Die Grossherzogin von Gerolstein in der Komischen Oper

Die Grossherzogin von Gerolstein - Komische Oper © Jacobs/ kultur24.berlin

Die Grossherzogin von Gerolstein in der Komischen Oper

 

Von Dagmar Loewe

01.11.2020

Wertung: : 🙂 🙂 🙂 🙂 (vier von fünf)

English text

Riesiger Applaus für die brilliante Inszenierung von Barrie Kosky und den spielerisch–komödiantischen Auftritt von Tom Erik Lie als Großherzogin bei der Premiere am Samstag Abend.

Vor der Vorstellung trat Intendant Barrie Kosky auf die Bühne und sprach ernste Worte zum erneuten Shutdown aller Theater- und Opernhäuser.
Er verwies auf die fatalen Auswirkungen der politischen Gleichsetzung der Kulturbetriebe mit Vergnügungsstätten und sonstigen Freizeitaktivitäten hin, die nun trotz vorbildlicher Abstandsplanung wieder zu einer Schließung der großen Häuser führt. Er bat deshalb das Publikum sehr anrührend um Treue auch für die kleineren Ensembles und unabhängigen Musiker, was einen emphatischen Szenenapplaus zur Folge hatte.

Das Team der Komischen Oper hatte durch den veränderten Spielplan in Jahre 2020 diese Inszenierung in kürzester Zeit auf die Bühne bringen müssen; nur sechs Wochen blieben den Kostümbildnern unter Klaus Bruns, fabulöse, fantasiereiche und herrlichste, an den Historismus angelehnte, Kostüme zu entwickeln, die durch ihre raumgreifende Opulenz schon zwangsläufig nahe Kontakte verhinderten und für Staunen beim pandemiebedingt extrem ausgedünnten Publikum sorgten.

Handlung:

Die Großherzogin von Gerolstein kündigt ihren Besuch beim Militär an, um ihre Truppen zu inspizieren.
Dies passt in den Plan von General Bumm und Baron Puck, denn die Beiden planen einen Krieg, um die Großherzogin zu beschäftigen; diese langweilt sich nämlich leicht und könnte sich unter Umständen in militärische Angelegenheiten einmischen. Bumm und Puck versuchen deshalb auch seit einiger Zeit, sie mit dem einfältigen Prinz Paul zu verheiraten. Leider ist die Grossherzogin mehr an dem jungen Soldaten Fritz interessiert, den sie nun in schnellen Stufen bis zum General befördert, um ihn standesgemäß heiraten zu können.
Dies wiederum lässt die Generäle Bumm, Puck und Paul aus der Haut fahren – sie fürchten, den Einfluss auf die Regentin zu verlieren. Obendrein gewinnt Fritz in seiner neuen Funktion als General eine wichtige militärische Schlacht.
Doch zu ihrem Glück ist Fritz gar nicht an der Großherzogin interessiert und möchte lieber das Bauernmädchen Wanda heiraten.
In ihrer Ehre gekränkt wendet sich die Großherzogin nun wieder Bumm, Puck und Paul zu und Fritz wird kurzerhand degradiert.
Zum Schluss gibt Die Grossherzogin dem Drängen ihrer Berater nach und heiratet den langweiligen Prinz Paul. Fritz wird als einfacher Soldat von General Bumm in die Schlacht geschickt mit ungewissem Ausgang.

„Wenn man nicht haben kann, was man liebt, muss man lieben, was man hat.“

Der Anlass der Uraufführung von „La Grande-Duchesse de Gérolstein“ war die Weltausstellung 1867 in Paris. Die Uraufführung war nur mäßig erfolgreich, woraufhin Offenbach flugs den dritten Akt umschrieb. Anschließend wurde dann die Operette ein so großer Erfolg, dass die Pariser Presse meinte, die Weltausstellung sei nur ein Vorwand gewesen, um Offenbachs Operetten zu sehen.
Der Erfolg dieses Werkes ist wohl weniger in einem tiefgründigen Inhalt zu finden, als vielmehr in seiner wundervollen der Musik mit einprägsamen Melodien.

Unser Video mit Auszügen des 1. Aktes („Säbel-Couplet“):

Kritik

In der Komischen Oper wurde bei der Premiere am Samstag Abend, ähnlich wie damals bei Offenbach, nur in kleiner Besetzung mit 18 Musikern gespielt.
Unerwartet auch die musikalische Leitung an diesem Abend: Sie lag in den zarten Händen einer Frau.
Da der ursprünglich vorgesehene Maestro wegen Corona in Quarantäne musste sprang kurzfristig die russische Dirigentin Alevtina Ioffe ein. Mit viel Gefühl für den richtigen Rhythmus schwang sie gekonnt den Dirigentenstab.

