Empire in der Schaubühne Berlin

Empire - Third Part of Europe Trilogy by Milo Rau / IIPM

Empire in der Schaubühne Berlin

 

Von Camilla Hertz

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23.09.2016

Wenn Mitgefühl im Zuschauerraum spürbar wird

Milo Raus „Empire“ feierte am 08. September in der Schaubühne Premiere. Im dritten Teil der „Europa Trilogie“ erzählen vier Schauspieler aus Griechenland, Rumänien und Syrien ihre biografischen Erlebnisse über Familie, Flucht, Tod und Trauer.

Die vier Protagonisten werden in dem Stück zu Stellvertretern des europäischen Schicksals seit der griechischen Antike. So gewährt der Grieche Akillas Karazissis einen Einblick in die griechische Mythologie, indem er Medeas Drama mit seinem eigenen verknüpft. Die Rumänin Maia Morgenstern weist mit ihrer Familiengeschichte eine der zahlreichen Schicksale des Antisemitismus auf, während die beiden Syrer Rami Khalaf und Ramo Ali Stellvertreter und Opfer der jüngsten Ereignisse sind.

Anschaulich berichten die Schauspieler in fünf Akten abwechselnd von Kindheitserlebnissen, ihren Familien, Trauer, Flucht und der Suche nach einer Heimat.
Ihre biografischen Erlebnisse geben sie in ihrer Muttersprache wieder und werden dabei von einem der anderen Schauspieler gefilmt.

Die Geschichten sind so eindrücklich und raumgreifend, dass es keiner großen Kulisse bedarf. Sie besteht aus einer unaufgeräumten aber dennoch gemütlichen Wohnküche, die auf der Rückseite ein verbranntes Haus darstellt. Über der Wohnküche erscheint auf einer Leinwand die synchrone Übertragung der Filmaufnahmen. Diese Projektion führt eindrücklich zu zwei Effekten: Einerseits wirken die Schauspieler distanziert, sie scheinen fast die Funktion eines Nachrichtensprechers einzunehmen. Andererseits wird der Zuschauer direkt im Großformat von der Leinwand aus angesprochen. Die Geschichte rückt dadurch unweigerlich noch näher.

Das zweistündige Stück erlebt seinen tragischen Klimax, als Fotos von ermordeten syrischen Folteropfern gezeigt werden. Rami Khalaf erzählt wie er auf der Suche nach seinem Bruder 12.000 Fotos angesehen habe. In diesem Moment sind Schock und Mitgefühl des Theatersaals deutlich spürbar.

Gegen Ende wird die griechische Tragödie der Medea mit den Schicksalsschlägen der Schauspieler verwoben. Maia Morgenstern tritt aus ihrer Erzählperspektive heraus und verwandelt sich für einen kurzen Moment in die tragische griechische Figur selbst.

„Ungeheuer ist viel und nichts ungeheurer als der Mensch“ (aus Sophokles Antigone) fällt mir auf dem Weg nach Hause ein. Diese Tatsache ist – auch wenn es schmerzhaft ist – nicht neu. Aber die autobiografische Aufstellung als Repräsentanz der griechischen Antike bis in die Gegenwart wird wahrhaftig und großartig dargestellt.

„Empire“
auf Kurdisch, Griechisch, Arabisch und Rumänisch mit deutschen Untertiteln
mit: Maia Morgenstern, Ramo Ali, Akillas Karazissis und Rami Khalaf
Konzept, Text und Regie: Milo Rau
Musik: Eleni Karaindrou
Bühne und Kostüm: Anton Lukas
Video: Marc Stephan

nächste Vorstellungen: 5. und 6. November 2016
Schaubühne Berlin
Kurfürstendamm 153
10709 Berlin

Empire - Schaubühne Berlin - Maia Morgenstern © Marc Stephan

4 Fotos: Empire – Schaubühne Berlin – Maia Morgenstern © Marc Stephan

 

Author: Camilla Hertz

Studentin der Psychologie auf der MSB Medical School Berlin, Masterstudiengang

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