„Ein Sommernachtstraum“ vom Staatsballett Berlin

A Midsummer Nights Dream - Staatsballett Berlin, ph: Yan Revazov

„Ein Sommernachtstraum“ vom Staatsballett Berlin

 

Von Holger Jacobs

22.02.2025

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Wertung: 🙂 🙂 🙂 🙂  (vier von fünf)

Die Neuinterpretation des Sommernachtstraums durch Choreograph Edward Clug mit dem Staatsballett Berlin ist ein Märchen aus Farben, Formen und Musik

In der Saison 2024/25 gibt es von unserem staatlichen Berliner Ballett-Ensemble insgesamt 4 Premieren:
Die erste, mit Choreographien von OHAD NAHARIN und SHERAN EYAL, „Minus 16“ (kultur24 berichtete), fand am 25. Okt. 2024 statt.
Die zweite war jetzt am 21. Februar 2025 mit „Ein Sommernachtstraum“ nach dem gleichnamigen Theaterstück von WILLIAM SHAKESPEARE, inszeniert und choreographiert von EDWARD CLUG

„Ein Sommernachtstraum“, Nicolas Poussin, 1651

Nach seiner Uraufführung Ende des 16. Jahrhunderts wurde der „Sommernachtstraum“ im Laufe der Jahre und Jahrzehnte immer wieder verändert.
Viele berühmte Regisseure hinterließen eigene Variationen.
Wesentliche Inszenierungen im 20. Jahrhundert stammen von Max Reinhardt und Otto Falkenberg.
Zahlreiche Verfilmungen (z.B. William Dieterle und Max Reinhardt 1935),
Opern (z.B. Benjamin Britten, 1960) und Ballettchoreographien wurden nach dieser Komödie realisiert und inszeniert.

Oberon + Titania, Joseph Paton, 1849

Handlung

Selbst, wenn alle meiner Leser das Lustspiel „Ein Sommernachtstraum“ („ A Midsummer Night’s Dreame“) von WILLIAM SHAKESPEARE kennen, macht es doch Sinn ein paar wesentliche Inhalte wieder in Erinnerung zu rufen. Ohne deren Kenntnis wird der Zuschauer dem Bühnengeschehen nur schwer folgen können.

Das Stück spielt im antiken Athen.
Hintergrund ist die Hochzeit des Herrscherpaares Theseus ((COHEN AITCHISON-Dugas) und Hippoyta (WERONIKA FRODYMA) und die Welt der Feen- und Elfen im Wald vor der Stadt.
Vier Handlungsstränge bestimmen das Geschehen:
1. Die Hochzeit von Theseus und Hippolyta.
2. Die Liebeswirren um zwei aristokratische Paare am Hofe von Athen
3. Eine Gruppe Handwerker üben ein Theaterstück für die Hochzeit des Königs.
4. Die Feen- und Elfenwelt mit dem Streit des Elfenpaares Oberon (ebenfalls COHEN AITCHISON-DUGAS) und Titania (ebenfalls WERONIKA FRODYMA)

Der erste Akt spielt am Hofe von Athen, wo Theseus und Hippolyta mit ihren Hochzeitsvorbereitungen beschäftigt sind.
Der Adlige Egeus (ALEXEJ ORLENCO) kommt hinzu und stellt seine Tochter Hermia (Riho SAKAMOTO) vor, die er gerne mit dem Edelmann Demetrius (MATTHEW KNIGHT) verheiraten möchte.
Hermia aber liebt Lysander (KALLE WIGLE).
Und Helena (DANIELLE MUIR), die beste Freundin von Hermia, liebt Demetrius.

Im 2. Akt befinden wir uns in einem geheimnisvollen Wald vor den Toren der Stadt.
Dort sieht man das Elfenpaar Oberon und Titania, die in Streit um ein Kind geraten sind.

Oberon (Cohen Aitchison-Dugas(, Titania (Weronika Frodyma), ph: Yan Revazov

Wegen dem Ärger mit seiner Frau beauftragt Oberon seinen Hofnarren Puck (LEROY MOKGATLE) einen Liebeszauber aus einer Blume zu besorgen.
Diese Substanz träufelt Oberon seiner Gemahlin in die Augen während sie schläft.
Der Liebesnektar soll bewirken, dass Titania sich in das erstbeste Lebewesen verliebt, welches sie nach dem Aufwachen erblickt, egal ob es sich dabei um ein Tier oder einen Menschen handelt.
Als sowohl die Liebenden Lysander und Hermia, wie auch Demetrius und Helena ebenfalls im Wald auftauchen, befiehlt Oberon auch bei ihnen das Zaubermittel anzuwenden, damit die richtigen Liebenden zusammenfinden können.
Doch Puck verwechselt die Personen und das Chaos beginnt.
Als Titania erwacht, verliebt sie sich in einen Esel…

Währenddessen treffen sich auch die Handwerker im Wald, um ihr Theaterstück zu proben.
Es sind Peter Quince (ERICK SWOLKIN) als Spielleiter, Nick Bottom (ROSS MARTINSON), Francis Flute (DOMINIK WHITE SLAVKOVSKY), Snug (WOLF HOEYBERGHS) und Tom Snout (ACHILLE DE GROEVE).

