Architektur Biennale Venedig 2018
Von Holger Jacobs
28.05.2018
Eröffnung des Deutschen Pavillons auf der Architektur Biennale in Venedig 2018.
In schöner Regelmäßigkeit treffen sich die weltbesten Architekten zu einem fröhlichen Stelldichein unter dem blauen Himmel von Venedigs Lagunenstadt. Alternierend zur Kunst Biennale am selben Ort. Nur dass die Architektur Biennale für das große internationale Publikum weniger interessant zu sein scheint. Zumal die meisten Menschen Architektur wohl nur als rein zweckgebundenes Ausfertigen notwendiger Gebäude empfinden. Wirklich kreative Highlights sieht der normale Bürger aber auch nur an wenigen Orten der Erde – in den meisten Innenstädten dieser Welt, vor allem in den deutschen Städten mit banaler Nachkriegsarchitektur, herrscht graue Tristess.
Aber vielleicht wäre genau diese langweilige Architektur der meisten Städte dieser Welt ein Grund, zur Biennale nach Venedig zu kommen, um zu sehen, was architektonisch möglich wäre – wenn man die Architekten denn nur machen ließe.
Den Goldenen Löwen für den besten Beitrag bekam der Schweizer Pavillon. Die verantwortlichen Architekten Allessandro Bosshard, Li Tavor, Matthew van der Ploeg und Ani Vihervaara spielen mit einer optischen Täuschung: So weiter man in das Haus hineingeht, um so kleiner kommt sich der Mensch vor. Denn alle Gegenstände um ihn herum werden größer. Bis sich zum Beispiel ein Türöffner nicht mehr wie üblich auf Hüfthöhe, sondern in 1,80 Meter Höhe befindet.
11 Ansichten zu Venedig im Mai 2018:
Und der Goldene Löwe für einen Beitrag auf der großen Hauptausstellung der Biennale, „Freespace“ genannt, ging an den portugiesischen Architekten Edouardo Souto de Moura für zwei Luftbildaufnahmen, die das Vorher und Nachher einer Farm zeigen, welche zum Hotel umgebaut wurde – Ergebnis: kaum ein Unterschied zu erkennen. Damit soll wohl gezeigt werden, wie wenig in den architektonischen Bestand eines Gebäudes eingegriffen werden muss, selbst wenn eine komplette Neunutzung vorgesehen ist. Klingt zwar ganz nett, ist aber, wie ich finde, nicht wirklich preiswürdig.
Der Britische Pavillon bekam eine „Special Mention“ für seine Idee, das eigentliche Gebäude komplett leer zu lassen und nur oben auf dem Dach eine Hütte aus Holz zu bauen, die wie eine Arche Noah denjenigen Menschen Zuflucht geben soll, die nach dem Brexit in Großbritannien nicht mehr erwünscht sind. Eine interessante Idee, wie ich finde. Wie man zuletzt aus Englandhörte, wird dort die Zahl derjenigen immer größer, die eine neue Abstimmung über den Austritt aus der EU durchführen wollen. Mit dem erhofften Ergebnis, dass England bleibt. Wir werden sehen.
Der Luxemburger Pavillon zeigte eine schmale Allee, die nur acht Prozent der Gesamtfläche der Ausstellung einnimmt – und möchte damit zeigen, dass nur noch 8 Prozent der Landesfläche von Luxemburg noch in öffentlicher Hand sind. Verbunden mit der Frage, welche Auswirkungen diese Entwicklung von immer weniger öffentlichem Raum für den Bürger hat.
China zeigt eine Ausstellung, die eine Möglichkeit bieten soll, wie in Zukunft die Entwicklung zu immer größer werdenden Megapolen gestoppt werden kann und um mehr Menschen dazu zu bewegen wieder zurück auf das Land zu gehen. Es scheint, dass gerade durch die Digitalisierung hier neue Möglichkeiten entstehen. Denn ob ein Angestellter in einem 40-stöckigen Bürohaus in einer überfüllten Innenstadt arbeitet oder aber an einem vollvernetzten Arbeitsplatz in einem kleinen, nahegelegenen Dorf, bedeutet vielleicht bald keinen Unterschied mehr. Eine gute Infrastruktur vorausgesetzt. Ein interessanter Ansatz.
Der Deutsche Pavillon, der dem Umwelt- und Bauministerium untersteht, ist dieses Jahr von der ehemaligen Stasi-Beauftragten der Bundesregierung, Marianne Birthler (Birthler-Behörde), kuratiert worden. Sie holte sich das Architekturbüro GRAFT (Architekten Thomas Willemeit, Lars Krückeberg und Wolfram Pütz ) aus Berlin ins Team. Die Idee: Welche neue Möglichkeiten offenbaren sich durch das Verschwinden der ehemaligen Mauer, die Deutschland 28 Jahre in Ost und West teilte. Dabei geht es gar nicht einmal nur um das wieder Zusammenbringen von Menschen, sondern um die Entstehung neuen öffentlichen Raums und seiner neuen Nutzung. Kommt der Betrachter zunächst in den Deutschen Pavillon, sieht er nur eine große schwarze, ca. 3 Meter hohe Mauer. Erst beim Näherkommen zeigt sich, dass es sich nicht um ein ganzes Stück, sondern um viele kleinere Teilstücke einer Mauer handelt. Hinter jedem Stück wird auf Grund von Grafiken und Bildern der frühere und heutige Zustand an der Mauer gezeigt. Mittlerweile sind wieder über 28 Jahre vergangen, seit die Mauer nicht mehr existiert. Kaum zu glauben, wie schnell die Zeit vergeht. Aber Mauern wird es immer geben, solange es Menschen gibt.
