120 Jahre Brücke im Brücke-Museum Berlin
Von Holger Jacobs
- April 2025
Rating: 🙂 🙂 🙂 🙂 (vier von fünf)
Ein wichtiges Jubiläum lässt das Brücke-Museum in Berlin in einem neuen Glanz erscheinen.
Nicht viele Berliner kennen das weit vom Mittelpunkt Berlins entfernte Brücke-Museum, spezialisiert auf die Maler der Gruppe „BRÜCKE“ und weiterer Künstler im Umfeld dieser.
Wer z.B. aus dem Osten anreist und auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen ist, kann schon mal eine Stunde unterwegs sein.
Doch wer die Anfahrt nicht scheut wird belohnt:
Das Archiv des Museums enthält ca. 5000 Werke, darunter 400 Gemälde und Skulpturen, welche abwechselnd in immer wieder neuen Ausstellungen zusammengestellt werden.
Über eine EMIL NOLDE Ausstellung im Brücke-Museum 2016 habe ich auf kultur24 berichtet.
Wird die Anreise noch zusätzlich durch ein herrliches Frühlingswetter gekrönt, wie es mir am 28. März passiert ist, lohnt der Besuch besonders.
Eine strahlende Sonne über hochgewachsenen Pinien beleuchtete den Flachbau von Architekt WERNER DÜTTMANN aus dem Jahre 1967, welcher damals ganz im Stil des Bauhaus geplant wurde.
Doch mein Besuch galt nicht nur den schönen Rahmenbedingungen, sondern in erster Linie natürlich der wunderbaren Kunst des deutschen Expressionismus, der hier in der Künstlergruppe „BRÜCKE“ vor 120 Jahren seinen Ursprung fand.
Ähnlich wie nur wenige Jahre später die Gruppe „DER BLAUE REITER“ (zurzeit in der Ausstellung „Kosmos Blauer Reiter“ im Kupferstichkabinett in Berlin zu sehen, kultur24 berichtete) in München und Umgebung, experimentierten damals die jungen Künstler in Dresden mit neuen Formen der Darstellung von Mensch und Landschaft.
Die Formen lösten sich auf oder wurden verzerrt wie in Karikaturen.
Die Farben entsprachen nicht mehr der Realität, sondern dem Gefühl des Malers beim Betrachten der Gegenstände.
Eigentlich waren ERNST LUDWIG KIRCHNER, ERICH HECKEL, KARL SCHMITT-ROTTLUFF und FRITZ BLEYL Studenten der Architektur der TU Dresden.
Doch sie schlossen sich zu einer Gruppe zusammen, um ihren künstlerischen Vorstellungen freien Ausdruck zu verleihen.
Gründungstag war der 7. Juni 1905.
Nur FRITZ BLEYL verließ die Gruppe zwei Jahr später wieder, weil ihm eine Stelle als Lehrbeauftragter in Architektur angeboten wurde.
Eine feste Anstellung und ein festes Gehalt waren eben wichtiger. Trotzdem sind von ihm zwei Arbeiten in der Ausstellung zu sehen.
Später kamen noch MAX PECHSTEIN, OTTO MUELLER und EMIL NOLDE dazu.
120 Jahre Brücke
Für diese Ausstellung hatte sich die Direktorin des Museums, LISA MAREI SCHMIDT, etwas ganz Besonderes einfallen lassen:
Sie bat 120 Einwohner Berlins, sich aus dem großen Archiv des Museums ein Bild auszusuchen, welches in dieser Jubiläumsausstellung gezeigt werden sollte.
Zusätzlich zu der Auswahl wurde noch um eine schriftliche Begründung gebeten, welche später neben dem Bild zu sehen sein würde.
Personen von 4 – 94 Jahren mit den unterschiedlichsten Berufen wurden angesprochen.
Darunter sowohl berühmte Zeitgenossen, wie TV-Moderator GÜNTER JAUCH oder Berlins Regierender Bürgermeister KAI WEGNER bis zu Mitarbeitern des Museums oder der Postbotin DESIRÉE SCHULZ, die dem Museum jeden Tag die Briefe zustellt.
Etwas Besonderes ließ sich der bekannte Architekt ARNO BRANDLHUBER einfallen:
Er wählte das Bild „Sich kämmender Akt“ von ERNST LUDWI KIRCHNER aus dem Jahre 1913.
Allerdings wünschte er die Rückseite zu zeigen, mit einem weiteren Gemälde KIRCHNERS, welches dieser wohl verworfen hatte.
Interessant sind die Aufkleber auf der Rückseite des Rahmens:
Hier sehen wir den Werdegang des Bildes von der Ausstellung „Entartete Kunst“ 1938,
„Kirchner: Expressionism and the City“ in der Royal Academy of Arts in London 2003 und
„Meisterwerke des Expressionismus“ in der Kunsthalle Emden 2005.
Auch interessant: Die Auswahl der 4-jährigen ALMA LINA ROUMIGUIÈRE:
Sie nominierte das Bild „Zirkus“ von MAX PECHSTEIN aus dem Jahre 1911.
Auf diese Weise sind vielleicht nicht die schönsten Werke des Archivs zu sehen, macht die Ausstellung aber spannend und lädt zum Verweilen ein, will man all die Kommentare lesen, die die Gastkuratoren als Begründung für ihre Wahl hinterlassen haben.