Das Spiel im Spiel

Bei dieser kleinen Theateraufführung der Handwerker geht es um das Liebespaar Pyramus und Thisbe, die sich heimlich im Wald treffen und die, getrennt durch eine Mauer, sich nur durch ein kleines Loch in der Wand küssen können.

Bottom (Ross Martinson), Puck (Leroy Mockgatle), ph: Holger Jacobs

Als plötzlich ein Löwe auftaucht wird Thisbe angegriffen. Leicht verletzt kann sie fliehen, nur ihr zerrissener Mantel bleibt zurück. Pyramus aber findet den blutverschmierten Mantel und glaubt, dass Thisbe getötet wurde und bringt sich vor Trauer um. Als Thisbe ihren toten Geliebten findet kann auch sie nicht länger leben und ersticht sich (nicht unähnlich dem Ende von „Romeo und Julia“, ebenfalls von SHAKESPEARE, welches er zeitgleich geschrieben haben soll).

Im letzten Akt befiehlt Oberon seinem Hofnarren den Zauber an den Menschen rückgängig zu machen, nur Demetrius darf nun Helena lieben.
Auch Titania wird von dem Fluch befreit und alle können zufrieden nach Hause gehen.
Am Hofe von Athen kann jetzt mit glücklichen Liebenden und zufriedenen Elfen Hochzeit gefeiert werden.
Das letzte Wort aber hat Puck.

Kritik

Dem rumänischen Choreographen EDWARD CLUG ist eine beeindruckende Inszenierung gelungen.
In knapp zwei Stunden Spielzeit wird ein Feuerwerk an Ideen, Farben und Klängen versprüht.
Für die musikalische Untermalung sorgt der slowenische Komponist MILKO LAZAR.
EDWARD CLUG und er haben schon zahlreiche gemeinsame Produktionen auf die Bühne gestellt, wofür LAZAR schon mehrfach ausgezeichnet wurde.
Seine Musik changiert zwischen zeitgenössischen, scharfen Klängen (besonders bei den Auftritten des Puck und den Geräuschen des Waldes), sowie sanfter, klassischer Musik mit Geigen, Harfe und Klavier (beim Pas de Deux von Lysander und Hermia).
Er meistert beide Spielarten, so dass eine spannungsreiche Komposition entsteht.

Der Choreograph EDWARD CLUG ist seit über 20 Jahren künstlerischer Leiter des slowenischen Nationalballetts.
Daneben choreographierte er abendfüllende Ballette in Zürich, Basel und Stuttgart.

Edward Clug © Edward Clug

EDWARD CLUG choreographiert sein Ballett ähnlich, wie MILKO LAZAR seine Musik komponiert:
Mit einer Mischung aus klassischen und modernen Elementen.
Es wird sowohl halbe Spitze getanzt (barfuß, ohne Spitzenschuhe), wie auch mit flachem Fuß und erdverbunden.
Die Bewegungen sind einmal weich und fließend (beim Pas de Deux von Lysander und Hermia), als auch abgehackt und zerrissen (beim Tanz von Puck).

Zahlreiche „Gimmicks“ bereichern das Bühnengeschehen:
Einmal wird ein Surfbrett ins Spiel gebracht, auf dem und mit dem Theseus und Hippolyta tanzen und spielen.
Dann kommen die 31 Elfen des Waldes und spazieren bei ihrem Eintritt über eine Rampe direkt an den Zuschauern vorbei.
Später werden vier Tänzer durch Seile quer in der Luft liegend in die Höhe gezogen.
Und am Schluss kommt auch noch ein überdimensionales Insekt  (eine Gottesanbeterin), welche die Tänzerin PAULINE VOISARD geschickt vor sich hinschiebt.

Das Bühnenbild (MARKO JAPEJ) ist sowohl schlicht und minimalistisch (eine runde Bretterwand in wechselnden Grüntönen, die die Bühne nach hinten abschließt), als auch technisch raffiniert.
Denn ein größerer Felsbrocken, der als Rampe die Tänzer*innen zu einer hinteren, oberen Tür führt, wird, je nach Handlung, in verschiedene Richtungen verschoben.
Am Ende wird sogar ein zweiter Felsbrocken wie ein Meteorit aus dem Himmel kommend in den Boden der Bühne gerammt.

