von Holger Jacobs
26.10.2014. Mit „Der Untergang der Nibelungen“, frei nach dem Theaterstück von Friedrich Hebbel von 1860, geht das Maxim Gorki Theater tief in die deutsche Seele. Denn es gibt kaum eine andere Literatur, die so sehr als „deutsch“ empfunden wird, wie eben die Nibelungensage – ein deutsches Nationalepos.
Das Nibelungenlied:
Im 18. Jahrhundert hatte man alte Schriften aus dem 13. Jahrhundert entdeckt, die von einer Sage am Hof König Gunthers in Worms erzählten. Die Geschichte besteht aus 39 Abschnitten, als Aventüren bezeichnet, an deren Ende steht: „daz ist des Nibelunge liet“ – Das Nibelungenlied. Im 19. Jahrhundert diente die Story mehreren Autoren als Vorlage zu Dramen und Musikstücken. Die bekanntesten sind wohl Richard Wagners Opernzyklus „Der Ring der Nibelungen“ und das Bühnenstück „Der Untergang der Nibelungen“ von Friedrich Hebbel, welches Regisseur Sebastian Nübling im Maxim Gorki Theater als Grundlage für eine eigene Interpretation des alten Stoffes nahm.
Worum geht es?
Held Siegfried, der sich den Nibelungenschatz von König Nibelung (ein Zwergenvolk aus dem Norden) und eine Tarnkappe von Zwerg Alberich aneignen konnte und beim Kampf mit einem Drachen durch dessen Blut unverwundbar wurde, kommt an den Hof König Gunthers, um Krimhild, die Schwester des Königs zu heiraten. Dieser wiederum versucht Brunhild, die Königin von Island, für sich zu gewinnen, Brunhild erwählt aber nur den Mann zum Gatten, der sie besiegen kann. Gunther bittet nun Siegried ihm beim Kampf mit Brunhild zu helfen, was dieser auch tut. Als Dank dafür bekommt er Krimhild zur Frau. Doch auch in der Hochzeitsnacht schafft es Gunther nicht sich Brunhild gefügig zu machen und Siegfried wird abermals um Hilfe gebeten. Dank des Tarnumhanges kann er Brunhild unerkannt bezwingen. Dabei entreißt er Brunhild ihren Gürtel. Als Krimhild diesen später bei ihrem Mann entdeckt und ihn zur Rede stellt, erzählt er ihr die Geschichte. So kommt es, dass Krimhild bei einer späteren Begegnung der beiden Frauen, gereizt durch Beleidigungen Brunhilds, ihr hämisch die Wahrheit über deren Hochzeitsnacht erzählt. Beschämt und verletzt verlangt Brunhild von König Gunther und seinen Brüdern Siegfried zu töten. Die wiederum bedrängen Hagen von Tronje, der Vertraute des Königs, die Tat auszuführen. Durch einen Trick erfährt er von Krimhild die einzige verwundbare Stelle an Siegfrieds Körper. Bei einem Jagdausflug ersticht Hagen Siegfried von hinten. Nach dem Tod Siegfrieds schwört Krimhild Rache und gibt keine Ruhe, bis sie eines Tages mit Hilfe ihres neuen Ehemannes Etzel Hagen den Kopf abschlagen kann.
Sebastian Nübling verlegt die Geschichte in ein zeitlich neues Umfeld. Einziges Requisit auf der Bühne ist ein großer, zerbeulter Mercedes der S-Klasse (Bühne und Kostüme: Eva-Maria Bauer). Er dient als Liebesnest, Schlafplatz und Treffpunkt. Die Iszenierung kommt mit viel Schwung daher, die Darsteller sind in moderne Outfits gekleidet und tanzen nach Elektro-Pop Musik (siehe auch das Video dazu im Anhang). Die Szene könnte in einer schmierigen Autowerkstatt der heutigen Zeit spielen, in der eine Jugendgang ihre Zeit verbringt. Einzig die Sprache Hebbels, die immer wieder von neuzeitlichen Textpassagen unterbrochen wird, zeigt, dass das Stück vor 150 Jahren geschrieben wurde. Und auch der Hergang der Geschichte würde sich wohl heute nicht mehr so abspielen. Doch dadurch bekommt das Stück einen besonderen Reiz. Ein spannender Theaterabend, der sich an ein aufgeklärtes und jüngeres Theaterpublikum richtet. Starke schauspielerische Leistungen. In Erinnerung bleiben besonders Dimitrij Schaad als Hagen von Tronje und Sesede Terziyan als Krimhild.
