Mercedes-Benz Fashion Week Berlin 2. Tag

Lena Hoschek S/S 2016 "En Provence" © Holger Jacobs

Mercedes-Benz Fashion Week Berlin 2. Tag

Von Gil Jung

Gil Jung

Gil Jung

08.07.2015. Von der Mode erwarten wir oft, dass sie das Rad neu erfindet und uns mit atemberaubenden Showstopper-Kreationen ein begeistertes „Oooh!“ entlockt – unabhängig davon, ob sich Träume besser verkaufen, als Tragbares. Andererseits ist Berlin weder Paris, noch London, Mailand oder New York und fährt mit seinem modischen Pragmatismus am besten. Gestern, am ersten Tag der Mercedes-Benz Berlin Fashion Week 2015, die allen genannten Modemetropolen voran den Trends des nächsten Sommers vorweg greift, wurde gezeigt, was deutschsprachige Labels am besten können: Wearables. Damit sind tragbare Outfits gemeint, die sich richtig anfühlen ohne einen Hauch von Exaltiertheit. Sehr schade nur für Berlin, dass sich das Datum der Präsentationen am Brandenburger Tor mit dem Paradegaul der Mode überschnitte, der prestigeträchtigen Haute Couture, die zeitgleich an der Seine an den Start ging und nicht nur mediale Branchenriesen wie die Vogue in die organisatorische Bredouille brachte.

Berlin öffnete am Dienstag mit Sopupular, einer japanisch inspirierten Herrenmarke, gefolgt von Lena Hoschek, die das glatte Gegenteil verkörpert. Die einst als Dirndl-Designerin angefangene Österreicherin, die in unserm Land weitaus populärer zu sein scheint, als in ihrem eigenen, nahm ihr Publikum unter dem Titel „En Provence“ mit in die für sie typische, verzauberte Retro-Welt der 50er und 60er Jahre und huldigte der Weiblichkeit, wie kaum ein anderer. Kleider, Kleider und nochmals Kleider lautete Hoscheks Credo, der es gelang, Romantik auf eine unverkitschte Art zu transportieren. Zu sehen waren florale, provencalische Drucke in mattbunten, authentischen Farben zu femininen Bustier- und Halternecktops, gesmokten, schulterfreien Blusen, schwingenden, knapp kniebedeckten Röcken, Kleidern in klassischer A-Linie, aber auch viel Bodenlanges und Hochzeitstaugliches mit romantischen Blumenkränzen im Haar. Ebenso ein Thema: aufwendige Baumwollspitzen, Lochmuster, Volants, viel strahlendes Weiß und schmale, hohe Taillen als feminin-eleganter Blickfang. Alles in allem eine wunderbar sehnsuchtsvolle Kollektion, die mit Frauen das macht, was ein Dirndl macht und womit wir wieder zu Hoscheks Anfängen kämen: eine Frau auf eine fließende, lebendige, sinnliche und nicht sexistische Art einfach nur gut aussehen zu lassen.

Lena Hoschek - Mercedes-Benz Fashion Week Berlin S/S 2016 © Holger Jacobs

Lena Hoschek – Mercedes-Benz Fashion Week Berlin S/S 2016 © Holger Jacobs

Völlig gegensätzlich zu Hoschek präsentierte sich die Kollektion des Berliner Designer-Duos Martin Eichler und Kristina Puljan unter dem Label Vektor, wobei auch Vektor bei allem Purismus eine gewisse Romantik nicht abzusprechen war. Vektor zeigte, dass eine schlichte, sehr gradlinige Form nicht zwangsläufig trist, kühl und freudlos rüberkommen muss. Von der Architektur der Schnitte war viel Schmales, Hohes und Körperumspielendes zu sehen, das wie eine Frontalansicht auf eine futuristische Siedlung edler Gebäude mit überlappenden Anbauten und Sichtachsen anmutete. Ganz konsequent in den drei Farben Weiß, Blau und Nude gehalten überzeugte Vektor mit schmalen Silhouetten, Lagenlooks und Ton-in-Ton-Aussagen. Herrlich leicht und 2.0 wirkten die Zwischenschnitte aus Bermuda, Herrenrock und Tunika der Unisex-Kollektion, die die Geschlechter trotz allem Unisexismus nicht angleichte, sondern unterstrich. Männer und Mädels in kastigen Mesh-Sweatern, Kleider und Hemden mit offenen Nähten, stumpf abgeschnitten, Jeans-Jacken mit fensterförmigen Intarsien – all das wirkte luftig, clean und extrem modern. Ein bisschen fast wie ein Touch von Jil Sanders Ultra-Purismus, aber mit deutlich spürbaren, eingehauchtem Leben.

Morgen gehts es weiter…

Vektor - credit: Mercedes-Benz Fashion Week Berlin S/S 2016

Vektor – credit: Mercedes-Benz Fashion Week Berlin S/S 2016

Author: Gil Jung

Journalistin und Public Relation Managerin, schrieb viele Jahre für die Lifeystyle-Seite der Welt am Sonntag

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