Eröffnung der Berlinale 2025 – Tom Tykwer „Das Licht“

BERLINALE 2025 - Lars Eidinger © kultur24.berlin

Eröffnung der Berlinale 2025 – Tom Tykwer „Das Licht“

 

Von Holger Jacobs

16.02.2025

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Mit einer neuen Festspielleitung soll ein neuer Wind auf der Berlinale wehen

Zur Jubiläumsfeier der 75. Internationalen Filmfestspiele von Berlin bekam das Festival eine neue Leitung.
Die US-amerikanerin TRICIA TUTTLE wurde dazu berufen, die Doppelspitze der letzten Jahre mit CARLO CHATRIAN und MARIETTA RISSENBECK abzulösen. Warum?
Rissenbeck wollte nicht mehr und Chatrian lehnte es ab, die Führung alleine zu übernehmen.
TRICIA TUTTLE (*1970) kennt sich in der Filmwelt aus:
Nach einem Studium der Filmwissenschaft in England (Abschlussarbeit über den Regisseur TODD HAYNES, der dieses Jahr auch Präsident der internationalen Jury wurde).
Seitdem lebt sie mit ihrer Lebensgefährtin abwechselnd in London und Berlin.
Zuletzt war sie Leiterin des London Film Festivals.

Tricia Tuttle, Director BERLINALE -CC-Elena-Ternovaja

Skandale der Berlinale 2024

Die israel-feindlichen Kommentare mehrerer Preisträger des letzten Jahres bei der Abschlussfeier 2024 führten zu kontroversen Diskussionen.
Dies und andere israel-feindliche Aktionen von Studenten in Universitäten (Besetzung der Humboldtuniversität in Berlin) und Künstlern (Dokumenta V) führten am 7. November 2024 sogar zu einer Resolution im Deutschen Bundestag, in der zum Ausdruck gebracht wurde, dass „Jüdisches Leben in Deutschland zu schützen, zu bewahren und zu stärken“ ist.
Deshalb hat TRICIA TUTTLE zur Eröffnung der 75. Berlinale ein Statement verfasst, indem sie sich klar zur Meinungsfreiheit bekennt und deshalb auch Meinungen und äußere Kennzeichen für eine bestimmte Haltung bei der Kleidung der Festivalteilnehmer akzeptieren möchte.
Anstelle von Verboten möchte sie auf Dialog setzen.
Vor ihrem Amtsantritt musste TRICIA TUTTLE Rede and Antwort stehen vor dem Ausschuss für Kultur und Medien des Deutschen Bundestages.
Hier ein Ausschnitt aus ihrer damaligen Stellungnahme:
„Als internationales Festival ist es wirklich wichtig, dass wir weiterhin offen und einladend gegenüber allen Menschen auf der Welt sind…Wir versuchen Räume zu bewahren, wo israelische und palästinensische Filmschaffende sich ausdrücken können, dass sie sich sicher fühlen. Wenn der Dialog eskaliert oder es zu böswilligen Falschdarstellungen kommt, ist das nie hilfreich….und deshalb ist es für mich wichtig, dass wir als Verantwortliche deeskalieren, das Bewusstsein weiter schärfen und aus dem Dialog lernen.“

BERLINALE 2025, International Jury, ph: Sandra Weller

Berlinale 2025

TRICIA TUTTLE hat für ihre neue Ära fast alle bisherigen Strukturen des Festivals beibehalten, auch die einzelnen Programmpunkte und Filmreihen.
So gibt es nach wie vor neben dem eigentlichen Wettbewerb (19 Filme) die Reihen Berlinale Special (19 Filme), Panorama (36 Filme), Forum (40 Filme) + Forum Expanded (17 Filme). Neu ist nur die Reihe Perspectives für Erstlingsfilme (14 Filme).
Nur um die wichtigsten zu nennen
Insgesamt sind es dieses Jahr 240 Filme, die auf der Berlinale gezeigt werden.
Etwas weniger, als letztes Jahr (über 300).
Aber eine gewisse Verschlankung kann ich nur begrüßen!

