Das neue Restaurant CELL in Berlin

Restaurant CELL in Berlin, Foto: Restaurant Cell

Das neue Restaurant CELL in Berlin

 

Von Josefine Kammerer

21.02.2019

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Ein Menü wie der Lauf eines Lebens

Eine weitere Neueröffnung des letzten Jahres, welcher besondere Beachtung geschenkt werden sollte, ist das „CELL“ des russischen Küchenchefs und Inhabers des „Hamlet & Jacks“ in St. Peterburg, EVGENY VIKENTEV. Es liegt auf der Uhlandstraße, auf Höhe des Kudamms und um die Ecke vom Institut français.

Restaurant CELL in Berlin, Foto: Josefine Kammerer

Sein Koch-Stil sei „stark von der Zeitgenössischen Kunst geprägt“, heißt es in der Pressemittelung. Deshalb wohl auch „Der unmögliche Würfel“ als Logo des Restaurants. Dieser ist eines der bekanntesten Werke von M. C. Escher, welches um die Darstellung perspektivischer Unmöglichkeiten, optischer Täuschungen und Wahrnehmungsphänomene kreist. Es geht um Objekte oder Gebäude, die auf den ersten Blick natürlich scheinen, doch auf den zweiten vollkommen widersprüchlich sind („unmögliche Figuren“). Die Lösung des Widerspruches ergibt sich aus der flächenhaften Darstellung in zwei Dimensionen und der Sinneswahrnehmung als dreidimensionales Gebilde. Es muss also eine Erweiterung der Sinneswahrnehmung stattfinden, was in der Kulinarik wohl in Bezug auf den Geschmack und das Plating gemeint sein soll.

The impossible box, 2006, M. C. Escher © M. C. Escher

Viel moderne Kunst schmückt das Restaurant, einige Elemente mögen auch ans Bauhaus erinnern, doch hauptsächlich erinnerte es mich eher an eine futurische designte französische Brasserie.
Für das Handwerk sorgt Evgeny und sein Team in der Küche. Einzelne, parzellierte, teils in sich geschlossene, an American Diner Booths oder Zugabteile erinnernde Sitzarrangements unterstreichen den Namen – CELL – die Zelle. Auch das Plating, besonders das Porzellan, harmoniert durch Formen, Struktur und Farbspielen sehr mit dem Stil des Restaurants.

Das Restaurant CELL in Berlin, Interieur, Foto: Cell

Zum Aufwärmen nach der kalten Anreise gab es vorweg eine wohltuende Wildpilzbouillon, abgeschmeckt mit Vogelbeere.

Zur Auswahl stehen zwei 9-Gänge Menüs (oder verkürzt als 6-Gänge Menü). Das „Time Steps“ – ein rein saisonales Menü und das „Roots Religion“ – ein vegetarisches, pflanzenbasiertes Menü – mit größtenteils heimischen Produkten, aber auch einige Zutaten und Elemente aus der asiatischen Küche.
Ungewöhnlich und erfreulich ist, dass hier beide Menüs parallel gewählt werden können, somit kann man sich zu zweit einen schönen Überblick über die verschiedenen Speisen machen und bei jedem Gang einen persönlichen Gewinner küren. Dies fiel bei uns an diesem Abend sehr ausgeglichen aus – wohingegen „Roots Religion“ zu Anfang die Nase vorn hatte, überzeugte das „Time Steps“ Menü insbesondere bei Hauptgang und Dessert.

Bei dem „Roots Religion“ Menü fing es mit eingelegten Pilzen und ein mit Curry abgeschmecktes Onsen-Ei an – ein nach japanischer Garmethode, bei 68 Grad für mindestens eine Stunde lang gekochtem Ei, wodurch Eiweiß und Eigelb eine ganz eigene, cremig geschmeidige und gleichmäßige Struktur bekommen.

