Sarah Moon – Deichtorhallen Hamburg

© Sarah Moon, Deichtorhallen Hamburg

Sarah Moon – Deichtorhallen Hamburg

Liebe Kulturfreunde,

mit großer Freude möchte ich heute unsere Korrespondentin in Hamburg, Julia Engelbrecht-Schnür, vorstellen.
Mein großer Wunsch ist es, neben Berlin auch aus anderen Städten mit tollen Museen, spannendem Theater und aufregenden Operninszenierungen zu berichten.
Hamburg liegt mir dabei besonders am Herzen, weil es meine Geburtsstadt ist.

Julia Engelbrecht-Schnür arbeitet seit vielen Jahren als Journalistin. Ihre Stationen waren die Bild-Zeitung in Hamburg, die Berliner Zeitung und die Dresdner Morgenpost.
2009 schrieb sie ein vielbeachtetes Buch über Demenz, das die Situation und das Schicksal der Angehörigen thematisiert: „Wo bist Du“ im Verlag Hoffmann und Campe.
Heute berichtet uns Julia über die Ausstellung der berühmten Modefotografin Sarah Moon in den Hamburger Deichtorhallen:

„Sarah Moon – Now and Then“

Von Julia Engelbrecht-Schnür

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Weltweit zum ersten Mal ist das Gesamtwerk der Fotografin Sarah Moon zu sehen – und zu bestaunen in einer Schau in den Deichtorhallen in Hamburg. Ja, man staunt über diese märchenhaft diffusen Bilder, die ihren Ursprung irgendwo zwischen Traum und Mystik haben und zugleich formal, farblich und im Sujet so kraftvoll sind.
Die zierliche Fotografin, die eigentlich Marielle Warin heißt, Tochter eines Franko-Amerikaners und einer Mutter mit deutsch-französisch-algerischen Wurzeln ist, lächelt verlegen, während sie auf der Vernissage am vergangenen Donnerstag Autogramme schreibt. Nein, mit so vielen Fans habe sie nicht gerechnet. All die Fotografen und Interviewanfragen…mon dieu.

Dabei ist die 74jährige Künstlerin seit jungen Jahren gewohnt, selbst im Scheinwerferlicht zu stehen. Schon mit 19 Jahren lief sie in Paris und London über den Laufsteg als gefragtes Mannequin für die Haute Couture. Es waren die swinging 60s und 70s. Gesellschaftliche Zwänge lösten sich auf, die Zeitschriftenlandschaft florierte, die Modehäuser experimentierten mit der neuen Weiblichkeit. Mit 30 Jahren entschied Sarah Moon, den Laufsteg zu verlassen und sich ganz der Fotografie zu widmen. Schon 1972 gestaltete sie als erste Frau den Pirelli-Kalender. Jahrelang arbeitete sie als Fotografin für die Modefirma Cacharel. Es folgten auch Aufträge von Dior, Chanel und Comme des Garcons. Sie hat das geschafft, wovon viele Models träumen: den Sprung vom Laufsteg an den Auslöser; und zwar als Autodidaktin. Chapeau!

 

Wie groß ihr künstlerische Talent und Können ist, zeigt sich nicht nur in den 350 Fotoarbeiten, die in den weitläufigen Räumen der Deichtorhallen zu sehen sind, sondern auch anhand der Zeichnungen und Entwürfe, die Sarah Moon für ihre Filmarbeiten anfertigte. Da sitzt jeder Strich, jede Schattierung, die Perspektive. Detailversessen entwirft sie mit Bleistift die storyboards zu ihren Filmsequenzen, die den Betrachter ebenfalls in das Land der Träume, Wünsche und Ängste entführen. Ähnlich wie Cindy Sherman, deren Arbeiten zur Zeit in einer sehr empfehlenswerten Ausstellung im „me collectors room“ der Olbricht Stiftung in Berlin zu sehen sind, beschäftigt auch Sarah Moon vor allem bei ihren Filmarbeiten der Stoff aus der Märchen- und Fabelwelt. Aber anders als die verstörende und entblößende Ästhetik einer Cindy Sherman bleibt Sarah Moons Darstellung eher schablonenhaft, universell. Als wolle sie ihren persönlichen Ausdruck bremsen, erscheinen ihre filmischen Arbeiten im Vergleich zu denen ihrer amerikanischen Kollegin emotional verhalten, fast anonym.

 

Einen gewissen Hang zum Unpersönlichen, so könnte man meinen, haftet ihrem ganzen Werk an, wäre da nicht diese innige Urgewalt an Farbe und Form. Ähnlich wie ein Max Beckmann verankert sie schwarze Linien und silhouettenhafte Frauengestalten gekonnt in farblich komplementären Flächen aus Rot und Grün oder Gelb und Violet. Sie spielt mit der unkontrollierbaren Farbigkeit von Polaroids, franst die Bildränder aus. Und selbst, wenn es nur um eine zittrige Mohnblüte im Großformat geht, gleitet Sarah Moons Fotografie nie ab in Blumenkitsch. Die herbe Struktur ihrer analogen Arbeiten verhindert, dass ihre floralen Sujets oder kindhaften Frauenkörper in sentimentale „Mood-Photography“ abdriften.

 

It’s all about looks and charme and futility“, beschreibt Sarah Moon an diesem Abend das Wesen ihrer Fotografie und kokettiert ungeniert, genau so, wie man es von einer Französin erwartet. Dann gibt sie das letzte Autogramm und entschwindet in die Menge der Bewunderer.

Sarah Moon – Now and then“,

bis 21. Februar,
Haus der Photographie, Deichtorhallen,
Deichtorstrasse 1-2,
20095 Hamburg.
Geöffnet Di-So 11 bis 18 Uhr.

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Author: Julia Engelbrecht-Schnür

Journalistin

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