Berlinale 2025 – „Blue Moon“ von Richard Linklater

BLUE MOON - Margret Qualley - Ethan Hawke © kultur24.berlin

Berlinale 2025 – „Blue Moon“ von Richard Linklater

Von Holger Jacobs

20.02.2025

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Das Drama einer verschmähten Liebe und eines künstlerischen Niedergangs.

Wenn ich den Namen des US-amerikanischen Regisseurs RICHARD LINKLATER (*1960) höre, muss ich sofort an seine berühmte Filmreihe „Before Sunrise“ – Before Sunset“ und „Before Midnight“ denken.
Sie handelt von einem Paar, Céline (JULY DELPY) und Jesse (ETHAN HAWKE), welches sich im ersten Film (1995 gedreht) auf einer Reise durch Europa zufällig im Zug kennenlernen und die ganze Nacht redend in Wien verbringt.
Im zweiten Film, 2004 gedreht, treffen sie sich neun Jahre später in Paris wieder und verlieben sich – dieses Mal während eines Tages in Echtzeit gedreht.
Im letzten Teil, 2013 gedreht und wieder neun Jahre später, sind Céline und Jesse verheiratet und haben zwei Kinder.
Jetzt stehen die Eheprobleme im Vordergrund und die Beziehung droht zu scheitern. Doch ob sie wirklich auseinandergehen bleibt offen.
Diese Film-Reihe machte RICHARD LINKLATER in der ganzen Filmwelt bekannt.
Alle drei wurden jeweils auf einer Berlinale gezeigt. Gleich der erste wurde mit einem Silbernen Bären für die beste Regie belohnt, der zweite bekam sogar den Goldenen Bären für den besten Film des Festivals.
Und auch der dritte bekam gute Bewertungen der Kritiker.

„Before Sunrise“, 1995, July Delpy+Ethan Hawke

„Blue Moon“

Der neue Film von RICHARD LINKLATER hat Ähnlichkeiten zur oben beschriebenen Trilogie. Die Gemeinsamkeiten sind die Echtzeit, in der der Film innerhalb eines einzigen Abends spielt und seine langen Dialoge.
Und der Hauptdarsteller ist wieder derselbe.
Als ETHAN HAWKE 1995 den Jesse in „Before Sunrise“ spielte, ist er 25 Jahre alt. Jetzt, mit 55 Jahren, ist er nicht mehr der schüchterne Junge, sondern ein gereifter, starker Schauspieler. Doch für RICHARD LINKLATER schlüpft er in “Blue Moon“ in die Rolle eines mit Minderwertigkeitskomplexen behafteten Mannes.

Der Spielfilm „Blue Moon“ basiert auf einer wahren Begebenheit.
Über 20 Jahre hinweg, von 1919 bis in die 1940er Jahre, waren der Songwriter Lorenz Hart (ETHAN HAWKE) und der Musiker Richard Rogers (ANDREW SCOTT) das erfolgreichste Texter-Composer-Duo in den USA.

Richard Rogers (left) + Lorenz Hart (right), 1936 -CC-Wikimedia Commons

Über 20 Musicals und Hunderte von Liedern wurde von beiden kreiert.
Anfang der 40er Jahre aber versank der Stern von Lorenz Hart langsam, weil er wegen seines Äußeren (klein und hässlich) depressiv wurde und zu trinken begann. Deshalb fing Rogers mit einem neuen Texter an zu arbeiten, mit dem bis dahin unbekannten Oscar Hammerstein (SIMON DELANEY).
Der Film spielt an einem einzigen Abend in der New Yorker Bar SARDi’S (gibt es heute noch, 234 W 44 Street), an dem die überaus gelungene Premiere des neuen Musicals „Oklahoma“ von Hammerstein/ Rogers gefeiert wird.

SARDI’S Bar and Restaurant © Sardi’s

Auch Lorenz Hart ist da und macht gute Miene zum bösen Spiel.
Doch noch etwas anderes macht Hart an diesem Abend Sorgen:
Er hat sich, trotz seines Alters, unsterblich in die junge und attraktive Elizabeth Weiland (MARGRET QUALLEY) verliebt, die aber außer platonischer Liebe nichts von ihm wissen will. Dabei profitiert sie von seinen zahlreichen Kontakten und seinem großen Wissen an Kunst, Musik und Literatur.
Als Elizabeth schließlich am Ende des Abends mit Richard Rogers zu dessen privater Party abzieht, bleibt Lorenz Hart allein zurück. Wenige Monate später stirbt er an einer Lungenentzündung.

