La Damnation de Faust in der Staatsoper Berlin

La Damnation de Faust © Holger Jacobs

La Damnation de Faust in der Staatsoper Berlin

 

Von Holger Jacobs

28.5.2017

🙂 🙂 🙂 🙂 (vier von fünf)

Hintergrund und Handlung

Es gibt wohl kaum einen Text in der deutschen Literatur der bekannter wäre als der „Faust“ von Johann Wolfgang von Goethe.

Zahlreiche Autoren haben das Thema über den nach Wissen und Jugend strebenden Mann aufgegriffen, der sich mit dem Teufel verbündet, um das zu erreichen, was er allein nicht erreichen kann. Und mehrere Musikkomponisten nahmen den Text als Vorlage für eine Vertonung.

Allein in Berlin laufen zurzeit vier Faust Produktionen:

Im Berliner Ensemble Goethes Faust I + II, in der Volksbühne die siebenstündige Inszenierung von Frank Castorf, in der Deutschen Oper Berlin „Faust“ des franz. Komponisten Charles Gounod (1859). Und jetzt „La Damnation de Faust“ von Hector Berlioz (1846) in der Staatsoper.

Hector Berlioz schrieb seine Komposition zunächst als konzertante Version, erst später wurde daraus eine vollständige szenische Oper. Dabei hielt er sich nur ungefähr an die Vorlage. Berlioz‘ Faust besteht aus vier Teilen, die keinem direkten Handlungsstrang folgen.

Hector Berlioz 1864

Terry Gilliam, Mitbegründer der Monty Python Gruppe in England, hat das Werk in Szene gesetzt. Dabei ist es keine ganz neue Inszenierung. Schon 2011 hatte er diese für das English National Opera House in London entworfen. Danach wurde sie in Antwerpen und Palermo gezeigt.

Terry Gilliam versetzt das Stück in das Deutschland der 20er und 30er Jahre. Für ihn ist der Teufel gleichbedeutend mit den Nazi-Schergen und die Hölle das Nazi-Deutschland unter Adolf Hitler.

Teil 1 beginnt in Ungarn, wohin Faust gegangen ist, um die Natur zu genießen und sich seinen Studien zu widmen. Er wird gestört durch den Gesang von Feldarbeitern. Währenddessen kommen die Kaiser und Könige Europas zusammen und wollen den Kontinent neu unter sich aufteilen. Der Ausbruch des 1. Weltkriegs scheint unausweichlich.

Teil 2 beginnt mit Faust’s Stube, in die er zurückgekehrt ist, um seine Studien zu vertiefen. Währenddessen ist in Europa der Krieg ausgebrochen mit Millionen von Gefallenen. Faust sieht die Grausamkeit und die Toten der Gasangriffe und will Selbstmord begehen. Plötzlich taucht ein Herr in rotem Sakko auf und entführt Faust in das wilde Leben der 20er Jahre mit leichten Mädchen, wilden Gelagen und ausschweifendem Leben. Faust ist fasziniert, zumal er ein schönes Mädchen in seinen Träumen wahrgenommen hat. Gleichzeitig herrscht in den Strassen ein erbarmungsloser Kampf linker gegen rechter Gruppen. Faust bittet Mephisto die Frau aus seinen Träumen Wirklichkeit werden zu lassen.

Mit Hilfe einer rot gekleideten Dame, wie aus dem Bild der Tänzerin Anita Berber von Otto Dix aus dem Jahr 1925, verwandelt Mephisto Faust in einen attraktiven, jungen Mann.

Anita Berber auf einem Bild von Otto Dix @ Plakat der Kunstsammlung NRW

Nach der Verwandlung befinden wir uns plötzlich auf einem eleganten Fest von Nazi-Größen. Faust wohnt einer Aufführung bei, die sehr an eine Oper von Richard Wagner erinnert. Im Hintergrund steht ein Mann auf einer Bergspitze und schaut in die Landschaft wie auf einem Gemälde von Caspar David Friedrich. Eine Tanzgruppe betreibt Körperkultur, wie aus einem Film von Leni Riefenstahl. Faust sieht zum ersten Mal Marguerite. Seht dazu auch unser Video auf kultur24.berlinTV

Teil 3 zeigt Marguerite in ihrem Zimmer. Bei Terry Gilliam ist sie eine Jüdin, die verzweifelt versucht arisch zu sein, um nicht in einem Konzentrationslager zu enden. Sie setzt sich eine blonde Perücke auf, steckt sich einen Blumenkranz ins Haar und zieht ein Dirndl an.

