Franz Kafka. Der ganze Prozess

Graphic Novel von Montellier nach Franz Kafka Der Process @ Knesebeck Verlag

Franz Kafka. Der ganze Prozess

 

Von Holger Jacobs

28.6.2017

Um es gleich vorne weg zu sagen: Wer hier eine Mammut Schau über den großen Schriftsteller erwartet, der wird enttäuscht.

In nur 2 Räumen werden unzählige (kaum leserliche) Manuskriptseiten von Kafka in Glaskästen gezeigt und ca. 50 alte Vintage Fotografien aus der damaligen Zeit, die teilweise so klein sind, dass man ein Vergrößerungsglas bräuchte, um alle Einzelheiten zu erkennen.

Warum die Ausstellung dennoch lohnt, liegt natürlich an der Bedeutung dieses Mannes für die deutsche Literatur und an den besonderen Hintergründen, die in diesen Manuskriptseiten stecken.

Franz Kafka 1915 mit 32 Jahren, Passfoto @ Archiv Klaus Wagenbach

Wer war Franz Kafka?

Franz Kafka wurde 1883 in Prag in einer jüdischen Familie geboren. Seine Muttersprache war Deutsch (vor dem 1. Weltkrieg gehörte Prag noch zum Österreichisch-Ungarischen Kaiserreich). Er machte eine Ausbildung zum Juristen mit Promotion und verdiente sich Zeit seines Lebens seinen Unterhalt als Versicherungsangestellter.

Schon in seiner Studienzeit begann Franz Kafka zu schreiben und sein Freund aus diesen Tagen, Max Brod, konnte diese Arbeiten bald beim Rowohlt Verlag in Leipzig publizieren lassen. 17 größere und kleinere Werke wurden auf diese Weise noch zu seinen Lebzeiten veröffentlicht, so zum Beispiel „Das Urteil“, 1913 oder „Die Verwandlung“, 1915.

Hauptinhalt seiner Arbeiten ist eine nicht klar zu definierende, allgegenwärtige Bedrohung. Das bekannte Wort „kafka-esque“ bezeichnet eine bedrohliche Situation, der man nicht ausweichen kann. Franz Kafka ist bis heute der meistgelesene Autor deutscher Sprache.

Der Jugendfreund Max Brod, ca. 1910 © Archiv Klaus Wagenbach

„Der Prozess“

Franz Kafka hatte ein sehr schwieriges Verhältnis zu Frauen. Kaum dass er ihnen nahe kaum, wollte er sich auch schon wieder von ihnen entfernen. Insgesamt war er in seinem Leben mit drei Frauen verlobt, zu einer Heirat kam es jedoch nie. Kinder gab es ebenfalls nicht, weder eheliche noch uneheliche. Als Gründe wird eine latente Homosexualität angenommen, Beweise dafür gibt es aber nicht.

Hotel Askanischer Hof in Berlin © buk/ F. Albert Schwartz

Die Entstehung des Romans „Der Prozess“ beruht auf ein einschneidendes Erlebnis mit einer seiner Verlobten. Im Jahr 1912 hatte Franz Kafka Felice Bauer kennengelernt. Sie sahen sich zwar nur selten, hatten aber einen intensiven Briefverkehr. Im Juni 1914 kam es zur Verlobung, nur 6 Wochen später wurde sie aber wieder gelöst.

Auslöser war wohl ein Gespräch von Franz Kafka mit seiner Verlobten Felice Bauer am 12. Juli 1914 im Hotel Askanischer Hof in Berlin (das Haus existiert heute nicht mehr; das Grundstück, Stresemannstrasse 110, befindet sich aber nur einen Steinwurf vom Martin-Gropius-Bau entfernt). Anwesend waren auch die Schwester von Felice, Erna, und Felice Freundin Greta Bloch. Dieses Gespräch empfand Franz Kafka später als Gerichtsverhandlung. Anscheinend hatten die Frauen ihm allerhand Vorwürfe gemacht.

