Caspar David Friedrich – Unendliche Landschaften – in Berlin

Caspar David Friedrich - Der Watzmann - SMB Nationalgalerie

Caspar David Friedrich – Unendliche Landschaften – in Berlin

 

Von Holger Jacobs

21.04.2024

Wertung: 🙂 🙂 🙂 🙂 🙂 (fünf von fünf)

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Das Malergenie des 19. Jahrhunderts wird zu seinem 250. Geburtstag in der Alten Nationalgalerie gefeiert

Warum wird CASPAR DAVID FRIEDRICH heute so verehrt?
Anders, als man denken sollte, was der am 5. September 1774 in Greifswald an der Ostsee geborene Maler am Ende seines Lebens kein gefeierter Held.
Ganz im Gegenteil, geriet er doch bis Ende des 19. Jahrhunderts fast in Vergessenheit.
Erst Anfang des 20. Jahrhunderts wurde er wiederentdeckt, als sich im Jahre 1906 die Nationalgalerie in Berlin entschloss den bedeutendsten deutschen Maler der Romantik mit 93 Werken auszustellen. Und das zu einer Zeit, als die Neue Sachlichkeit in der Kunst und im Design nur wenig später ihren Siegeszug feiern sollte.

Nach dem 1. Weltkrieg beherrschten der Horror und das Grauen des Krieges die Kunstwelt und nach dem 2. Weltkrieg ging der Trend völlig weg von der gegenständlichen Malerei hin zur Abstraktion.

Erst Anfang des 21. Jahrhunderts kehrte ein größeres Interesse an CASPAR DAVID RIEDRICH zurück.
Ausschlaggebend war die große Retrospektive „Caspar David Friedrich – Die Erfindung der Romantik“, die zunächst im Folkwang Museum in Essen 2006 und danach in der Hamburger Kunsthalle 2007 gezeigt wurde.
Mit fast 700.000 Besuchern für beide Ausstellungsorte wurde damals ein neuer Ausstellungsrekord verbucht.

Und jetzt zu seinem 250. Geburtstag wurde zunächst in der Hamburger Kunsthalle die Ausstellung „Caspar David Friedrich – Kunst für eine neue Zeit“ (vom 15.12.2023 –  01.04.2024) konzipiert und von 350.000 Zuschauern gesehen.
Ab dieser Woche nun auch in Berlin.
Und danach wird es dieses Jahr noch eine weitere große Friedrich-Show im Albertinum in Dresden geben (24.08.2024 – 05.01.2025) und dann, nächstes Jahr, im Metropolitan Museum of Art in New York (07.02. – 11.05.2025).
Kann man so einen Erfolg noch toppen?

Caspar David Friedrich paint by Caroline Bardua 1810, SMB Nationalgalerie

Caspar David Friedrich

Der junge CASPAR wuchs Ende des 18. Jahrhunderts in bescheidenen Verhältnissen in Greifswald an der Ostsee auf, welches damals noch zu Schweden gehörte. Sein Vater war Seifenmacher und praktizierte einen strengen Protestantismus.
Mit 16 Jahren bekam klein CASPAR zum ersten Mal Zeichenunterricht, mit 20 ging er auf die Königlich Dänische Kunstakademie in Kopenhagen, wo er hauptsächlich zeichnen lernte.

Nach vier Jahren Ausbildung entschied er sich für die Stadt Dresden, denn die sächsische Hauptstadt war damals eines der wichtigsten Orte für die Schönen Künste.
Ein erster Erfolg stellte sich 1805 mit dem Gewinn des Preises der Weimarer Kunstfreunde ein. Danach unternahm er viele Reisen (meistens zu Fuß) nach Neubrandenburg, Breesen, Greifswald und besonders Rügen, wo er Anregungen für seine Bilder suchte.

Da FRIEDRICH kein guter Portraitmaler war, blieben bis zu seinem Lebensende die Landschaften sein bevorzugtes Motiv.
Dabei entwickelte er ganz neue Perspektiven und Bildstimmungen, die so vor ihm noch keiner gemalt hatte. Und er vermischte Zeichnung mit Ölgemälde, indem er feine Skizzen bestimmter Motive, wie Figuren, Bäume oder Teile von Gebäuden vorher anfertigte und diese dann in seine großformatigen Ölgemälde integrierte. So gibt es einen bestimmten Eichenbaum, der gleich in mehreren Bildern auftaucht.

Eine weitere Besonderheit sind kleine Motivteile in gewaltiger Natur.
Hierin wird FRIEDRICHS religiöse Einstellung gesehen, die den Menschen als ganz kleinen Bestandteil gegenüber der göttlichen Unendlichkeit sieht.

Und natürlich das Licht!
Fast alle seine Ölgemälde zeigen den Moment des Sonnenuntergangs oder kurz davor oder kurz danach. Nie gibt es Motive zur Mittagszeit mit strahlendem Sonnenlicht und harten Schatten. Immer sind es die Momente zwischen Tag und Nacht, Helligkeit und Dunkelheit.
Zwischen Leben und Tod?