Die zweite Überraschung des Abends: Keine große Operndiva singt die Großherzogin in der Inszenierung von Barrie Kosky (deren Partitur ohnehin nur auf eine Oktave und teils auf Sprechgesang angelegt ist), sondern ein Mann, der Norweger Tom Erik Lie, ein wahrhaft komödiantisches Genie.
Neben seiner perfekten Mimik und Gestik wechselte er auch mehrfach in die Sprache seines Herkunftslandes. Was kein Problem darstellte, da der Inhalt auch ohne Kenntnis des Norwegischen zu verstehen war.
Er verkörperte die Rolle in diversen Reifrockkleidern von mehreren Metern Durchmesser, wie auch später in einem Frack auf bühnenbreitem Sofa in dem Flair einer Marlene Dietrich oder Zarah Leander.

Insgesamt traten nur sieben Sänger des Ensembles und vier Tänzer auf. Letztere zunächst ebenfalls in Krinolinen gekleidet, später in hübschen, kurzbehosten Militäruniformen.
Überhaupt ist die Kostümierung des Ensembles ganz wunderbar. All die wichtigen Herren des Staates wirbeln in dicken Kostümen wie aufgeblasene Luftballone herum, mit kurzen Ärmchen und kleinen Köpfchen.

Dritte Überraschung des Abends: Es gibt kein Bühnenbild. Dafür umso opulentere Kostüme.
Die Musik ist ein typischer Offenbach: Schwungvolle, revueartige Melodien, wie beim „Säbel – Couplet“ im ersten Satz (siehe unser Video), wechseln sich mit romantischen Klängen ab, wenn z.B. die Großherzogin dem jungen Fritz ihre Gefühle offenbart.
Die Hochzeitsmusik für Fritz und Wanda im dritten Akt erinnert dann sehr an die vor Lebensfreude sprühende Musik eines Wolfgang Amadeus Mozart.

„Die Grossherzogin von Gerolstein“ von Jacques Offenbach
Komische Oper Berlin
Premiere war am 31.10.2020
Musikalische Leitung: Alevtina Ioffe, Inszenierung: Barrie Kosky, Kostüme: Klaus Bruns, Choreographie: Damian Czarnecki
Mit: Tom Erik Lie (Die Grossherzogin), Ivan Turšić (Fritz), Alma Sadé (Wanda), Jens Larsen (General Bumm), Tijl Faveyts (Baron Puck), Christoph Späth (Prinz Paul), Christiane Oertel (Prinz Grog).
Tänzer*innen: Mariana Souza, Marcel Prét, Michael Fernandez, Lorenzo Soragni
Es spielt das Orchester der Komischen Oper Berlin
Nächste Vorstellungen: 7., 11., 22., 27., 31. Dezember 2020 und am 2. Januar 2021.

Unsere Bildergalerie mit 20 Fotos der Produktion:

Alma Sadé (Wanda) und Ivan Turšić (Fritz), „Die Grossherzogin von Gerolstein“ © Holger Jacobs/ kultur24.berlin

 

English text

The Grand Duchess of Gerolstein in the Komische Oper

By Dagmar Loewe


01/11/2020
Rating: 🙂 🙂 🙂 🙂 (four out of five)

Huge applause for the brilliant production by Barrie Kosky and the playful-comedic performance of Tom Erik Lie as Grand Duchess at the premiere on Saturday evening.

Before the performance, Director Barrie Kosky stepped on stage and spoke serious words about the renewed shutdown of all theaters and opera houses. He referred to the fatal effects of the political equation of cultural establishments with places of entertainment and other leisure activities, which now leads to the closure of the large houses again despite the exemplary distance planning. He therefore touchingly asked the audience for loyalty also for the smaller ensembles and independent musicians, which resulted in an emphatic applause from the scene.
Due to the changed program in 2020, the Komische Oper team had to bring this production to the stage in the shortest possible time; The costume designers under Klaus Bruns only had six weeks to develop fabulous, imaginative and wonderful costumes based on historicism, which due to their expansive opulence inevitably prevented close contacts and caused astonishment among the audience, which was extremely thin due to the pandemic.