Nächste Vorstellungen am 30. und 31. Oktober 2014, jeweils um 19.30 Uhr. 3 Stunden Spieldauer mit 1/2 Std. Pause.
- Gunther, Giselher, Gerenot und Hagen von Tronje
- Krimhild (Sesede Terziyan)
- Gunther (Tim Porath) steht auf Brunhild (Till Wonka)
- Siegfried (Taner Sahintürk) ist gekommen, um Krimhild zu erobern
- Das Werben ist erfolgreich
- Brunhild gibt sich nur einem Mann hin, wenn der sie im Kampf besiegt
- Siegfried und Krimhild
- Ein verliebtes Paar
- Doch Gunther hat so seine Probleme, er wird von Brunhild vom Autodach gestoßen…
- Gunther und Hagen bitten Siegfried, Gunther beim Werben um Brunhild zu helfen
- Siegfried schleicht sich (unerkannt durch einen Tarnanzug) zu Brunhild, während sie denkt es ist Gunther
- Beim Liebeskampf mit Brunhild hat Siegfried ihr einen Gürtel geraubt, den Krimhild findet (Moschino-Gürtel)
- Sie ist davon sehr begeistert, Siegfried weniger
- Siegfried muss ihr die Wahrheit sagen, wo der Gürtel herkommt
- Brunhild, die nichts mitbekommen hat, ist ganz begeistert von der Stärke Günthers
- Bei einem Treffen der beiden Frauen wird Krimhild von Brunhild beleidigt, worauf die schnippisch die Wahrheit über Brunhilds Liebesnacht erzählt
- Brunhild fühlt sich gedemütigt und verraten
- Die Gesellschaft will auf eine Jagd. Hagen kann durch einen Trick Krimhild dazu bringen, ihm Siegfrieds einzige verwundbare Stelle zu zeigen
- Beim Abschied schwant Krimhild nichts gutes und versucht Siegfried zurückzuhalten
- Die Jagd artet zur Orgie aus
- Bei einer günstigen Gelegenheit ersticht Hagen Siegfried von hinten
- Er hat die einzige Stelle getroffen, an der Siegfried verwundbar ist
- Krimhild klagt an und schwört Rache
- Nach vielen Jahren ist Krimhild mit Etzel (gespielt von Nora Abdel-Maksoud) verheiratet
- Sie laden die Burgunder zu einem Fest ein, bei dem die Gefolgsleute Etzels die Burgunder angreifen
- Gunther und seine Brüder versuchen Hagen allein die Schuld für den Tod Siegfrieds zu geben
- Krimhild klagt an
- Hagen weist die Vorwürfe zurück, schließlich hätte Krimhild ihm selbst die verwundbare Stelle Siegrids verraten
- Doch Krimhild ist unerbittlich
- Alle Burgunder werden gefangengenommen
- Werbel (Cynthia Micas), ein Gefolgsmann von Etzel
- Die Kinder von Etzel und Krimhild treten auf und singen das Nibelungenlied
- Doch auch sie werden von Hagen getötet
- Zum Schluss nimmt das Stück unter Regisseur Sebastian Nübling eine jehe Wendung: Es kommt nicht zum großen Gemetzel, bei dem im Originaltext alle sterben, sondern die Gesellschaft setzt sich hin und macht ein Selfie…
Author: Holger Jacobs
Founder & Editorial Director of kultur24.berlin ug.
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Former correspondent for fashion in Paris.
Photographer, writer and filmmaker.