„Blue Moon, Margret Qualley+Ethan Hawke © Sony Pictures

Kritik

Auf den ersten Blick scheint es sich um eine typische Midlife-Crisis eines alternden Mannes zu handeln, der immer noch sehnsüchtig nach jungen Mädchen Ausschau hält.
Bei Lorenz Hart aber geht es um viel mehr:
Es geht um seine Existenz als Bühnenautor und um seine Reputation als berühmter Songwriter.
Die hilflosen Bemühungen um die Anerkennung einer jungen Frau sind eigentlich nur Ausdruck der Verzweiflung eines Mannes, der merkt, dass er seinen Höhepunkt überschritten hat.
Dabei nehmen die Dialoge bei LINKLATER mal wieder viel Raum ein, wobei hier der Sprechtext von ETHAN HAWKE soviel länger ist, dass es sich in „Blue Moon“ fast schon um einen Monolog handelt.
Das ist auch die Schwäche des Films.
Während in der „Before…“ Trilogie dem Mann und der Frau genauso viel Raum und Text gegeben wird, spricht in „Blue Moon“ fast nur ETHAN HAWKE. MARGET QUALLEY in der Rolle der Elizabeth wird nur einmal eine größere Textstelle zugestanden, als sie Lorenz Hart von einem Liebesabenteuer mit einem jungen Mann erzählt.

Überhaupt MARGRET QUALLEY (*1994): Als Tochter der US-amerikanischen Schauspielerin ANDIE MACDOWELL („Vier Hochzeiten und ein Todesfall“) war der Weg zu einer eigenen Schauspielkarriere vorgelegt.

Doch aus der Tochterrolle ist sie schnell herausgewachsen, seit sie 2019 die Pussycat, ein Mädchen der Charles-Manson-Bande, in QUENTIN TARANTINOS „Once upon a time in Hollywood“ spielte.
Die Anhalter-Szene mit BRAD PITT, den sie zu verführen versucht, bleibt sicher vielen im Gedächtnis!

„Once upon a time in Hollywood“, Margret Qualley+Brad Pitt © Sony Pivctures

Im selben Jahr drehte sie ihre erste Hauptrolle in „Mein Jahr in New York“ („The Salinger Year“).
Ein Film über eine junge Literaturstudentin, die ein Praktikum in einer New Yorker Literaturagentur macht, welche den bekannten Autoren J. D. SALINGER vertritt und diesen dabei auch kennenlernt.
Der Film war 2020 im Wettbewerb der 70. Berlinale (kultur24 berichtete).

Und mit dem Film „The Substance“ (kultur24 berichtete) von 2024 hat MARGRET QUALLEY jetzt endgültig den Durchbruch geschafft.
Sie spielt dort neben DEMI MOORE das jüngere Ich der Hauptdarstellerin.
Dafür gab es viel Lob und eine Golden Globe Nominierung.
„The Substance“ ist dreifach für den Oscar 2025 nominiert.
MARGRET QUALLEY gehört jetzt zusammen mit TIMOTHÉE CHALAMET (*1995) zur neuen Geberation der Superstars in Hollywood.

Fazit: „Blue Moon“ ist ein schöner Independent-Film mit tollen Schauspielern. Aber auf die Dauer etwas langatmig und ermüdend. Dabei spielt ETHAN HAWKE brilliant.

English

 

Berlinale 2025 – „Blue Moon“ by Richard Linklater

 

By Holger Jacobs


02/20/2025

The drama of a spurned love and an artistic decline.

When I hear the name of the American director RICHARD LINKLATER (*1960), I immediately think of his famous film series „Before Sunrise“ – Before Sunset“ and „Before Midnight“.
It is about a couple, Céline (JULY DELPY) and Jesse (ETHAN HAWKE), who in the first movie (shot in 1995) meet by chance on a train while traveling through Europe and spend the whole night talking in Vienna.

„Before Sunrise“, 1995, July Delpy+Ethan Hawke

In the second movie, shot in 2004, they meet again nine years later in Paris and fall in love – this time shot in real time during a day.
In the last part, shot in 2013 and again nine years later, Céline and Jesse are married and have two children.
Now the marital problems are in the foreground and the relationship is in danger of failing.
But whether they really break up remains an open question.
This film series made RICHARD LINKLATER famous throughout the movie world.
All three were shown at a Berlinale.
The first was awarded a Silver Bear for best director, the second even received the Golden Bear for the best movie of the festival.
And the third also received good reviews from critics.

