Oscar winner 2017: MOONLIGHT

Moonlight © DCM Filmproduktion

Oscar winner 2017: MOONLIGHT

 

Von Gil Jung

28.2.2017

„MOONLIGHT“  Drama – USA – 2016

Regie: Berry Jenkins
Cast: Alex R. Hibbert, Ashton Sanders, Trevante Rhose, Mahershala Ali, Naomie Harris
Filmverleih: DCM Filmproduktion

Mit den Oscars ist es ein bisschen wie mit dem demokratischen Rechtssystem: Recht haben bedeutet nicht recht bekommen. Auf die Oscars gemünzt heißt das: den besten Film abliefern bedeutet längst nicht, die Trophäe auch einzuheimsen. Bei Berry Jenkins Moonlight hätte sich das fast bewahrheitet, bis sich – noch live on stage – der große Irrtum herausstellte und nicht „La La Land“, sondern „Moonlight“ als Sieger des begehrten Goldjungens in der Königskategorie „Beste Regie“ hervorgehen konnte.

Was für ein Hollywood-Drama und eine großartige Wende! So hübsch, flockig, leicht, kribbelnd und bitter-sweet La La Land auch sein mag, so unter die Haut gehend, nachhaltig beeindruckend und brillant ist „Moonlight“, der nicht zu Unrecht von Kritikern der New York Times als bester Film des Jahres bezeichnet worden ist.

„Moonlight“ ist ein filmisches Triptychon von enormer, erzählerischer Intensität und visueller Brillanz, das in einem afro-amerikanischen Ghetto-Umfeld in Florida angesiedelt ist. In diesem Milieu, das es hart am Rande der Asozialität gerade noch vermag, den äußeren Schein eines vermeintlich einfachen Lebens zu erwecken, wächst Chiron als Sohn einer alleinerziehenden, drogensüchtigen Mutter (Naomie Harris) auf. ‚Little’ wie der Zehnjährige von seinen Schulkameraden genannt wird, ist immer wieder Opfer von Mobbing-Attacken, Hänseleien und tätlichen Übergriffen, dem er wenig entgegenbringen kann, außer einer erstaunlichen inneren Haltung und einem wachen Auge für Fluchtwege.

Einziger Anker in seinem Leben ist Juan, beeindruckend verkörpert von Mahershala Ali, der für seine überragende Darstellung den Oscar als bester männlicher Nebendarsteller gewann. Für das verlorene Kind (Alex R. Hibbert) wird Juan der Ersatzvater, der es behutsam öffnet, Liebe gibt, kluge Lebensweisheiten, Humor und Wärme verströmt, aber gleichzeitig als Crackdealer Teil des Systems darstellt, das die Welt von Little zerstört. Der Konflikt zwischen der süchtigen Mutter und Juan als ihrem Dealer, der er fatalerweise ist, ist einer der besonders starken Parts von Moonlight. Er bringt die ganze Zerrissenheit der Charaktere zum Vorschein, ohne auch nur ansatzweise gängige Klischees zu bedienen.

Zu diesem nicht-bedienten Klischees gehört auch die sich abzeichnende Homosexualität des Jungen, die in der zweiten und dritten Sequenz verdeutlicht wird. Regisseur Berry Jenkins lässt sie auf eine subtile, fast poetische Art anklingen, die leise und greifbar traurig mitschwingt, ohne jedoch die eigentliche Einsamkeit des Jungen darunter zu verdecken. Als Highschool-Teenager (Ashton Sanders) verwirrt Chiron seine Gefühlslage, die er erst langsam realisiert und ihn noch angreifbarer macht. Er ist ihr in jeder Beziehung schutzlos ausgeliefert durch die härter werdenden physischen Anfeindungen seiner Mitschüler, den tieferen Fall seiner Mutter und ohne den Schutz von Juan, der fort ist. Nur dessen barbiedoll-süße Freundin nimmt sich des Jungens liebevoll an, wenn er es zulässt.

Im dritten Part sprengt Chiron seine Fesseln. ‚Black’ wie er sich jetzt nennt ist physisch zu einer Kampfmaschine mutiert, ganz Muskeln und harte Schale. Doch erkennbar ist immer noch der sensible Kern, der im völligen Kontrast zu seinem neuen Äußeren steht. Nur ein guter, einziger Freund aus Kinder- und Jugendtagen erkennt das – aber auch hier Fehlanzeige, was Klischees betrifft. Trevante Rhodes verleiht dem erwachsenen, erstarkten Chiron enorm viel Verletzlichkeit wie er die große Herausforderung aufnimmt und sich seiner Vergangenheit stellt.

„Im Mondlicht sehen schwarze Jungs blau aus“, flüstert Juan anfangs dem kleinen Chiron zu wie ein wundervolles Geheimnis. In Moonlight geht es darum wie es sich anfühlen muss jung, schwarz, männlich und heranwachsend zu sein. Es geht um Identitätsfindung und das, was den Kern des eigenen Daseins ausmacht – eingepackt in eine moderne, überwirkliche Farb- und Bildergewalt, die beeindruckt und einem Soundtrack, der das Ganze in eine Klammer packt. Wahrlich Oscar-reif!

13 Bilder: Alex R. Hibbert und Mahershala Ali, „Moonlight“ © DCM Filmproduktion

 

Author: Gil Jung

Journalistin und Public Relation Managerin, schrieb viele Jahre für die Lifeystyle-Seite der Welt am Sonntag

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