Faust hatte sich mit Hilfe von Mephisto in ihr Zimmer geschlichen und sich hinter einem Vorhang versteckt. Jetzt kommt er hervor und gibt sich zu erkennen. Mit Hilfe Mephistos Zauberei kann Faust Marguerite für sich gewinnen. Beide versinken in ihr Bett.

In Teil 4 sitzt Faust wieder allein in der Natur (Arie: „Invocation à la Nature“). In einem Feuer werden Bücher verbrannt. Marguerite hat er mittlerweile verlassen.

Mephisto erzählt ihm, dass Marguerite von der Gestapo entdeckt und abgeholt wurde. Sie soll in einem Güterwagen zu einem Vernichtungslager gebracht werden. Faust ist entsetzt und bittet Mephisto darum Marguerite zu retten. Dieser ist einverstanden unter der Bedingung, dass Faust ihm seine Seele verschreibt. Faust willigt ein.

Beide rasen (hier auf einem Motorrad) in einem Höllenritt (Video: Finn Ross)  mitten hinein in das Fegefeuer. Dort wartet schon Marguerite, die hingerichtet werden soll. Doch während die Seele Gretchens Dank ihres Glaubens gerettet wird, fährt Faust endgültig in die Hölle (und wird bei Terry Gilliam auf einem Hakenkreuz aufgespießt).

Applaus am Premierenabend, „La Damnation de Faust“, Staatsoper Berlin © Holger Jacobs

Kritik:

Eine furiose Inszenierung einer furiosen Oper. Hochspannung bis zum Schluss wie in einem neuzeitigen Krimi. Die Umsetzung der Handlung in das 3. Reich scheint nachvollziehbar. Das Nazi Regime als Hölle zu sehen überzeugend. Vor allem die fantastischen Bühnenbilder (Bühne: Hildegard Bechtler) und die ausgefeilte Lichtregie (Licht: Peter Mumford) unterstreichen die düstere Atmosphäre.

Musikalisch ist der Abend durch Dirigent Sir Simon Rattle ein wahrer Genuss. Die Stimmen aller drei Hauptcharaktere können überzeugen, besonders der Mezzosopran von Magdalena Kozena war für mich ein besonderes Vergnügen. Der Chor war wunderbar eingestellt von Chorleiter Martin Wright.

Bei der Premiere gestern Abend vor ausverkauftem Haus gab es entsprechend großen Beifall für alle Beteiligten, nur als der vermeintliche Regisseur Terry Gilliam auf die Bühne trat, gab es viele Buhrufe. Letztlich war Terry Gilliam aber gar nicht gekommen (er dreht zurzeit in Spanien), sondern der Lichtmanager Peter Mumford wurde für ihn gehalten und musste die nicht gerechtfertigte Kritik einstecken. Leider hatte ich dadurch den Eindruck, dass im Publikum viele ältere Herrschaften saßen, die nach wie vor mit der Nazi-Vergangenheit Schwierigkeiten haben. Schade.

Dafür verlief die anschließende Premierenfeier umso harmonischer. Sogar Regisseur Frank Castorf war gekommen. Er verriet mir, dass er wohl nach seiner Zeit bei der Volksbühne sowohl für die Staatsoper und eventuell auch für die Deutsche Oper arbeiten würde. Mit Thomas Ostermeier gäbe es ebenfalls Gespräche.

Mehrere Gläser Crémant beruhigte dann die aufgewühlte Seele und entließ einen entspannt in die laue Sommernacht.

Nächste Vorstellungen: 1., 4., 9. und 11. Juni 2017, Staatsoper im Schillertheater, Bismarckstrasse 110, 10625 Berlin

50 Bilder: Faust (Charles Castronovo), „La Damnation de Faust“, Staatsoper Berlin © Holger Jacobs

 

Author: Holger Jacobs

Founder & Editorial Director of kultur24.berlin ug.
Founder & Editorial Director of kultur24 TV on Youtube.
Former correspondent for fashion in Paris.
Photographer, writer and filmmaker.

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