„Blue Moon“

RICHARD LINKLATER’s new film has similarities to the trilogy described above.
The similarities are the real time in which the film takes place within a single evening and its long dialogues.
And the main actor is the same again.
When ETHAN HAWKE played Jesse in „Before Sunrise“ in 1995, he was 25 years old.
Now, at 55, he is no longer the shy boy, but a mature, strong actor.
But for RICHARD LINKLATER, in „Blue Moon“ he slips into the role of a man with an inferiority complex.

The feature film „Blue Moon“ is based on a true story.
For over 20 years, from 1919 to the 1940s, the songwriter Lorenz Hart (ETHAN HAWKE) and the musician Richard Rogers (ANDREW SCOTT) were the most successful lyricist-composer duo in the USA.

Richard Rogers (left) + Lorenz Hart (right), 1936 -CC-Wikimedia Commons

The two of them created over 20 musicals and hundreds of songs.
At the beginning of the 1940s, however, Lorenz Hart’s star slowly faded because he became depressed because of his appearance (small and ugly) and began to drink. So Rogers started working with a new lyricist, the previously unknown Oscar Hammerstein (SIMON DELANEY).
The film takes place on a single evening in the New York bar SARDi’S (still there today, 234 W 44 Street), where the extremely successful premiere of the new musical „Oklahoma“ by Hammerstein/Rogers is celebrated.

SARDI’S Bar and Restaurant © Sardi’s

Lorenzo Hart is also there and puts on a brave face.
But there is something else that worries Hart that evening:
despite his age, he has fallen madly in love with the young and attractive Elizabeth Weiland (MARGRET QUALLEY), who wants nothing to do with him other than platonic love.
She benefits from his numerous contacts and his great knowledge of art, music and literature.
When Elizabeth finally leaves with Richard Rogers at the end of the evening for his private party, Lorenz Hart is left alone.
A few months later, he dies of pneumonia.

„Blue Moon, Margret Qualley+Ethan Hawke © Sony Pictures

Critics

At first glance, it seems to be a typical midlife crisis of an ageing man who is still longingly looking for young girls.
But Lorenz Hart is about much more: It is about his existence as a playwright and his reputation as a famous songwriter.
The helpless efforts to gain recognition from a young woman are actually just an expression of the desperation of a man who realizes that he has passed his peak.
The dialogues in LINKLATER once again take up a lot of space, with ETHAN HAWKE’s text being so much longer that in „Blue Moon“ it is almost a monologue.
That is also the film’s weakness.
While in the „Before…“ trilogy the man and the woman are given the same amount of space and text, in „Blue Moon“ it is almost only ETHAN HAWKE who speaks.
MARGET QUALLEY in the role of Elizabeth is only given a longer text passage once, when she tells Lorenz Hart about a love affair with a young man.

About MARGRET QUALLEY (*1994):
As the daughter of the US actress ANDIE MACDOWELL (“Four Weddings and a Funeral”), the path to her own acting career was laid out.
But she quickly grew out of the daughter role since she played Pussycat, a girl from the Charles Manson gang, in QUENTIN TARANTINO’s “Once upon a time in Hollywood” in 2019.
The hitchhiking scene with BRAD PITT, whom she tries to seduce, will surely remain in many people’s memories!

„Once upon a time in Hollywood“, Margret Qualley+Brad Pitt © Sony Pivctures

In the same year, MARGRET QUALLEY shot her first leading role in “The Salinger Year”.
A film about a young literature student who does an internship at a New York literary agency that represents the well-known author J. D. SALINGER and also gets to know him.
The film was in competition at the 70th Berlinale in 2020 (kultur24 reported).

And with the 2024 film “The Substance” (kultur24 reported), MARGRET QUALLEY has finally made her breakthrough.
She plays the younger self of the leading actress alongside DEMI MOORE.
This received a lot of praise and a Golden Globe nomination.
“The Substance” has been nominated three times for the 2025 Oscar.
MARGRET QUALLEY is now part of the new generation of superstars in Hollywood, along with TIMOTHÉE CHALAMET (*1995).

Conclusion: “Blue Moon” is a beautiful independent film with great actors. But it gets a bit long-winded and tiring in the long run. ETHAN HAWKE plays brilliantly.

Press conference for „Blue Moon“ with Margret Qualley and Ethan Hawke:

 

Author: Holger Jacobs

Founder & Editorial Director of kultur24.berlin ug.
Founder & Editorial Director of kultur24 TV on Youtube.
Former correspondent for fashion in Paris.
Photographer, writer and videographer.

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