Tilda Swinton, Golden Bear, Berlinale 2025 © Berlinale/ Instagram

Ehrenpreis für Tilda Swinton

Die britische Schauspielerin Tilda Swinton, die bereits 19 Mal in verschieden Funktionen Gast auf der Berlinale war, bekommt dieses Jahr den Goldenen Bären für ihr Lebenswerk.
In ihrem Statement sagte sie u.a.:
„Der vom Staat verübte und international ermöglichte Massenmord terrorisiert derzeit mehr als einen Teil unserer Welt aktiv. Von genau den Gremien verurteilt, die von den Menschen eigens zur Überwachung der Dinge auf der Erde ins Leben gerufen wurden, die für die menschliche Gemeinschaft inakzeptabel sind.“
Wie sie später äußerte, meinte sie damit nicht explizit den Israel-Palästina-Konflikt, sondern alle Kriege. In einem Interview bekannte sie sich später aber auch zu der BDS Bewegung, der den Boykott israelischer Waren und Kulturgüter auf der ganzen Welt anstrebt.
Sie erläuterte ihre Haltung dazu mit den Worten:
„Ich habe enormen Respekt und Verständnis dafür, dass die Menschen Wege finden müssen, um mächtig zu sein, denn wir alle haben mit diesem Gefühl der Machtlosigkeit zu kämpfen.“

Bei der Eröffnungsfeier erschien Umweltaktivistin LISA NEUBAUER mit einem langen, weißen Kleid, auf dem zu lesen war:
„Donald & Elon & Alice & Friedrich?

Lisa Neubauer © Instagram

„Das Licht“ von Tom Tykwer

Genau wie TILDA SWINTON ist der deutsche Regisseur TOM TYKWER (*1965) ein alter Bekannter der Berlinale.
Bereits 2002 war sein Film „Heaven“ der Eröffnungsfilm der 51. Berlinale.
Nur sieben Jahre später war sein Film „The International“ wieder der Eröffnungsfilm der 59. Berlinale und nun erhielt er mit seinem neusten Film „Das Licht“ schon zum dritten Mal die Ehre des Eröffnungsfilms (aber nicht im Wettbewerb). Zurecht?

Das neuste Werk von TOM TYKWER ist sein erster Spielfilm nach sieben Jahren, in denen er mit der erfolgreichen Fernseh-Krimi-Serie „Babylon Berlin“ beschäftigt war.
Umso mehr war er wohl bemüht all die Ideen hineinzupacken, die ihm in den letzten sieben Jahren in den Kopf gekommen sind.
Und wie sich nach der ersten Vorstellung vor der internationalen Presse herausstellte, war dies einfach zu viel.
Was auch schon die Überlänge von fast drei Stunden erahnen lässt.

Filmcrew „Das Licht“ with (left to right) Nicolette Krebitz, Julius Gause, Elyas Eldridge, Tom Tykwer, Lars Eidinger, ph: Richard Huebner

Worum geht es in „Das Licht“?
Zwei Handlungsstränge kommen zusammen und werden schicksalshaft miteinander verwoben.
Da wäre einmal die aus Syrien geflüchtete Farrah (TALA AL-DEEN), die auf der Flucht ihre gesamte Familie verloren hat und über den Schmerz nicht hinweg kommen kann.
Als Traumabewältigung hat sie sich an einen österreichischen Erfinder gewandt, der mit Hilfe von Lichtimpulsen Erinnerungen hervorholt, um sie besser bewältigen zu können.
Auf der anderen Seite gibt es die dysfunktionale Familie Engels mit dem Vater Tim (LARS EIDINGER), der Mutter Milena (NICOLETTE KREBITZ), der Tochter (ELKE BIESENDORFER), dem Sohn Jon (JULIUS GAUSE und Dio (ELYAS ELDRIDGE), der aus einer außerehelichen Beziehung der Mutter mit einem aus Afrika stammenden Mann kommt.
Während Farrah alles Wichtige in ihrem Leben verloren hat , geht es den Engels eigentlich finanziell gut und leben als normale deutsche Familie in gesicherten Verhältnissen.
Trotzdem schleppt jeder der Familie Engels ein Problem mit sich, dass eigentlich in keinem Verhältnis zu den furchtbaren Schicksalsschlägen steht, welches Farrah durchleben musste.
Doch keiner der Engels ist zufrieden.