Onsen Ei mit Pilzen und Curry, Restaurant CELL, Foto: Cell

Darauf folgte eine Komposition aus Kartoffel ummantelt mit Petersilienstaub, kondensiertem Joghurt und bestäubt mit einem Puder aus Liebstöckel (aufgrund der Ähnlichkeit zur Maggi-Würze auch Maggikraut genannt). Simple Zutaten doch raffiniert kombiniert und, ja man kann schon sagen, künstlerisch in Szene gesetzt.

Kartoffeln mit Petersilienstaub, Restaurant CELL, Foto: Cell

Besonders schön fand ich die gar philosophisch anregende Idee des „Time Steps“ Menüs, bei dem sich jeweils eine Zutat auch im nächsten Gang, in anderer Form oder Zubereitung, wiederfindet – denn jeder Schritt im Leben hat auch eine Auswirkung auf den nächsten, jeder auf unerwartete, überraschende Weise.
So gab es zunächst einen Taco aus Steckrüben mit Muschel, Buchweizenpuff und Yuzu-Gelee

Steckrüben Taco mit Muschel, Restaurant CELL, Foto: Josefine Kammerer

…und als nächsten Gang Saiblingfilet gewälzt in Steckrübenasche und übergossen mit einem süßlichen Steckrübendashi (japanischer Fischsud), würzig abgeschmeckt mit Lardo, italienischem Speck, und Senf.

Saibling mit Steckrüben Dashi, Restaurant CELL, Foto: Josefine Kammerer

Dem folgte weiter ein Wildschweintartar mit Kaviar vom Saibling, angemacht mit Cremes aus Fichte und Klee und damit auch anschließend bepudert.

Wildschwein Tartar mit Kaviar vom Saibling, Restaurant Cell, Foto: Cell

Oder der zart-rosafarbene und weiche Hirsch, mit dünnen, knackigen Kürbistranchen und Schwarzkohl, Mandarinenvinaigrette sowie einer Haselnusscreme.

Hirschfilet mit Kürbistranchen, Schwarzkohl in einer Mandarinenvinaigrette, Restaurant CELL, Foto: Josefine Kammerer

Darauf folgte ein erstes Dessert, in welchem der Kürbis eingelegt wurde, um diesen nun schön weich zu kriegen mit Chili, Basilikum und bestäubt mit Rosenpulver.

Desert mit Kürbis und Rosenpulver, Restaurant CELL, Foto: Cell

Auch der Abschluss des „Time Steps“ Menüs, ein Dessert, in dem die unterschiedlichen Kochtechniken der vorherigen Gänge angewendet werden, wie gepuffte Buchweizen, pulverisierter Safran, gelierte Paprika und einem Eis aus kondensierter Milch mit Malz abgeschmeckt, schließt das Thema schlüssig ab – das Kondensat eines Lebenszyklus.

Desert mit Eis Sorbet und Beilagen, Restaurant CELL, Foto: Josefine Kammerer

Zwar ist das Menü in Hinblick auf die angepriesene „Unmögliche Figur“ und damit verbundenen optischen Täuschungen und Wahrnehmungen noch ausbaufähig, insbesondere verglichen mit großen Namen der Gastronomie (GRANT ACHATZ DES ALINEA in Chicago, wo essbare Ballons oder nach Erdbeere schmeckende Tomaten serviert werden), dennoch überzeugend in seiner Innovation und Kreativität und für eine kulinarische Herausforderung zu empfehlen.

Restaurant Cell
Uhlandstrasse 172
10719 Berlin
Tel. 030 86332466
Di – Sa 18 – 21.30 Uhr

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The new Restaurant CELL in Berlin
Von Josefine Kammerer
01/21/2019

Another new opening last year that deserves special attention is the „CELL“ by the Russian chef and owner of „Hamlet & Jacks“ in St. Petersburg, Evgeny Vikentev. It is located on Uhlandstraße, at the height of Kurfürstendamm and around the corner from the Institut français.

