bin sonst immer ein großer Fan von französischen Filmen), der so schlecht war, dass ich nach einer Stunde den Saal verlassen habe.
Warum dieser Film dann einen Silbernen Bären für seine künstlerische Leistung bekommen hat, ist mir unklar.
Aber das gibt es auf jedem Filmfestival. Was einige furchtbar finden, heben andere in den Himmel.
Die Geschmäcker sind eben sehr verschieden.
Die anderen prämierten Filme schienen mir eher gelungen zu sein, auch wenn ich nicht alle gesehen habe.
ROSE BYRNE in „If I Had Legs I’d Kick you” war großartig.
Auch der neue Film von RICHARD LINKLATER, “Blue Moon” ist recht gut gelungen, auch wenn er ein paar Schwächen hat.
Warum aber ausgerechnet ANDREW SCOTT den Silbernen Bären als bester Nebendarsteller in „Blue Moon“ (kultur24 berichtete) bekommen hat, ist mir ebenfalls ein Rätsel.
Nicht, dass SCOTT schlecht gespielt hätte, aber besonders hervorgetan hat er sich auch nicht.
Da wäre ein Silberner Bär für ETHAN HAWKE (spielt die Hauptfigur des Lorenz Hart) eher gerechtfertigt gewesen.
Einen antisemitischen Vorfall gab es dann auch noch dieses Jahr, als am 18. Februar im Kinosaal der Urania der chinesische Regisseur als JUN LI nach der Vorführung seines Films „Queerpanorama“ einen Brief von seinem Schauspieler ERFAN SHKARRIZ vorlas, indem es wiederum um den Genozid an den Palästinensern ging und dem Aufruf „From the River to the Sea“.
Doch anders, als noch vor einem Jahr, regte man sich nur kurz darüber auf und ging danach wieder zur Tagesordnung über.
Insgesamt wurden wie in den Jahren zuvor mehr als 300.000 Tickets an das Publikum verkauft (wie schaffen es die Leute eigentlich neben ihrer Arbeit so viele Filme zu sehen???) und über 2000 Journalisten berichteten für Medien in der ganzen Welt.
Das Festival war einmal mehr eine gute Mischung aus Arthouse- und Hollywood Kino (z.B. „Like A Complet Unknown“, kultur24 berichtete, mit TIMOTÉE CHALAMET).
Mit großen Stars, wie dem oben genannten, sowie JESSICA CHASTAIN für den Film „Dreams“, ETHAN HAWKE und MARGRET QUALLEY für „Blue Moon” oder BENEDICT CUMBERBATCH für „The Thing With Feathers“.
Eines hat mich aber gewundert:
Weder die Eröffnung, noch die große Gala der Preisverleihung wurden vom Fernsehen direkt übertragen.
Wo sonst der Sender 3sat immer live dabei war, wurden dieses Mal Sendungen wie „Politik im Popmodus – Wie Parteien Musik benutzen“ gezeigt.
Unverständlich. Denn schließlich ist es die wichtigste (und teuerste) Kulturveranstaltung des Jahres in Berlin!
Die Eröffnung am 13. Februar wurde nur auf dem Sender RBB gezeigt – zu nachschlafender Zeit um 22.45 Uhr…
Ein weiterer Wunsch für die nächste Berlinale 2026:
Bitte prämiert wieder jeweils eine Frau und einen Mann für die beste schauspielerische Leistung in den Kategorien Hauptrolle und Nebenrolle.
Es ist einfach nicht gerecht, hier einen Schauspieler*in zu vergessen, nur weil man Männlein und Weiblein in einen Topf schmeißen will.
Damit verwehrt man einem zweiten Darsteller eine Prämierung für seine großartige Leistung!
Hier die wichtigsten Preise:
Goldener Bär für den besten Film: „Drømmer – Sex Love Drerams“ von DAG JOHAN HAUGERUD. Der norwegische Film zeigt die lesbische Liebe einer Schülerin zu ihrer Lehrerin.