Caspar David Friedrich „Zwei Männer am Meer“, 1817, SMB Nationalgalerie

Romantik

Die Romantik ist eine kulturgeschichtliche Epoche, die sich vom Ende des 18. Jahrhunderts bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts erstreckte und viele Bereiche der Natur- und Geisteswissenschaften einschloss.
Von Kunst (CASPAR DAVID FRIEDRICH, WILLIAM TURNER) über Literatur (GOETHE, SCHILLER) und Musik (WAGNER, BRAHMS, BRUCKNER) bis zur Philosophie (FRIEDRICH HEGEL) und Geschichte.
Ganz allgemein gilt alles Schwärmerische als romantisch, wie auch das Träumen und sich verzaubern lassen von einer bestimmten Situation.
Auch der Patriotismus gehört dazu, sowie der Glaube (und Hoffnung) an das Gute und Schöne.

CASPAR DAVID FRIEDRICH wird ein starker Hang zur Depression nachgesagt, weshalb wohl seine Bilder auch immer etwas düster wirken.
Die Abend- und Nachtstimmungen mit untergehender Sonne oder im fahlen Mondschein haben aber auch etwas sehr Romantisches.
Denn gibt es etwas Schöneres, als den Anblick einer untergehenden Sonne?
Es bringt unser Gefühlsleben in Wallung, gibt uns Seelenfrieden und lässt uns an die schönen Dinge des Lebens denken.
Am besten in den Armen eines geliebten Menschen…

Warum sind wohl die beliebtesten Urlaubsmotive Sonnenuntergänge am Strand? Auch wenn sie noch so kitschig sind.

Apropos Kitsch: Häufig wird das Wort romantisch auch mit kitschig in Verbindung gebracht.
Anders herum bezeichnet man selten etwas kitschiges als romantisch.
Oder würdet Ihr eines der verchromten Spielfiguren von JEFF KOONS als romantisch bezeichnen?

Jeff Koons „Baloon Dog“, 2021, Galerie Artes

Die Ausstellung

Die Ausstellung mit 60 Gemälden und über 50 Zeichnungen ist so groß, dass sie in der Alten Nationalgalerie über zwei Etagen gezeigt wird.
Dabei werden die einzelnen Abschnitte unterteilt in Themen wie „Gebirge. Schluchten. Waldinneres“, oder „Küste. Ufer“und „Bäume. Pflanzen“ et.c.

Farbpigmente von Caspar David Friedrich, SMB Nationalgalerie

Ein Fokus der Ausstellung liegt in der Untersuchung, wie CASPAR DAVID FRIEDRICH seine Bilder konzipiert und seine Ideen umgesetzt hat.
Mit einem Infrarot-Reflektogramm kann man z.B. untere Schichten eines Ölgemäldes sichtbar machen. Dadurch wird deutlich, wie viele Veränderungen der Maler an dem Bild vollzog, bis er sich schließlich für eine finale Komposition entschied.
Durch weitere Untersuchungen konnte auch festgestellt werden, mit welchen Farbpigmenten CASPAR DAVID FRIEDRICH arbeitete.
Diese sind in der Ausstellung als reines Pulver zu entdecken.

Alte Nationalgalerie, ph: Holger Jacobs

Fazit: Unbedingt ansehen.
Besonders im Vergleich zu den noch ausstehenden Blockbuster-Ausstellungen in diesem Sommer, wie „AMADEO MODIGLIANI“ im Museum Barberini (ab 28. April 2024) in Potsdam und der ANDY WARHOL Ausstellung „Velvet Rage and Beauty“ in der Neuen Nationalgalerie (ab 9. Juni 2024).

Bildergalerie mit 12 Fotos aus der Ausstellung:

Caspar David Friedrich „Küste bei Mondschein“, 1830, SMB Nationalgalerie

English text

 

Caspar David Friedrich – Infinite Landscapes – in Berlin

 

By Holger Jacobs


April 21, 2024

Rating: 🙂 🙂 🙂 🙂 🙂 (five of five)

The painting genius of the 19th century is celebrated on his 250th birthday in the Alte Nationalgalerie

Why is CASPAR DAVID FRIEDRICH so revered today?
Contrary to what one might think, the painter, who was born on September 5, 1774 in Greifswald on the Baltic Sea, was not a celebrated hero at the end of his life.
On the contrary, he was almost forgotten by the end of the 19th century.
He was only rediscovered at the beginning of the 20th century, when in 1906 the National Gallery in Berlin decided to exhibit the most important German Romantic painter with 93 works. And this at a time when the New Objectivity (Neue Sachlichkeit) in art and design was to celebrate its triumphant advance just a short time later.
After the First World War, the terror and horror of war dominated the art world and after the Second World War the trend moved completely away from objective painting towards abstraction.

It was only at the beginning of the 21st century that greater interest in CASPAR DAVID RIEDRICH returned.
The decisive factor was the large retrospective “Caspar David Friedrich – The Invention of Romanticism”, which was first shown in the Folkwang Museum in Essen in 2006 and then in the Hamburger Kunsthalle in 2007.
With almost 700,000 visitors to both exhibition locations, a new exhibition record was set.