Story:
The Grand Duchess of Gerolstein announces her visit to the military to inspect her troops. This fits in with General Bumm and Baron Puck’s plan, for the two are planning a war to keep the Grand Duchess busy; they get bored easily and might interfere in military affairs. Boom and Puck have therefore been trying for some time to marry her off to the simple-minded Prince Paul. Unfortunately, the Grand Duchess is more interested in the young soldier Fritz, whom she is now being promoted to general in quick steps so that he can marry him appropriately. This in turn makes the generals Boom, Puck and Paul blow out of their skin – they fear losing their influence on the regent. On top of that, Fritz wins an important military battle in his new role as general. Fortunately for her, Fritz is not at all interested in the Grand Duchess and would rather marry the peasant girl Wanda. Offended in her honor, the Grand Duchess turns back to Boom, Puck and Paul and Fritz is unceremoniously demoted. In the end, the Grand Duchess gives in to the insistence of her advisors and marries the boring Prince Paul. Fritz is sent into battle as a simple soldier by General Bumm with an uncertain outcome.
„If you can’t have what you love, you have to love what you have.“

The occasion for the world premiere of “La Grande-Duchesse de Gérolstein” was the 1867 World’s Fair in Paris. The first performance was only moderately successful, whereupon Offenbach quickly rewrote the third act. Then the operetta was so successful that the Parisian press said the world exhibition was just an excuse to see Offenbach’s operettas. The success of this work is probably less to be found in a profound content than in its wonderful music with memorable melodies.

Our video with cutouts from the first act:

Cristics:
In the Komische Oper, the premiere on Saturday evening was played in a small cast of 18 musicians, similar to Offenbach’s back then.
The musical direction that evening was also unexpected: it was in the delicate hands of a woman.
Since the originally planned maestro had to be quarantined because of Corona, the Russian conductor Alevtina Ioffe stepped in at short notice.
With a lot of feeling for the right rhythm, she skillfully swung the conductor’s baton.
The second surprise of the evening:
The Grand Duchess does not sing a great opera diva in Barrie Kosky’s production, but a man, the Norwegian Tom Erik Lie, a truly comedic genius.
In addition to his perfect facial expressions and gestures, he also switched several times to the language of his country of origin.
Which was not a problem as the content could be understood without knowing Norwegian.
He embodied the role in various hoop skirt dresses several meters in diameter, as well as later in a tailcoat on a stage-wide sofa in the flair of a Marlene Dietrich or Zarah Leander.

In total there were only seven singers in the ensemble and four dancers. The dancers were initially also dressed in crinolines, later in pretty, short-style military uniforms.
In general, the costumes of the ensemble are wonderful. All the important gentlemen of the state whirl around in thick costumes like inflated balloons, with short arms and small heads.
Third surprise of the evening:
there is no set design. But all the more opulent costumes.
The music is typical Offenbach: lively, revue-like melodies, as in the „Sword – Couplet“ in the first movement (see our video), alternate with romantic sounds, when the Grand Duchess reveals her feelings to the young Fritz.
The wedding music for Fritz and Wanda in the third act is very reminiscent of the joyful music of Wolfgang Amadeus Mozart.

“The Grand Duchess of Gerolstein” by Jacques Offenbach
Komische Oper Berlin, premiered on October 31, 2020
Musical director: Alevtina Ioffe, production: Barrie Kosky, costumes: Klaus Bruns, choreography: Damian Czarnecki,
With: Tom Erik Lie (The Grand Duchess), Ivan Turšić (Fritz), Alma Sadé (Wanda), Jens Larsen (General Bumm), Tijl Faveyts (Baron Puck), Christoph Späth (Prince Paul), Christiane Oertel (Prince Grog). Dancers: Mariana Souza, Marcel Prét, Michael Fernandez, Lorenzo Soragni The orchestra of the Komische Oper Berlin will play
Next performances (after the lockdown): December 7th, 11th, 22nd, 27th, 31st, 2020 and January 2nd, 2021.

Please find our picture series with 20 photo from the production:

20 photos: Alma Sadé (Wanda) und Ivan Turšić (Fritz), „Die Grossherzogin von Gerolstein“ © Holger Jacobs/ kultur24.berlin

 

Author: Dagmar Loewe

Beraterin für Einrichtungen, Garten- und Modedesign. Passionierte Opern- und Konzertbesucherin. Lebt und arbeitet in Hamburg.

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