Silberner Bär – Großer Preis der Jury: für „O Ultimo Azul -The Blue Trail“ von GABRIEL MASCARO. Der Brasilianische Film erzählt die Geschichte einer 77-jährigen Arbeiterin, die gezwungen wird, ihren Job aufzugeben und ins Altersheim abgeschoben werden soll, um einer jüngeren Platz zu machen.
Silberner Bär – Preis der Jury: „El Mensaje – The Message“ von IVAN FUND über eine Familie, die die hellseherischen Fähigkeiten ihres Kindes als Möglichkeit zum Geld verdienen missbraucht.
Silberner Bär für die beste Regie: HUO MENG für „Sheng Xi Zhi Di – Living the Land“.
Dieser vielbeachtete Film erzählt über das einfache Leben der Menschen in einer chinesischen Provinz.
Silberner Bär für die beste schauspielerische Leistung in einer Hauptrolle:
ROSE BYRNE in „If I Had Legs I’d Kick You“ von MARY BRONSTEIN, USA, über eine Frau, die über ihre Arbeit und mehrere Schicksalsschläge zusammenbricht.
Silberner Bär für die beste schauspielerische Leistung in einer Nebenrolle:
ANDREW SCOTT in „Blue Moon“ von RICHARD LINKLATER, USA
Silberner Bär für das beste Drehbuch: RADU JUDE für „Kontinental 25“, Rumänien, über einen Gerichtsvollzieher, der Menschen aus ihren Häusern vertreiben muss.
Berlinale Dokumentarpreis: „Holding Liat“ von BRANDON KRAMER über die israelische Geisel LIAT BEININ ATZILI, die am 7. Oktober 2023 von der Hamas entführt wurde.
Der Film „Holding Liat“ begleitet die Familie in der schwierigen Zeit nach der Entführung am 7. Oktober 2023, als noch keiner wusste, ob sie jemals wieder lebend freikommen würde.
Die 49-jährige LIAT BEININ ATZILI wurde im Kibbuz Nir Oz entführt, wo sie als Lehrerin tätig war.
Nach ihrer Befreiung am 26. November 2023, nach der ersten Vereinbarung zwischen der Hamas und Israel und einem kurzzeitigen Waffenstillstand, wurde sie von US-Präsident JOE BIDEN nach Washington ins Weiße Haus eingeladen, weil sie neben ihrem israelischen auch einen amerikanischen Pass besitzt.
Kurze Zeit später beginnt sie sich in einer Friedensbewegung zur Aussöhnung zwischen Israelis und den Palästinensern zu engagieren.
Liats Mann, der ebenfalls am 7. Oktober entführt worden war, hat die Geiselhaft nicht überlebt.
English text
Berlinale 2025 – The International Jury Prizes
By Holger Jacobs
02/24/2025
What remains of the anniversary year of the 75th Berlin International Film Festival?
It was the first festival under the new management of the American TRICIA TUTTLE.
And it was a good festival with few scandals and many good movies.
As always, I didn’t manage to watch all of the 240 films, but of those I saw, (almost) all were noteworthy to good.
There was only one disappointment.
It was the French production „La Tour de Glace“ (I’m usually a big fan of French movies), which was so bad that I left the hall after an hour.
Why this film received a Silver Bear for its artistic achievement is unclear to me.
But that happens at every film festival. What some find terrible, others praise it to the skies.
Tastes are very different.
The other award-winning movies, actor and actresses seemed to me to be more successful, even though I haven’t seen all of them.
ROSE BYRNE in „If I Had Legs I’d Kick you“ was great.
RICHARD LINKLATER’s new film, „Blue Moon“ (kultur24 reported), is also quite good, even if it has a few weaknesses.
But why ANDREW SCOTT of all people received the Silver Bear for Best Supporting Actor in „Blue Moon“ is also a mystery to me. Not that he was bad, but he didn’t stand out particularly. A Silver Bear for ETHAN HAWKE (plays the main character Lorenz Hart) would have been much more justified.
