Die Katze auf dem heißen Blechdach im Deutschen Theater

Die Katze auf dem heißen Blechdach - Ph: Andreas Wilcke/ Holger Jacobs

Die Katze auf dem heißen Blechdach im Deutschen Theater

 

Von Holger Jacobs

09.12.2023

Regisseurin Anne Lenk bringt erfolgreich den Klassiker von Tennessee Williams auf die Bühne

Um dieses stark autobiographisch geprägte Theaterstück besser zu verstehen, sollten wir uns zunächst ein wenig mit dem Autoren beschäftigen

Tennessee Williams

Der 1911 in Columbus als Thomas Williams geborene Schriftsteller TENNESSEE WILLIAMS brachte insgesamt 20 Theaterdramen und 2 Romane heraus.
Für „Endstation Sehnsucht“ (1947) und „Die Katze auf dem heißen Blechdach“ (1955) erhielt er jeweils den Pulitzerpreis.
Alle seine Werke sind autobiographisch geprägt, wie bei so vielen Schriftstellern. Was auch Sinn macht, denn das, was man selbst erlebt hat, kann man auch am besten beschreiben.
Sein Vater war ein einfacher Angestellter, aber seine Mutter kam aus einem wohlhabenden, religiös geprägten Elternhaus. Weshalb es ständig Streit um das Geld gab und die Mutter immer unzufriedener wurde.
Auch TENNESSEE WILLIAMS Homosexualität spielte in seinen Arbeiten oft eine Rolle. Denn diese konnte man in den 40er, 50er und 60er Jahren in den USA nicht öffentlich ausleben. Von 1947 bis 1961 lebte er mit seinem Assistenten Frank Merlo zusammen. In dieser Zeit schrieb WILLIAMS seine besten Werke.

„Die Katze auf dem heißen Blechdach“

Der Titel „Cat on a Hot Tin Roof“ entstammt einem amerikanischen Sprichwort, welches für Durchhaltevermögen und entschlossenes Handeln steht. Wie eine Katze, die auf einem heißen Blechdach steht und erst dann entschlossen runterspringt, wenn es wirklich nicht mehr anders geht. Wohl wissend, dass sie Dank ihrer physischen Fähigkeiten immer wieder auf ihren vier Pfoten landen wird.

In TENNESSEE WILLIAMS Stück geht es um die reiche Familie Pollitt, die sich zum 65. Geburtstag des Familienoberhaupts „Big Daddy“ (ULRICH MATTHES) in dessen Haus trifft. Bis auf ihn selbst und seine Frau „Big Mama“ (MIRIAM MAERTENS) wissen alle, dass Big Daddy unheilbar an Krebs erkrankt ist und bald sterben wird. Seine beiden Söhne Brick (JEREMY MOCKRIDGE) und Gooper (JONAS HEIN) könnten nicht unterschiedlicher sein. Gooper ist ein einigermaßen erfolgreicher Anwalt, immer strebsam und extrem bürgerlich in seinem Leben. Trotzdem ist sein einziger Gedanke, vom Vater als Alleinerben über das riesige Vermögen der Pollitts eingesetzt zu werden. Auch seine Frau Mae (JULISCHKA EICHEL) denkt an nichts anderes und bringt ständig ihre 5 Kinder in Stellung, um Big Daddy zu gefallen.
Ganz anders Brick, der von einem persönlichen Schicksal hart getroffen wurde und nun dem Alkohol verfallen ist. Seine Frau Margaret (LORENA HANDSCHIN), – Maggie die Katze – genannt, ist eine Südstaaten-Schönheit und hatte den berühmten Sportler und Sportreporter geheiratet, der Brick einst war, bevor er dem Alkohol verfiel. Gerade deshalb will auch sie an das Erbe, weil sie denkt, dass Brick psychisch ein Wrack ist und wohl ohne finanzielle Hilfe nicht überleben wird.
Dass sie keine Kinder und wohl mit Brick auch keinen Sex mehr hat, macht die Situation noch schwieriger. Entscheidend wird dann der lange Dialog am Geburtstagabend zwischen Big Daddy und seinem Sohn Brick, bei dem die Wahrheit über des Sohnes Depression ans Tageslicht kommt.

Mein Video-Trailer von „Die Katze auf dem heißen Blechdach:

Kritik

Die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts war noch geprägt von der früher üblichen Familienordnung, dass der Mann das Geld nach Hause brachte und in der Familie das Sagen hatte, während die Frau den Haushalt machte und Kinder bekam. Das klassische Patriachat. Ein Aufbrechen dieser Ordnung führte zu großen Spannungen und häufig auch zum Ende der Ehe.