Nach dem Besuch des Brücke-Museums noch schnell in das benachbarte Kunsthaus Dahlem, bei dem es sich um das ehemalige (riesige) Atelier von ARNO BREKER handelt, dem bevorzugtem Bildhauer ADOLF HITLERS.
Nachdem mir ein gewisser Schauer über den Rücken gelaufen ist, konnte mich der unglaublich köstliche Apfelkuchen des dazugehörigen Cafés wieder beruhigen.
Fazit: Ein in jeder Hinsicht aufregender Besuch einer spannenden Ausstellung.
Meine Empfehlung!
„120 Jahre Brücke“
Brücke Museum Berlin
Bussardsteig 9, 14195 Berlin
Mi – Mo 11 – 17 Uhr
Bilderserie mit 22 Fotos von ausgewählten Werken der Ausstellung:
English
120 Years of the Brücke at the Brücke Museum Berlin
By Holger Jacobs
Rating: 🙂 🙂 🙂 🙂 (four of five)
An important anniversary is shining a new light on the Brücke Museum in Berlin.
Not many Berliners are familiar with the Brücke Museum, located far from the center of Berlin.
It’s specialized in the paintings of the „BRÜCKE“ group and other artists associated with them.
Those traveling from Berlin-East, for example, and relying on public transportation can find themselves in a journey of up to an hour.
But those who aren’t afraid of the journey will be rewarded:
The museum’s archive contains approximately 5,000 works, including 400 paintings and sculptures, which are regularly assembled for new exhibitions.
If the journey is crowned by wonderful spring weather, as happened to me on March 28th, the visit is especially worthwhile. A bright sun over tall pines illuminated the low-rise building by architect Werner Düttmann, built in 1967 and designed entirely in the Bauhaus style.
I reported on an EMIL NOLDE exhibition at the Brücke Museum in 2016 on kultur24.
But my visit wasn’t just for the beautiful setting;
It was primarily, of course, for the wonderful art of German Expressionism, which originated here 120 years ago in the „BRÜCKE“ artists‘ group.
Similar to the „DER BLAUE REITER“ group (currently on display in the „Kosmos Blauer Reiter“ exhibition at the Kupferstichkabinett in Berlin, as reported by kultur24) in Munich and the surrounding area just a few years later, the young artists in Dresden at that time were experimenting with new forms of depicting people and landscapes.
The forms dissolved or became distorted, like caricatures.
The colors no longer corresponded to reality, but rather to the painter’s feelings when observing the objects.
The Brücke artists
ERNST LUDWIG KIRCHNER, ERICH HECKEL, KARL SCHMIDT-ROTTLUFF, and FRITZ BLEYL were actually architecture students at the Technical University of Dresden.
But they formed a group to freely express their artistic ideas.
The group was founded on June 7, 1905.
Only FRITZ BLEYL left the group two years later because he was offered a position as a lecturer in architecture.
A permanent position and a steady salary were more important. Nevertheless, two of his works are on display in the exhibition.
MAX PECHSTEIN, OTTO MUELLER, and EMIL NOLDE joined the group one year later.
120 years „Brücke“
For this exhibition, the museum’s director, LISA MAREI SCHMIDT, came up with something very special:
She asked 120 Berlin residents to select a picture from the museum’s extensive archive to be featured in this anniversary exhibition.
In addition to the selection, they were also asked to provide a written explanation, which would later be displayed next to the picture.
People aged 4 to 94 and from a wide variety of professions were approached.
These included famous contemporaries such as TV presenter Günter Jauch and Berlin’s Governing Mayor Kai Wegner, as well as museum employees and postwoman Desirée Schulz, who delivers the museum’s letters every day.
The well-known architect ARNO BRANDLHUBER came up with something special:
He chose the painting „Sich kämmender Akt“ by Ernst Ludwig Kirchner from 1913.
But, he wanted to show the back, with another painting by Kirchner, which he had apparently rejected.
The stickers on the back of the frame are particularly interesting:
Here we see the painting’s history from the exhibition „Degenerate Art“ in 1938,
„Kirchner: Expressionism and the City“ at the Royal Academy of Arts in London in 2003,
and „Masterpieces of Expressionism“ at the Kunsthalle Emden in 2005.
Also interesting: The selection of 4-year-old Alma Lina Roumiguière:
She nominated the painting „Circus“ by Max Pechstein from 1911.
This way, perhaps not the most beautiful works in the archive are on display, but it makes the exhibition exciting and invites you to linger, reading all the comments the guest curators left explaining their choices.
After visiting the Brücke Museum, we quickly head to the neighboring Kunsthaus Dahlem, the former (huge) studio of Arno Breker, Adolf Hitler’s favorite artist. After a certain shiver ran down my spine, the incredibly delicious apple pie from the accompanying café calmed me down.
Conclusion: An exciting visit to an exciting exhibition in every respect.
My recommendation!
„120 Years of Brücke“
Brücke Museum Berlin
Bussardsteig 9, 14195 Berlin
Wed – Mon 11 a.m. – 5 p.m.
Image series with 22 photos of selected works from the exhibition:
Author: Holger Jacobs
Founder & Editorial Director of kultur24.berlin ug.
Founder & Editorial Director of kultur24 TV on Youtube.
Former correspondent for fashion in Paris.
Photographer, writer and videographer.