There was also an anti-Semitic incident this year, when on February 18th in the Urania cinema, the Chinese director JUN LI read out a letter from his actor ERFAN SHKARRIZ after the screening of his movie “Queerpanorama”, which was again about the genocide of the Palestinians and the appeal “From the River to the Sea”.
But unlike a year ago, people only got upset about it for a short time and then went back to business as usual.
In total, more than 300,000 tickets were sold to the public (how do people actually manage to see so many films alongside their work???) and over 2,000 journalists reported for media all over the world.
The festival was again a good mix of arthouse and Hollywood cinema (e.g. “Like A Completely Unknown”, kultur24 reported, with TIMOTÉE CHALAMET).
With big stars like the one mentioned above, as well as JESSICA CHASTAIN for the film “DREAMS, ETHAN HAWKE and MARGRET QUALLEY for “Blue Moon” or BENEDICT CUMBERBATCH for “The Thing With Feathers”.
But one thing surprised me:
Neither the opening nor the big gala of the award ceremony were broadcast live on television.
Where the 3sat channel has always been there live in recent years, this time they showed programs like “Politics in Pop Mode – How Parties Use Music”.
Incomprehensible. After all, it is the most important (and most expensive) cultural event of the year in Berlin!
The opening was only shown on the RBB channel on February 13th – at night-sleeping time 10.45 p.m….
Another wish for the next Berlinale in 2026:
Please award a woman and a man for the best acting performance in the categories of leading role and supporting role.
It is simply not fair to forget an actor here just because you want to lump men and women together.
This means that a second actor is denied an award for his great performance!
Here are the most important awards:
- Golden Bear for Best Film: “Drømmer – Sex Love Dreams” by DAG JOHAN HAUGERUD. The Norwegian movie shows the lesbian love of a student for her teacher.
- Silver Bear – Grand Jury Prize: “O Ultimo Azul -The Blue Trail” by GABRIEL MASCARO. The Brazilian film tells the story of a 77-year-old worker who is forced to give up her job and is to be sent to a retirement home to make place for a younger woman.
- Silver Bear – Jury Prize: “El Mensaje – The Message” by IVAN FUND about a family that abuses their child’s clairvoyant abilities as a way to make money.
- Silver Bear for Best Director: HUO MENG for “Sheng Xi Zhi Di – Living the Land“. This highly acclaimed movie tells of the simple life of people in the Chinese province.
- Silver Bear for Best Acting in a Leading Role:
ROSE BYRNE in “If I Had Legs I’d Kick You” by MARY BRONSTEIN, USA, about a woman who collapses over her work and several blows of fate. - Silver Bear for Best Acting in a Supporting Role:
ANDREW SCOTT in “Blue Moon” by RICHARD LINKLATER, USA - Silver Bear for Best Screenplay: RADU JUDE for “Kontinental 25”, Romania, about a bailiff who has to evict people from their homes.
Berlinale Documentary Award: “Holding Liat” by BRANDON KRAMER about the Israeli hostage LIAT BEININ ATZILI, who was kidnapped by Hamas on October 7, 2023.
The movie „Holding Liat“ follows the family in the difficult time after the kidnapping on October 7, 2023, when no one knew whether they would ever be released alive.
49-year-old LIAT ATZILI was kidnapped in the Kibbutz Nir Oz, where she worked as a teacher.
After her release on November 26, 2023 (after the first agreement between Hamas and Israel and a short-term ceasefire), she was invited to the White House in Washington by US President JOE BIDEN because she has an American passport in addition to her Israeli one.
A short time later, she begins to get involved in a peace movement for reconciliation between Israelis and Palestinians.
Her husband, who was also kidnapped on October 7, did not survive the hostage situation.
Author: Holger Jacobs
Founder & Editorial Director of kultur24.berlin ug.
Founder & Editorial Director of kultur24 TV on Youtube.
Former correspondent for fashion in Paris.
Photographer, writer and videographer.