Theatertreffen Berlin 2017

Theatertreffen Berlin 2017 © Berliner Festspiele

Theatertreffen Berlin 2017

 

Von Holger Jacobs

8.5.2017

Das Theatertreffen in Berlin hat letzten Freitag begonnen. Dabei finden sich jedes Jahr die Liebhaber des Sprechtheaters ein, um die 10 besten Inszenierungen aus dem deutschsprachigen Raum zu sehen. Es findet auf verschieden Bühnen in Berlin statt, in erster Linie jedoch im Haus der Berliner Festspiele in Berlin-Wilmersdorf.

Auf der „Shortlist“ standen 38 Stücke auch aus Orten wie Bern, Bonn, Graz oder Essen, von denen man sonst wenig hört. Doch nur 10 konnten genommen werden (sonst müsste das Festival statt 2 Wochen wohl 2 Monate dauern).

Die 10 Gewinner sind:

– Aus dem Theater Basel: „Drei Schwestern“ nach Anton Tschechow , Text und Regie von Simon Stone

– Aus (u.a.) Berlin „Five Easy Pieces“ von Milo Rau (ebenfalls Regie), erarbeitet und aufgeführt an verschiedenen Orten in Europa; in Berlin wird es in den Sophiensälen gezeigt.
Es geht um den Fall Dutroux in Belgien, der wegen Kindesmissbrauch und mehrfachen Mordes an Kindern verurteilt wurde. Provokant: Das Stück wird von Kindern gespielt. Kein Stück für schwache Nerven!

– Aus der Volksbühne Berlin: „PFUSCH“ von Herbert Fritsch an der Volksbühne. Inhalt und Premierenkritik auf Kultur24 hier.

– Aus dem Konzert Theater Bern: „Die Vernichtung“ von Ersan Mondtag und Olga Bach. Wie sich das Paradies zu einer Horrorversion verändert. Aus dieser Produktion entstammt auch das Titelbild.

– Aus dem Schauspiel Dortmund: „Die Borderline Prozession“ von Kay Voges, Dirk Baumann und Alexander Kerlin. Ein Medienmix aus Film, Musik und Theater. Regisseur Kay Voges versucht in verschiedenen sich wiederholenden Szenen unsere heutige Medienwelt begreifbar zu machen.

– Aus dem Zollverein in Essen in Verbindung mit 7 weiteren Städten (darunter das HAU in Berlin und das Warhol Museum in Pittsburgh): „REAL MAGIC“ von der Performance-Gruppe Forced Entertainment. Eine scheinbare Quiz-Show mit drei Darstellern in absurder Dauerschleife.

– Aus dem Thalia Theater in Hamburg: „Der Schimmelreiter“ von Theodor Storm. Regie: Johann Simons

– Aus dem Schauspiel Leipzig: „89/90“ nach Peter Richter, Regie: Claudia Bauer. Ein Stück über die Wendezeit in Dresden, von der Rede Helmut Kohls im Dezember 1989 vor der Frauenkirche bis zur heutigen Pegida-Bewegung.

– Aus dem Staatstheater Mainz: „Traurige Zauberer“ von Thom Luz, Regie: Thom Luz. Eine magische Komödie mit viel Musik und verschiedenen Nebelmaschinen.

– Aus dem Residenztheater München: „Die Räuber“ von Friedrich Schiller, Regie: Ulrich Rasche. Das bekannte Stück kann aus organisatorischen Gründen leider nur als Film gezeigt werden.

4 Bilder: Theatertreffen Berlin 2017, Haus der Berliner Festspiele © Holger Jacobs

 

„Drei Schwestern“ nach Tschechow  in der Bearbeitung von Simon Stone aus dem Theater in Basel:

Regisseur Simon Stone hatte mich beim letzt-jährigen Theatertreffen mit seiner Inszenierung von „John Gabriel Borkman“ vom Wiener Burgtheater dermaßen „geflasht“, dass ich unbedingt seine neue Produktion am Theater Basel sehen wollte.

Die Besonderheit von Simon Stone ist die neue Sprache, die er den Stücken gibt. Dabei handelt es sich nicht einfach nur um neue Übersetzungen des Urtextes in die deutsche Sprache, sondern um einen völlig neuen Inhalt, der sich aber so nah wie möglich an das Original des Autoren hält.

Das heißt im Fall von Tschechows Stück, dass es sich immer noch um die drei Schwestern und deren Brüder und Liebhaber handelt, die sich in einem Landhaus treffen. Aber alle Gegenstände auf der Bühne und alle Textinhalte entsprechen unserer Zeit. Vom Handy als Kommunikationsmittel bis zur Diskussion über die Wahl von Donald Trump.

Bei „John Gabriel Borkman“ hat das wunderbar funktioniert und auch bei Tschechow geht die Idee auf. Doch der Tschechow ist deutlich komplexer und vielschichtiger als der Ibsen und somit wird das Geschehen auf der Bühne zu einem ziemlichen Durcheinander.

Simon Stone ließ einen Bungalow installieren, der sich dreht und in dessen Räume sich die Geschichte nacheinander oder auch gleichzeitig abspielt. Da der Bungalow Glaswände hat, hört der Zuschauer die Schauspieler nur per Lautsprecher. Mal ist die Szene im Wohnzimmer zu hören, mal im Schlafzimmer, mal in der Küche, mal auf dem Klo. Dabei fällt es nicht leicht der Handlung zu folgen. Wer spricht denn da gerade mit wem und über was? Ach ja, die Masha mit ihrem Liebhaber Alex. Und wer war das noch mal? Das müsste Nikolai sein, der mit Victor spricht, oder war das Herbert, genannt Bob…

Um die Kritik auf einen Punkt zu bringen: Ein spannender Abend mit vielen Lachern (wenn die Zuschauer Themen und Gegenstände aus der heutigen Zeit wiedererkennen). Der „John Gabriel Borkman“ aber vor einem Jahr war noch besser, weil noch stringenter, noch präziser in der Durchführung.

Nichtsdestotrotz hat mir der Abend viel Spaß gemacht und ich hoffe noch viele Inszenierungen dieses sicher außergewöhnlichsten Regisseurs seiner Generation zu sehen.

Das Theatertreffen Berlin läut noch bis zum 22. Mai 2017.

Haus der Berliner Festspiele
Schaperstraße 24
10719 Berlin

4 Bilder: Theatertreffen Berlin 2017, „Drei Schwestern“ nach Anton Tschechow © Sandra Then

 

Author: Holger Jacobs

Founder & Editorial Director of kultur24.berlin ug.
Founder & Editorial Director of kultur24 TV on Youtube.
Former correspondent for fashion in Paris.
Photographer, writer and filmmaker.

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