His cooking style is „strongly influenced by contemporary art,“ as per press release, which explains why the so-called impossible cube is the restaurant’s logo. It is one of MC Escher’s best-known works, which depicts perspective impossibilities, optical illusions and perceptual phenomena. It is about objects or buildings that seem natural at first glance, but having a closer look are completely contradictory („impossible figures“). The solution to the contradiction results from the two-dimensional representation and sensory perception as three-dimensional entities. Therefore, there must be an expansion of sensory perception, in culinary arts probably in terms of taste and plating.

Modern art adorns the restaurant, some elements may reminiscent of Bauhaus, but mainly it reminded me of a futuristic designed French brasserie. Evgeny and his team take care of the handicraft in the kitchen. Individual, parcelled, partly self-contained seating arrangements resembling of American Diner Booths or train compartments underline the name – CELL. The plating, especially the porcelain, harmonises very well with the style of the restaurant through shapes, structure and colour schemes.

To warm up after the cold arrival a soothing wild mushroom broth, seasoned with rowanberry was served.

There are two 9-course menus to choose (or shortened as a 6-course menu). Time Steps – a purely seasonal menu and Roots Religion – a vegetarian, plant-based menu – with mostly regional products, but also some ingredients and elements from the Asian cuisine. Unusual and pleasant is that both menus can be chosen in parallel, so that one can get a nice overview of the different dishes and choose a personal winner for each course. This was very balanced for us that evening – whereas Roots Religion was ahead in the beginning, the Time Steps menu convinced particularly with the main course and dessert.

In the Roots Religion menu it started with pickled mushrooms and a curry-flavoured onsen tamago– an egg boiled according to a Japanese cooking method, at 68 degrees for at least one hour, giving the egg white and yolk the same creamy smooth consistency. This was followed by a composition of potato coated with parsley dust, condensed yoghurt and dusted with a powder of lovage (due to the similarity to Maggi seasoning also called Maggi-cabbage). Simple ingredients combined in a refined way and, yes, you can say, artistically staged.

I particularly liked the philosophically stimulating idea of the Time Steps menu, where one ingredient is also found in the next course, in a different form or preparation – because every step in life also has an effect on the next, each in an unexpected, surprising way. First there was first a taco of rutabaga with mussel, popped buckwheat and yuzu jelly and as a next course a char fillet rolled in ash of rutabaga and doused with a sweet rutabaga dashi (Japanese fish broth), spicy seasoned with lardo, Italian bacon, and mustard. This was followed by a wild boar tartare with char caviar, dressed with mousses of and powered with spruce and clover. Or the light pink and tenderly soft deer, with crunchy thin pumpkin slices and black cabbage, mandarin vinaigrette and a hazelnut cream. This was followed by a first dessert, in which the pumpkin was pickled to get it soft, served with chili, basil and powdered with rose.

The conclusion of the Time Steps menu, a dessert in which the different cooking techniques of the previous courses are used, such as popped buckwheat, powdered saffron, gelled peppers and a condensed milk ice cream with malt, completes the theme convincingly – the condensate of a lifecycle.

While the menu still leaves room for further development in terms of the advertised „impossible figures“ and thereby associated optical illusions and perceptions, especially compared with big names of culinary (Grant Achatz of Alinea in Chicago, where eatable balloons or tomatoes tasting like strawberry are served), it nonetheless is convincing in its overall innovation and creativity and is recommended for everyone fancying a culinary challenge.

Restaurant Cell
Uhlandstrasse 172
10719 Berlin
Tel. 030 86332466
Di – Sa 18 – 21.30 Uhr

Author: Josefine Kammerer

Josefine Kammerer arbeitet bei einem Incubator von Unternehmen in Berlin und ist Besitzer des neuen israelischen Restaurants AVIV 030 in Berlin-Neukölln. Während eines Sabbatical besuchte sie eine Kochschule in Südamerika und betätigt sich in Berlin als Foodguide für das online Kulturmagazin kultur24.berlin.

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