Endstation Sehnsucht am Thalia Theater Hamburg

Endstation Sehnsucht-Thalia-Theater-Hamburg © Kraft Angerer

Endstation Sehnsucht am Thalia Theater Hamburg

 

Von Julia Engelbrecht-Schnür

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20.04.2016

Tennessee Williams hätte sicher seine Freude an dieser Inszenierung gehabt, in der Regisseur Lars-Ole Walburg die beiden Schwestern Blanche und Stella DuBois um ihr Verhältnis ringend über eine kippelige Landschaft aus Schaumstoffquadern krabbeln läßt. Wie ein Gebilde des großen Illusionskünstlers Escher wirkt die ästhetisch gelungene Kulisse (Florian Lösche), die beizeiten durch Farb-Licht-Projektionen optisch ins Wanken gerät. Blanche, gespielt von der fabelhaften Karin Neuhäuser, versucht, sich in diesem instabilen Labyrinth ohne sichtbaren Ausgang zurechtzufinden, während ihre Schwester Stella (Patrycia Ziokowska) sich leichtfüssig tänzelnd wie auf einem Spielplatz zu Hause fühlt. Der etwas angestaubte Klassiker „Endstation Sehnsucht“ erfährt am Thalia Theater ein erfrischendes Revival ohne Pause, mit viel Beifall und berührenden Dialogen.

Der 1947 in New York uraufgeführte und mit dem Pulitzerpreis ausgezeichnete Bühnenerfolg, der später mit Marlon Brando in der Rolle des brutalen „Polacken“ Stanley Kowalski zum Filmhit wurde, dreht sich um die Konfrontation zwischen dem alten und neuen Amerika, Träumerei und Realismus, Südstaatenidylle und polnischem Einwanderer-Alltag, Hollywood und Hinterhof. Blanche, die gestrandete Lehrerin, die nicht nur den Familienbesitz, sondern auch ihren Gatten verloren hat, zeigt sich enttäuscht von den Lebensverhältnissen ihrer Schwester Stella, bei der sie Unterschlupf samt neuer Lebensperspektive erhofft hatte. Die Wohnung ist beengt, ungepflegt und von pokernden Freunden des Schwagers Stanley Kowalski (Florian Lösche) belagert. Alles dreht sich um Fun, Alkohol und Sex.

Geschickt läßt Regisseur Walburg szenische Längen entstehen. Es sind die Leerräume der eintönigen Beziehungen, die nur noch von der Lust oder Unlust des Daseins bestimmt sind. Als Blanche erfährt, dass ihre Schwester schwanger ist, flammt in ihr Hoffnung auf, die Lebensumstände vor allem für das Baby herumreißen zu können, aber Stella stellt unmissverständlich klar, dass sie ihr Leben akzeptiert und keinen Bedarf nach Änderung verspürt. Blanche verzweifelt, trinkt und sucht Zuflucht bei Mitch (Stephan Bissmeier), einem der Kumpel ihres Schwagers. Das Drama, das unabsichtlich oft zur Komödie mutiert, nimmt seinen Lauf und gipfelt in dem überzeugenden Sauf-Duett von Blanche und Stanley. Ein Schlagzeugsolo reicht, um die brutale Vergewaltigung fühlbar zu machen.

Endstation Sehnsucht
Thalia Theater
Hamburg
Regie: Lars-Ole Walburg, Bühne: Florian Lösche, Kostüme: Heide Kastler
Karin Neuhäuser (Blanche), Patrycia Ziolkowska (Stella), Sebastian Zimmler (Stanley)

Nächste Vorstellungen: 26. April, 8., 14. und 20. Mai 2016

 

Endstation Sehnsucht, Sebastian Zimmler (Stanley), Patrycia Ziolkowska (Stella), Karin Neuhäuser (Blanche) © Krafft Angerer

Endstation Sehnsucht, Sebastian Zimmler (Stanley), Patrycia Ziolkowska (Stella), Karin Neuhäuser (Blanche) © Krafft Angerer

Author: Julia Engelbrecht-Schnür

Journalistin

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