Felice Bauer und Franz Kafka in Budapest 1917, @ Archiv Klaus Wagenbach

Einen Monat später begann Franz Kafka mit der Niederschrift des Romans “ Der Prozess“, indem ein gewisser Josef K. eines Morgens verhaftet wird, ohne sich einer Schuld bewusst zu sein. Der Prozess gegen ihn wird insgesamt 1 Jahr dauern, an dessen Ende er zum Tode verurteilt und in einem Steinbruch erstochen wird.

Der gesamte Prozessverlauf jedoch ist aber mehr als absurd. Weder wird er in eine Zelle eingesperrt, noch finden die Gerichtsverhandlungen in einem ordentlichen Gericht statt. Und bis zuletzt gibt es keine Anklageschrift.

Franz Kafka schrieb an dem Roman „Der Prozess“ bis Anfang 1915, jedoch ohne ihn zu beenden. Dennoch entstanden 400 Manuskriptseiten. Aber er hatte währenddessen schon mit anderen Erzählungen begonnen.

Im Jahr 1917 erkrankte Franz Kafka an Tuberkulose, von der er sich bis zu seinem Tod im Jahre 1924 nicht mehr erholte. Als es ihm von 1922 an immer schlechter ging übergab er viele seiner Manuskripte, darunter auch mehrere unvollendete Werke wie „Der Prozess“, an seinen Freund Max Brod. Kurz vor seinem Tod, am 3. Juni 1924, sagte er ihm noch, er möge die Manuskripte nach seinem Tod vernichten.

Doch Max Brod vernichtete die Manuskripte nicht, so dass die wichtigsten Werke Kafkas, wie eben „Der Prozess“, „Das Schloss“ und „Die Verschollenen“ (von Brod unter dem Titel „Amerika“ veröffentlicht), dennoch, wenn auch nur als Fragmente, der Öffentlichkeit zugängig gemacht werden konnten.

Eine Manuskriptseite aus „Der Prozess“, Ausstellung „Franz Kafka. Der ganze Prozess“, Foto: Holger Jacobs

Max Brod flüchtete 1939 kurz vor dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Prag nach Palästina und nahm u.a. die Manuskripte Kafkas mit. Kurz vor seinem Tod schenkte er sie seiner Lebensgefährtin Esther Hoffe. Die 171 Manuskriptseiten zu „Der Prozess“ verkaufte sie später an einen Sammler.

Im Jahr 1988 tauchten diese 171 Seiten des Original Manuskripts von Kafkas „Der Prozess“ in einer Auktion bei Sotheby’s in London auf. Der deutsche Antiquar Heribert Tenschert erwarb sie für 1 Million Pfund und veräußerte sie anschließend zum selben Preis an das Deutsche Literaturarchiv in Marburg, welches auf Schriften politisch verfolgter und geächteter Autoren spezialisiert ist.

50 dieser Manuskriptseiten sind nun im Original in der Ausstellung im Martin-Gropius-Bau zu sehen. Die zusätzlichen 50 Vintage Fotografien aus der Zeit Anfang des 20. Jahrhunderts stammen aus der Sammlung von Klaus Wagenbach.

Viele Theaterstücke wurden in den letzten Jahren nach Werken von Franz Kafka konzipiert. Das Deutsche Theater Berlin wird seine neue Spielzeit 2017/18 mit „Amerika“ („Die Verschollenen“) eröffnen in der Regie von Dušan David Pařízek.

Franz Kafka. Der Prozess
30. Juni – 28. August 2017

Museum Martin-Gropius-Bau
Niederkirchnerstrasse 7
10963 Berlin
Mi-Mo 10-19 Uhr, Di geschlossen

8 Bilder: Ausstellung „Franz Kafka. Der ganze Prozess“, Foto: Holger Jacobs

 

Author: Holger Jacobs

Founder & Editorial Director of kultur24.berlin ug.
Founder & Editorial Director of kultur24 TV on Youtube.
Former correspondent for fashion in Paris.
Photographer, writer and filmmaker.

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