„Das Licht („The Light“), Filmcrew © Medienboard/ instagram

Der Vater versucht in seinem Beruf erfolgreich zu sein und vernachlässigt dadurch seine Familie.
Seine Frau versucht sich in ihrem Beruf als Entwicklungshelferin mit aller Kraft hineinzuhängen, weil sie sich als typische Frau der heutigen Zeit glaubt unbedingt in einem Beruf verwirklichen zu müssen.
Dass sie dabei völlig unempfänglich für das Wärmebedürfnis ihres Mannes wird, merkt sie nicht.
Und die von beiden Elternteilen vernachlässigten Kinder flüchten sich entweder in wilde Party-Nächte und politische Untergrundaktionen, wie Tochter Frieda, oder in Spiele mit Videokonsolen, die den Sohn zu einem einsamen und sozial-amputierten Nerd machen.

„DAS LICHT“, Filmposter

Erst Farrah, die eines Tages als Haushaltshilfe zu den Engels kommt, kann die Familie wieder zusammenführen, da sie viel Empathie zeigt und zuhören kann. Aber sie verfolgt damit auch ein bestimmtes Ziel…
Filmisch und schauspielerisch ist der Film „Das Licht“von TOM TYKWER toll gemacht.
Besonders schön sind die Science Fiction Szenen, bei denen der Sohn mit einer Internetbekannten plötzlich im Westhafen von Berlin zu schweben beginnt oder auch die kurzen Gesangs- und Tanzeinlagen, die an ein Musical erinnern (ähnlich wie in dem Oscar-nominierten Film „Emilia Perez“).
Fazit: Tolle Schauspieler (besonders TALA AL-DEEN als Farrah!), tolles Drehbuch, aber einfach zu viel auf einmal gewollt.
Und deshalb mit drei Stunden Spiellänge zu lang.

Bilderserie 4 Fotos aus „Das Licht“:

Lars Eidinger „DAS LICHT“, ph: Frederic Batier/ X-Film

English

 

Opening of the Berlinale 2025 – Tom Tykwer „The Light“

 

By Holger Jacobs


February 16, 2025

With a new festival management, a new wind is to blow at the Berlinale

For the anniversary celebration of the 75th Berlin International Film Festival, the festival got a new director.
The American TRICIA TUTTLE was appointed to replace the dual leadership of the last few years with CARLO CHATRIAN and MARIETTA RISSENBECK.
Why? Rissenbeck no longer wanted to and Chatrian refused to take over the leadership alone.
TRICIA TUTTLE (*1970) knows the film world:
After studying film studies in England (final thesis on the director TODD HAYNES, who also became president of the international jury this year).
Since then, she has lived with her partner alternately in London and Berlin.
Most recently, she was director of the London Film Festival.

Tricia Tuttle, Director BERLINALE -CC-Elensa-Ternovaja

Scandals of the Berlinale 2024

The anti-Israel comments made by several of last year’s prizewinners at the 2024 graduation ceremony led to controversial discussions.
This and other anti-Israel actions by students in universities (occupation of the Humboldt University in Berlin) and artists (Dokumenta V) even led to a resolution in the German Bundestag on November 7, 2024, expressing that „Jewish life in Germany must be protected, preserved and strengthened.“

That is why TRICIA TUTTLE wrote a statement at the opening of the 75th Berlinale in which she clearly declared her commitment to freedom of expression and therefore also wants to accept opinions and external signs of a certain attitude in the clothing of festival participants.
Instead of bans, she wants to focus on dialogue.
Before taking office, TRICIA TUTTLE had to answer questions before the Committee on Culture and Media of the German Bundestag.
Here is an excerpt from their statement at the time:
„As an international festival, it is really important that we continue to be open and welcoming to all people in the world…We try to maintain spaces where Israeli and Palestinian filmmakers can express themselves, that they feel safe. When the dialogue escalates or there are malicious misrepresentations, that is never helpful…and that is why it is important to me that we as leaders de-escalate, continue to raise awareness and learn from the dialogue.“

BERLINALE 2025, International Jury, ph: Sandra Weller

Berlinale 2025

TRICIA TUTTLE has retained almost all of the festival’s previous structures for her new era, including the individual program items and film series.
In addition to the actual Competition (19 films), there are still the series Berlinale Special (19 films), Panorama (36 films), Forum (40 films) + Forum Expanded (17 films). A new series is Perspectives for first films (14 films).
Just to name the most important ones.
In total, there are 240 films being shown at the Berlinale this year.
Slightly fewer than last year (over 300).
But I can only welcome a certain streamlining!