Besonderes Lob gebührt dem Kostümbildner LEO KULASI, dessen farbenfrohe Outfits für die Tänzerinnen und Tänzer einfach wunderschön anzusehen waren.
Dabei stachen die Kostüme  der 31 Elfen des Waldes besonders hervor.
Mit tellergroßen Handflächen als Blätter und roten Strumpfhosen als Wurzeln stellten sie ganz wunderbar die Idylle der Natur dar.

„Ein Sommernachtstraum“, Staatsballett, ph: Yan Revazov

Fazit: Eine weitere gelungene Ballettinszenierung für unser erfolgsverwöhntes Staatsballett.
Ballettdirektor Christian Spuck ist auf dem richtigen Weg.

„Ein Sommernachtstraum“, Deutsche Oper Berlin
Premiere war am 21. Februar 2025
Choreographie: Edward Clug, Musik: Milko Lazar
Musikalische Leitung: Victorien Vanoosten
Es spielt das Orchester der Deutschen Oper
Bühne: Marko Japej, Kostüme: Leo Kulasi
Mit den Tänzerinnen und Tänzern des Staatsballett Berlin

Bilderserie mit 5 Fotos aus dem „Sommernachtstraum“:

„Ein Sommernachtstraum“, Staatsballett Berlin, ph: Holger Jacobs

English

 

Shakespeare’s „A Midsummer Night’s Dream“ by the Berlin State Ballet

By Holger Jacobs


02/22/2025

Rating: 🙂 🙂 🙂 🙂 (four of five)

The reinterpretation of A Midsummer Night’s Dream by choreographer Edward Clug with the Berlin State Ballet is a fairy tale of colors, shapes and music

In the 2024/25 season, our Berlin State Ballet Ensemble will have a total of 4 premieres:
The first, with choreographies by OHAD NAHARIN and SHERAN EYAL, „Minus 16“ (kultur24 reported), took place on October 25, 2024.
The second was on February 21, 2025 with „A Midsummer Night’s Dream“ based on the play of the same name by WILLIAM SHAKESPEARE, directed and choreographed by EDWARD CLUG.

„Ein Sommernachtstraum“, Nicolas Poussin, 1651

After its premiere at the end of the 16th century, „A Midsummer Night’s Dream“ was changed again and again over the years and decades.
Many famous directors left their own variations. Major productions in the 20th century were by Max Reinhardt and Otto Falkenberg.
Numerous film adaptations (e.g. William Dieterle and Max Reinhardt 1935), operas (e.g. Benjamin Britten, 1960) and ballet choreographies were realized and staged based on this comedy.

Oberon + Titania, Joseph Paton, 1849

Story

Even if all of my readers know the comedy “A Midsummer Night’s Dream” by WILLIAM SHAKESPEARE, it still makes sense to recall a few key elements.
Without knowing them, the audience will have difficulty following the action on stage.

The play is set in ancient Athens.
The background is the wedding of the ruling couple Theseus (COHEN AITCHISON-DUGAS) and Hippolyta (WERONIKA FRODYMA) and the world of fairies and elves in the forest outside the city.
Four storylines determine the events:
1. The wedding of Theseus and Hippolyta.
2. The love turmoil surrounding two aristocratic couples at the court of Athens
3. A group of craftsmen rehearse a play for the wedding of the royal couple.
4. The world of fairies and elves with the argument between the elf couple Oberon (also COHEN AITCHISON-DUGAS) and Titania (also WERONIKA FRODYMA)

The first act takes place at the court of Athens, where King Theseus and Hippolyta are busy preparing for their wedding.
The nobleman Egeus (ALEXEJ ORLENCO) arrives and introduces his daughter Hermia (RIHO SAKAMOTO), whom he would like to marry to the nobleman Demetrius (MATTHEW KNIGHT).
But Hermia loves Lysander (KALLE WIGLE).
And Helena (DANIELLE MUIR), Hermia’s best friend, loves Demetrius.

In the second act the story continous in a mysterious forest outside the city gates.
There we see the elf couple Oberon and Titania, who have got into an argument over a child.