Regisseurin ANNE LENK nimmt sich diesem Thema mit großer Hingabe an, nicht ohne das Augenmerk besonders auf die mögliche Homosexualität des Sohnes Brick zu lenken. Denn Generationenkonflikte gab es immer und wurden bereits zahlreich in allen möglichen Romanen und Filmen verarbeitet. Doch Homosexualität, auch wenn sie schon lange nicht mehr strafbar ist, bleibt bis heute eine Besonderheit, die z.B. in vielen Ländern des Ostblocks noch verfolgt, oder zumindest geächtet ist. Zwar hatten wir mit KLAUS WOWEREIT in Berlin einen homosexuellen Bürgermeister („Ich bin schwul und das ist auch gut so“), doch bleiben Menschen der LGBT- Community sehr häufig ihr Leben lang Außenseiter.
Deshalb hat ANNE LENK die Textstellen, in denen während des Dialoges Vater – Sohn dieses Thema angesprochen wird, besonders herausgearbeitet.
Brick erklärt seinem Vater, der sich erstaunlicherweise recht offen gegenüber den möglichen Neigungen seines Sohnes zeigt, dass nicht nur das „Schwul-Sein“ an sich in der Gesellschaft als unnormal angesehen wird, sondern dass selbst eine innige und tiefe Freundschaft zwischen zwei Männern als nicht normal gilt. Und selbst seine Ehefrau Maggie konnte damit nie umgehen, was auch einst zu einer dramatischen Situation führte – wie sich in diesem Gespräch herausstellen wird.

Was mir an ANNE LENKS Inszenierung besonders gefällt ist ihr Umgang mit Humor, der trotz aller Dramatik immer wieder fast ungewollt ausbricht. Dabei brauchen die Darsteller gar nicht mal überzogen zu spielen. Denn der Humor ist bereits im Text angelegt. Und ANNE LENK macht es ein großes Vergnügen diesen herauszustellen.
Dennoch wurde der Text massiv auf unsere Zeit angepasst.
Worte wie „Vögeln“, ficken“, „geil“ und „Scheißdreck“ dürfen dabei nicht fehlen, fallen aber auch nicht weiter unangenehm auf, sondern verstärken eher noch die humorvolle Seite.

Herausragend ist mal wieder ULRICH MATTHES als Big Daddy.
Der sieht in seiner schmächtigen Gestalt zwar keineswegs wie ein Patriarch aus, lässt aber durch seine gewaltige Stimme keinen Zweifel darüber aufkommen, wer Herr des Hauses ist.
JEREMY Mockridge als Sohn Brick ist mir etwas zu lieb und nett. Richtige Verzweiflung, die durch den Alkohol vergessen werden soll, lässt er nicht erkennen.
Lorena Handschin als „Die Katze“ Maggie versucht erst gar nicht gegen das übermächtige Spiel einer ELISABETH TAYLOR in der berühmten Verfilmung von 1958 (mit PAUL NEWMAN als Brick) zu imitieren. Sie zeigt eine ganze eigene Version, die weniger durch Dramatik, als durch Verschmitztheit und weibliche Schläue glänzt.

Sehr beeindruckend ist das Bühnenbild (JUDITH OSWALD), das sich in vier aufeinanderfolgenden und immer kleiner werdenden Kuben darstellt.

Fazit: Eine äußerst gelungene Wiederbelebung eines berühmten Klassikers

„Die Katze auf dem heißen Blechdach“ von Tennessee Williams
Deutsches Theater Berlin
Premiere war am 8.12.2023
Regie: Anne Lenk, Bühne: Judith Oswald, Kostüme: Sibylle Wallum, Musik: Ingo Schröder.
Mit: Ulrich Matthes (Big Daddy), Lorena Handschin (Maggy), Jeremy Mockridge (Brick), Miriam Maertens (Big Mama), Johannes Hien (Gooper), Julischka Eichel (Mae).

Bilderserie mit 14 Fotos aus „Die Katze auf dem heißen Blechdach“:

Lorena Handschin (Maggie die Katze), Deutsches Theater Berlin, Ph: Holger Jacobs

Author: Holger Jacobs

Founder & Editorial Director of kultur24.berlin ug.
Founder & Editorial Director of kultur24 TV on Youtube.
Former correspondent for fashion in Paris.
Photographer, writer and filmmaker.

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