Tilda Swinton, Golden Bear, Berlinale 2025 © Berlinale/ Instagram

Honorary Award for Tilda Swinton

The British actress TILDA SWINTON, who has already been a guest at the Berlinale 19 times in various roles, will receive the Golden Bear for her lifetime achievement this year.
In her statement she said (among others):
„The mass murder perpetrated by the state and enabled internationally is currently actively terrorizing more than one part of our world.
Condemned by the very bodies that were created by people specifically to monitor the things on earth that are unacceptable to the human community.“
As she later said, she did not explicitly mean the Israel-Palestine conflict, but all wars.
In an interview, however, she later also declared her support for the BDS movement, which aims to boycott Israeli goods and cultural assets around the world.
She explained her position on this with the words:
„I have enormous respect and understanding for the fact that people have to find ways to be powerful, because we all struggle with this feeling of powerlessness.“
At the opening ceremony, environmental activist LISA NEUBAUER appeared in a long, white dress that read:
„Donald & Elon & Alice & Friedrich?

Lisa Neubauer © Instagram

„Das Licht“ (The Light) by Tom Tykwer

Just like TILDA SWINTON, the German director TOM TYKWER (*1965) is an old acquaintance of the Berlinale. In 2002, his film „Heaven“ was the opening film of the 51st Berlinale. Just seven years later, his film „The International“ was the opening film of the Berlinale again and now, with his latest film „The Light“, he has received the honor of opening film for the third time (but not in competition). Rightly so?

The latest work by TOM TYKWER is his first feature film after seven years in which he helped to create the successful crime series „Babylon Berlin“ for television.

He was all the more keen to pack in all the ideas that had come into his head in recent years. And as it turned out after the first screening to the international press, this was simply too much. Which is also reflected in the excessive length of almost three hours.

Filmcrew „Das Licht“ with (left to right) Nicolette Krebitz, Julius Gause, Elyas Eldridge, Tom Tykwer, Lars Eidinger, ph: Richard Huebner

What’s about?

Two storylines come together and are fatefully intertwined.
First, there is Farrah (TALA AL-DEEN), a refugee from Syria who lost her entire family while fleeing and cannot get over the pain.
To help her deal with her trauma, she turned to an Austrian inventor who uses light pulses to bring back memories so that she can deal with them better.
On the other hand, there is the dysfunctional Engels family with father Tim (LARS EIDINGER), mother Milena (NICOLETTE KREBITZ), daughter (ELKE BIESENDORFER), son Jon (JULIUS GAUSE and son Dio (ELYAS ELDRIDGE), who comes from an extramarital relationship between the mother and a man from Africa.

While Farrah has lost everything important in her life, the Engels are actually doing well financially and live as a normal German family in secure circumstances.
Nevertheless, each of the Engels family carries a problem with them that is actually out of proportion to the terrible blows of fate that Farrah had to endure.
But none of the Engels are satisfied.
The father tries to be successful in his job and thereby neglects his family.
His wife tries to put all her strength into her job as a development worker because, as a typical woman of today, she believes she has to fulfill herself in a job.
She doesn’t notice that she is becoming completely unresponsive to her husband’s need for warmth.
And the children, neglected by both parents, either take refuge in wild party nights and underground political activities, like daughter Frieda, or in games with video consoles, which turn the son into a lonely and socially amputated nerd.
Only Farrah, who one day comes to the Engels as a domestic helper, can bring the family back together because she shows a lot of empathy and can listen.
But she also has a specific goal in mind…
In terms of cinematography and acting, “The Light” is well made.
The few science fiction scenes in which the son suddenly begins to float in the Westhafen of Berlin with an internet acquaintance are particularly beautiful, as are the short singing and dancing interludes that are reminiscent of a musical (similar to the Oscar-nominated movie “Emilia Perez”).

Conclusion: Great actors (especially TALA AL-DEEN as Farrah), great script, but simply too much at once.
And therefore too long with three hours playtime.

Picture series with four photos of „The Light“:

Lars Eidinger „DAS LICHT“, ph: Frederic Batier/ X-Film

 

Author: Holger Jacobs

Founder & Editorial Director of kultur24.berlin ug.
Founder & Editorial Director of kultur24 TV on Youtube.
Former correspondent for fashion in Paris.
Photographer, writer and videographer.

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