Oberon (Cohen Aitchison-Dugas(, Titania (Weronika Frodyma), ph: Yan Revazov

Because of the trouble with his wife, Oberon orders his court jester Puck (LEROY MOKGATLE) to get a love spell from a flower.
Oberon drips this substance into his wife’s eyes while she is sleeping.
The love nectar is supposed to make Titania fall in love with the first living creature she sees when she wakes up, regardless of whether it is an animal or a human.
When the lovers Lysander and Hermia, as well as Demetrius and Helena, also appear in the forest, Oberon orders the magic potion to be used on them too, so that the right lovers can find each other. But Puck confuses the people and chaos begins.
And when Titania wakes up, she falls in love with a donkey…

Meanwhile, the craftsmen also meet in the forest to rehearse their play.
There are Peter Quince (ERICK SWOLKIN) as director, Nick Bottom (ROSS MARTINSON), Francis Flute (DOMINIK WHITE SLAVKOVSKY), Snug (WOLF HOEYBERGHS) and Tom Snout (ACHILLE DE GROEVE).

The play within the play

This small theatre performance by the craftsmen is about the lovers Pyramus and Thisbe, who meet secretly in the forest and, separated by a wall, can only kiss through a small hole in the wall.

Bottom (Ross Martinson), Puck (Leroy Mockgatle), ph: Holger Jacobs

When a lion suddenly appears, Thisbe is attacked.
Slightly injured, she manages to flee, leaving only her torn cloak behind.
But Pyramus finds the blood-stained cloak and believes that Thisbe has been killed and kills himself out of grief.
When Thisbe finds her dead lover, she too can no longer live and stabs herself (not unlike the end of „Romeo and Juliet“, also by SHAKESPEARE, which he is said to have written at the same time)

In the last act, Oberon orders his court jester to reverse the spell on the humans, so that only Demetrius can now love Helena.
Titania is also freed from the curse and everyone can go home happy.
At the court in Athens, the wedding can now be celebrated with happy lovers and contented elves.
But Puck has the last word.

Critics

The Romanian choreographer EDWARD CLUG has created an impressive production.
In just under two hours of performance time, a firework display of ideas, colors and sounds is radiated.
The Slovenian composer MILKO LAZAR was commissioned to provide the musical accompaniment.
EDWARD CLUG and he have already put on numerous joint productions, for which LAZAR has already received several awards.
His music alternates between contemporary, sharp sounds (especially in the appearances of Puck and the sounds of the forest), as well as gentle, classical music with violins, harp and piano (in the pas de deux of Lysander and Hermia).
He masters both styles, creating an exciting composition.

Edward Clug © Edward Clug

The choreographer EDWARD CLUG has been the artistic director of the Slovenian National Ballet for over 20 years.
He has also choreographed full-length ballets in Zurich, Basel and Stuttgart. EDWARD CLUG choreographs his ballet in a similar way to how MILKO LAZAR composes his music: with a mixture of classical and modern elements.
The dance is done on half pointe (barefoot, without pointe shoes), as well as with flat feet and grounded.
The movements are sometimes soft and flowing (in the pas de deux of Lysander and Hermia), and sometimes choppy and torn (in Puck’s dance).

EDWARD CLUG also enriched the stage action with a few gimmicks:
At one point a surfboard is brought into play, on which Theseus and Hippolyta dance and play.
Then the 31 elves of the forest come and walk directly past the audience as they enter on a ramp.

Later, four dancers are pulled up by ropes lying across the air.
And at the end there is also an oversized insect (a praying mantis), which the dancer PAULINE VOISARD skillfully pushes around the stage.

The stage design (MARKO JAPEJ) is both simple and minimalist (a round wooden wall in changing shades of green that closes off the stage at the back) and technically sophisticated.
A larger boulder, which acts as a ramp leading the dancers to a rear, upper door, is moved in different directions depending on the story.
At the end, a second boulder is even rammed into the floor of the stage like a meteorite coming from the sky.

Special praise goes to costume designer LEO KULASI, whose colorful outfits for the dancers were simply beautiful to look at. The costumes of the 31 elves of the forest stood out in particular.
With plate-sized palms as leaves and red tights as roots, they wonderfully portrayed the idyll of nature.

„Ein Sommernachtstraum“, Staatsballett, ph: Yan Revazov

Conclusion: Another successful ballet production for our successful State Ballet.
Ballet director Christian Spuck is on the right track.

“A Midsummer Night’s Dream”, Deutsche Oper Berlin
The premiere was on February 21, 2025
Choreography: Edward Clug, Music: Milko Lazar
Musical direction: Victorien Vanoosten
The Deutsche Oper Orchestra plays
Stage: Marko Japej, Costumes: Leo Kulasi
With the dancers of the Staatsballett Berlin

Picture series with 5 photos from “A Midsummer Night’s Dream”:

„Ein Sommernachtstraum“, Staatsballett Berlin, ph: Holger Jacobs

 

 

Author: Holger Jacobs

Founder & Editorial Director of kultur24.berlin ug.
Founder & Editorial Director of kultur24 TV on Youtube.
Former correspondent for fashion in Paris.
Photographer, writer and videographer.

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