Ein kurzes Video vom Deutschen Pavillon seht Ihr hier
La Biennale di Venezia
25.5. – 25.11.2018
100 Teilnehmer, davon 61 nationale Beteiligungen
Orte:
– Giardini mit den 24 größten Länderpavillons
10 – 18 Uhr
– Arsenale mit der Hauptausstellung „Freespace“ und weiteren Länderpavillons
10 – 18, Fr + Sa -20 Uhr
Montags geschlossen
Tickets (je nachdem mit welchen Zusammenstellungen): 25 Euro
16 Ansichten des Deutschen Pavillons zur Architektur Biennale in Venedig 2018:
english text
Architecture Biennale Venice 2018
By Holger Jacobs
05/28/2018
Opening of the German Pavilion at the Architecture Biennale in Venice 2018.
In good regularity, the world’s best architects meet for a happy rendezvous under the blue sky of Venice’s lagoon city. Alternating to the Art Biennale at the same place. Only that the Architecture Biennale seems to be less interesting for the big international audience. Especially since most people feel architecture only as a purposeless completion of necessary buildings. The normal citizen sees real creative highlights only in a few places on earth – in most inner cities of the world, especially in the German cities with trivial postwar architecture, there is gray tristess.
But perhaps this boring architecture of most cities would be a reason to come to Venice for the Biennale to see what would be architecturally possible – if only the architects were allowed to do so.
The Golden Lion was awarded to the Swiss Pavilion for the best contribution. The responsible architects Allessandro Bosshard, Li Tavor, Matthew van der Ploeg and Ani Vihervaara play with an optical illusion: as more someone enters the house, as smaller the human being feels. Because all objects around him are getting bigger. Until, for example, a door opener is no longer at hip level as usual, but at a height of 1.80 meters.
And the Golden Lion for contributing to the Biennale’s big main exhibition, called „Freespace“, went to the Portuguese architect Edouardo Souto de Moura for two aerial photographs showing the before and the after of a farm that was converted into a hotel – result: hardly to recognize a difference. This is to show how little has to be intervened in the architectural structure of a building, even if a complete new use is provided. Sounds nice, but, in my opinion, not really worthy of an award.
The British Pavilion got a „Special Mention“ for its idea to leave the actual building completely empty and only to build a wooden hut on the top, which like a Noah’s Ark should give refuge to the people when after the Brexit in Great Britain foreigners are no longer desirable. An interesting idea, I think. As we hear from England, there is an increasing number of those who want to hold a new vote on leaving the EU. With the hoped-for result that England will remain. We will see.
The Luxembourg Pavilion showed a narrow avenue that accounts for only eight percent of the total area of the exhibition – and would like to show that only 8 percent of Luxembourg’s land area is still in public hands. Linked to the question of what impact this development has on less and less public space for the citizen.
China is showing an exhibition that will provide an opportunity to stop the development of ever-widening megapolis and encourage more people to return to the country. It seems that digitization is creating new opportunities here. Because whether an employee works in a 40-storey office building in a crowded city center or at a fully networked workplace in a small, nearby village, may soon no longer make any difference. Provided a good infrastructure. An interesting approach.
The German Pavilion, which is under the Ministry of the Environment and Construction, has been curated this year by the former Stasi representative of the Federal Government, Marianne Birthler (Birthler Authority). She got the architectural firm GRAFT (architects Thomas Willemeit, Lars Krückeberg and Wolfram Pütz) from Berlin into the team. The idea: what new possibilities are revealed by the disappearance of the former wall, which divided Germany into East and West for 28 years. It’s not even just about reuniting people, but about the emergence of new public spaces and their new uses. If the viewer first comes to the German Pavilion, he sees only a large black, about 3 meters high wall. Only when approaching shows that it is not a whole piece, but many smaller parts of a wall. Behind each piece is shown on the basis of graphics and images of the former and present state on the wall. Meanwhile, over 28 years have passed since the wall no longer exists. Hard to believe how fast time passes. But there will always be walls as long as there are people.
La Biennale di Venezia
25.5. – 25.11.2018
100 participants, including 61 national participations
Places:
– Giardini with the 24 largest country pavilions
10 – 18 o’clock
– Arsenals with the main exhibition „Freespace“ and other country pavilions
10 – 18, Fri + Sat -20pm
closed on Monday
Tickets (depending on which compositions): 25 Euro
Author: Holger Jacobs
Founder & Editorial Director of kultur24.berlin ug.
Founder & Editorial Director of kultur24 TV on Youtube.
Former correspondent for fashion in Paris.
Photographer, writer and filmmaker.