Mercedes-Benz Fashion Week Berlin 3. Tag

Hien Le S/S 2016 © Holger Jacobs

Mercedes-Benz Fashion Week Berlin 3. Tag

Von Gil Jung

Gil Jung

Gil Jung

09.07.2015. Man könnte sich darin verlieren, zu definieren, was Mode ist. Fest steht, dass sie verdammt viele Gesichter hat und einen nicht zu unterschätzenden wirtschaftlichen Faktor darstellt. Wenn in Paris Hollywood-A-Lister wie Emily Blunt oder Clive Owen die Frontreihen von Chanel und Armani mit Feenstaub benetzen und dem jeweiligen Modehaus einen Image-Schub verpassen, glänzen bei uns Fernanda Brandao und Udo Walz, was nicht nur, aber auch eine Frage des Geldes ist. Immerhin hat uns Mercedes-Benz das holländische Topmodel Doutzen Kroes als Kühlerfigur auf ihrer G-Klasse und Testemonial der Fashion Week Berlin beschert. Also kann das alles nicht verkehrt sein. Schließlich ist die Frau ein Vicotria Secret Engel.

Mit lautem Hahnenschrei, dem Firmennamen entsprechend, weckte Anja Gockel gestern die Modecrowd an der Straße des 17. Juni. Die Koblenzerin mit Liebe zu großflächigen, floralen Prints gab den Fans, was sie haben wollten und das war seidig, feminin, flattrig, laut und bewährt. Zwischen den üblichen kaffeeklatschtauglichen Etuikleidern, die an 30- bis 60-jährigen Frauen mehr oder minder gleich aussehen, weißgrundig mit aufgedruckten Blüten-Aquarellen, mischten sich hochinteressante Jodphur-Pants, Jumpsuits und Missoni-artigen anmutende Outfits in Zackenmuster-Grafik, teils mit Cut-Outs und teils besser, als das italienische Original.

Anja Gockel - S/S 2015 - credit: Mercedes-Benz Fashion Week Berlin

Anja Gockel – S/S 2015 – credit: Mercedes-Benz Fashion Week Berlin

Hien Le, der König unter den Jung-Designern forderte im Kronprinzenpalais zum Frühsport heraus. Inspiriert von der Tennis-Ästhetik in Woody Allens Film „Match Point“ schickte der aus Laos stammende Designer cleane, frische Looks auf den Laufsteg, die bei aller Retro-Nostalgie auch Avantgarde durchscheinen ließen. Viel Ton in Ton war zu sehen in Apricot (auch für die Männer), Schneeweiß, Himmelblau und – als absoluter Eyecatcher – Kunstrasengrün. Die Looks modern und klassisch gehalten mit fließenden Stoffen, knielange, schmale Faltenröcke für die Damen, Shorts, unkomplizierte Kleider und Blusen mit kleinen Krägen, dazu weiße Tennissneaker mit Plateau. Die Herren bubihaft-hochgeschlossen in leichten Blousons, strengen Halbarmhemden und Shorts zu Birkenstöckern.

Hien Le - S/S 2015 - © Holger Jacobs

Hien Le – S/S 2015 – © Holger Jacobs

Bei Guido Maria Kretschmer fand sich mit lautem Getöse alles wieder, was je auf RTL einen Sendeplatz hatte. Jenny ElversMassimo Sinato („Let’s Dance“), Isabelle Edvardsson („Let’s Dance“)– und alle pretty, pretty, bevor die Show endlich Show sein durfte. Fein herausgeputzt wie für eine Cocktailparty im Rosamunde-Pilcher-Streifen präsentierte sich Kretschmers durchaus elegante Kollektion ohne Überraschungen und ohne Risiko. Zu sehen waren schmale, fließende Silhouetten, viele lange Roben und klassische Sommerlooks wie feminine Bustierkleider, Seidenbermudas, Marlene-Pants und Pumphosen in hellen Tönen. Sehr überzeugend: Edel-Pyjamas und Jumpsuits in nachtblauer Seide mit Tunnelzug. Überhaupt war alles Blaue ein Treffer ins Schwarze bei einem hohen Wareneinsatz, wie man in der Gastronomie sagen würde. An Stoffen hatte der Meister der Zielgruppe so wenig gespart wie an Prominenz.

 

Guido Maria Kretschmer - S/S 2015 - credit: Mercedes-Benz Fashion Week Berlin

Guido Maria Kretschmer – S/S 2015 – credit: Mercedes-Benz Fashion Week Berlin

So lieb der Guido, so düster die Esther. Aber Esther Perbandt hat schließlich auch ihr Publikum, und das mag es härter, edgy und avantgardistischer. Von wenigen, hellen Ausnahmen abgesehen, wird der Perbandt-Sommer 2016 dunkel, was durchaus erhellend gemeint ist. Perbandt will schließlich nicht gefallen, sondern performen. Das gelingt ihr gekonnt in Lagenlooks, Stofffülle und Models mit verlaufener Schminke.

Esther Perbandt - S/S 2015 - credit: Mercedes-Benz Fashion Week Berlin

Esther Perbandt – S/S 2015 – credit: Mercedes-Benz Fashion Week Berlin

 

Den hellen Gegenentwurf zu Perbandts Apokalypse zeigte Rebecca Rueztens fröhlich bunte Frieda-Kahlo-Show. Farbenfroh, romantisch und transparent in kräftigen Orange- und Rottönen ließ sich die Österreicherin gestern feiern und überzeugte mit Lebenslust und Leichtigkeit. Berlin ist eben bunt.

Rebekka Ruétz - S/S 2015 - credit: Mercedes-Benz Fashion Week Berlin

Rebekka Ruétz – S/S 2015 – credit: Mercedes-Benz Fashion Week Berlin

Author: Gil Jung

Journalistin und Public Relation Managerin, schrieb viele Jahre für die Lifeystyle-Seite der Welt am Sonntag

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