And now, on his 250th birthday, the first exhibition in this year “Caspar David Friedrich – Art for a New Time” (from December 15, 2023 – April 1, 2024) in the Hamburger Kunsthalle was seen already by 350,000 spectators.
Now Berlin.
And after that there will be another big Friedrich show this year at the Albertinum in Dresden (August 24th, 2024 – January 5th, 2025) and then, next year, at the Metropolitan Museum of Art in New York (February 7th – May 11th, 2025).
Can you top such a success?

Caspar David Friedrich paint by Caroline Bardua 1810, SMB Nationalgalerie

Caspar David Friedrich

At the end of the 18th century, the young CASPAR grew up in modest circumstances in Greifswald on the Baltic Sea, which at that time was still part of Sweden.
His father was a soap maker and practiced strict Protestantism.
At the age of 16, little CASPAR received his first drawing lessons, and at the age of 20 he went to the Royal Danish Art Academy in Copenhagen, where he mainly learned to draw.
After four years of training, he decided on the city of Dresden, because the Saxon capital was one of the most important places for the fine arts at that time.
His first success came in 1805 when he won the Weimar Art Friends Prize.
He then went on many trips (mostly on foot) to Neubrandenburg, Breesen, Greifswald and especially Rügen, where he looked for inspiration for his pictures.
Since FRIEDRICH was not a good portrait painter, landscapes remained his preferred motif until the end of his life.
In doing so, he developed completely new perspectives and pictorial moods that no one had ever painted before him.
And he mixed drawing with oil painting by making fine sketches of certain motifs, such as figures, trees or parts of buildings, and then integrating them into his large-format oil paintings.
There is a particular oak tree that appears in several pictures.

FRIEDRICH’S religious attitude is seen here, which sees humans as a very small component compared to divine infinity.
And of course the light!
Almost all of his oil paintings depict the moment of sunset or just before or just after.
There are never any subjects at midday with bright sunlight and harsh shadows. It’s always the moments between day and night, brightness and darkness.
Between life and death?

Caspar David Friedrich „Zwei Männer am Meer“, 1817, SMB Nationalgalerie

Romance

Romanticism is an era in cultural history that stretched from the end of the 18th century to the middle of the 19th century and included many areas of art and science.
From art (CASPAR DAVID FRIEDRICH, WILLIAM TURNER) to literature (GOETHE, SCHILLER) and music (WAGNER, BRAHMS, BRUCKNER) to philosophy (FRIEDRICH HEGEL) and history.
In general, everything that is enthusiastic is considered romantic, as is dreaming and being enchanted by a certain situation.
Patriotism is also part of it, as is belief (and hope) in the good and beautiful.

CASPAR DAVID FRIEDRICH is said to have a strong tendency to depression, which is probably why his pictures always seem a bit dark.
There is also something very romantic about the evening and night atmospheres with the setting sun or the pale moonlight.
Because is there anything more beautiful than the sight of a setting sun?
It gets our emotions flowing, gives us peace of mind and lets us think about the beautiful things in life.
Preferably in the arms of a loved one…
Why are the most popular holiday motifs sunsets on the beach? Even if they are so kitchy.

Speaking of kitsch: the word romantic is often associated with cheesy. The other way around, you rarely describe something cheesy as romantic.
Or would you describe one of JEFF KOONS‘ chrome-plated toy figures as romantic?

Jeff Koons „Baloon Dog“, 2021, Galerie Artes

The exhibition

The exhibition with 60 paintings and over 50 drawings is so large that it is shown over two floors in the Alte Nationalgalerie.

Alte Nationalgalerie, ph: Holger Jacobs

The individual sections are divided into topics such as “Mountains. Gorges. Forest interior”, or “Coast. Banks” and “Trees. Plants” etc.
One focus of the exhibition is the examination of how CASPAR DAVID FRIEDRICH conceived his pictures and implemented his ideas.
With an infrared reflectogram you can, for example, make the lower layers of an oil painting visible.
This makes it clear how many changes the painter made to the picture before he finally decided on a final composition.
Further investigations also made it possible to determine which color pigments CASPAR DAVID FRIEDRICH worked with.
These can be discovered in the exhibition by pure powder used by FRIEDRICH.

Farbpigmente von Caspar David Friedrich, SMB Nationalgalerie

Conclusion: Definitely watch it.
Especially in comparison to the blockbuster exhibitions to come this summer, such as “AMADEO MODIGLIANI” at the Museum Barberini (from April 28, 2024) in Potsdam and the ANDY WARHOL exhibition “Velvet Rage and Beauty” at the Neue Nationalgalerie (from April 9. June 2024).

Image gallery with 12 photos from the exhibition:

Caspar David Friedrich „Küste bei Mondschein“, 1830, SMB Nationalgalerie

Author: Holger Jacobs

Founder & Editorial Director of kultur24.berlin ug.
Founder & Editorial Director of kultur24 TV on Youtube.
Former correspondent for fashion in Paris.
Photographer, writer and filmmaker.

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