Berlinale 2021 – „Ich bin Dein Mensch“

"Ich bin dein Mensch" - Berlinale 2021 Foto: Christine Fenzl

Berlinale 2021 – „Ich bin Dein Mensch“

 

Von Holger Jacobs

02.02.2021

English text

Am Montag begannen die 71. Internationalen Filmfestspiele (rein digital) von Berlin.

Mit einem sensationell guten Film der deutschen Regisseurin Maria Schrader (war mit ihrer Mini-Serie „Unorthodox“ gerade bei den Golden Globes nominiert) startete diese spezielle Berlinale des Jahres 2021.
Vom Publikum kaum bemerkt, denn alles läuft nur online ab. Und auch nur für die akkreditierten Journalisten.

Regisseurin Maria Schrader, Foto: Anika Molnar

Dieses Mal muss ich also nicht, wie sonst üblich, vom Festivalzentrum im Hotel Hayett zum Festivalpalais gegenüber rennen, dann weiter zu einem der vielen kleinen Kinosäle im Cinemaxx mit halbstündigem Warten und Anstehen, nur um dann 2 Stunden lang einen Sitznachbarn zu haben, der am Abend zuvor ein knoblauchgetränktes Festmahl zu sich genommen hatte…

„Digital us analog“ ist das Motto der Stunde.
Dank dem Corona Virus ist analog zurzeit abgeschafft und alles nur noch von zu Hause aus digital – und ganz alleine – zu betrachten.

Es mag verwundern, aber für mich ist dies eine ganz neue Erfahrung, denn ich schaue mir nie Filme, Theater-oder Opernaufführungen, geschweige den Kunstausstellungen auf meinem Heimcomputer zu Hause an.
Zwar hat dessen Bildschirm immerhin eine Diagonale von 54 Zentimetern (21 Zoll), aber mittlerweile bin ich durch die modernen LED-Fernsehgeräte daran gewöhnt, Filme selbst bei mir zu Hause auf Bildschirmen mit mehr als 1 Metern Breite in bester Auflösung zu sehen – ganz gemütlich von meinem Sofa aus.

Und nun muss ich steif auf meinem Schreibtischstuhl hockend mindestens 2 Stunden auf einen Computerbildschirm starren und mich dann auch noch emotional mitreißen lassen – kein leichtes Unterfangen.
Zumal immer nur eine ganz bestimmte Anzahl von Filmen für genau 24 Stunden (von 7 – 7 Uhr) von der Berlinale-Leitung für uns Journalisten freigeschaltet sind. Wenn man sie verpasst, sind sie weg.

Berlinale 2021: Im Desktop-Cinema bei mir zu Hause © Holger Jacobs

„Ich bin Dein Mensch“ von Maria Schrader im Wettbewerb

Allein vier deutsche Filme finden sich dieses Mal unter den 11 Wettbewerbsfilmen. Und die deutsche Regisseurin Maria Schrader gehört zu den renommiertesten ihres Fachs.
Zunächst als Schauspielerin aktiv (Max-Reinhardt-Seminar in Wien) kam sie durch ihren langjährigen Lebensgefährten Dani Levy zum Film. „Ich bin Dein Mensch“ ist ihr dritter Spielfilm, womit sie zum ersten Mal zum Wettbewerb der Berlinale eingeladen wurde.

Der Film beginnt mit einer Szene in einem Tanzlokal, bei der eine etwas zu freundlich wirkende Dame (Sandtra Hüller) eine etwas zu unsicher wirkende 2. Dame zu einem Tisch bringt, an dem ein etwas zu gut aussehender Mann sitzt, der alles an sich hat, was „Frau“ sich an einem Mann so wünscht:
Groß, aber nicht zu groß, schlank, aber auch nicht zu schlank, volles, aber nicht zu langes Haar, blaue Augen und ein strahlendes, aber auch nicht zu strahlendes Lächeln.
Sanfter Blick, sanfte Stimme und eine schmeichelnde Wortwahl. Das ganze mit einem leicht englischen – und damit leicht exotischem – Akzent.
Sprich: Ein perfekter Mann!

Ob diese Art von Männern auch von der Mehrheit aller Frauen für so perfekt empfunden wird, kann ich als männliche Spezie natürlich nicht unbedingt sagen, mir aber gut vorstellen.
Auf jeden Fall empfindet Frau Dr. Alma Felser (Maren Eggert) ihn, „Tom“ (Dan Stevens), als perfekt. Zumindest hatte sie diese Angaben wohl vorher so gemacht, damit der Hersteller „ihren Tom“ optimal auf sie konfigurieren konnte.
Wie sich nämlich schnell herausstellt, handelt es sich bei „Tom“ um einen humanoiden Roboter, der nun von ihr getestet werden soll.

Dazu hatte sich Frau Dr. Felser, die im Pergamon Museum als Spezialistin für persische und sumerische Keilschrift arbeitet, von einem Kollegen überreden lassen. Sie soll nämlich ihre Meinung und ihre Erfahrung mit einem menschenähnlichen Roboter zu einem Gutachten bringen, welches dem deutschen Ethikrat vorgelegt werden soll.
Dieser soll dann entscheiden, ob Humanoide auch heiraten können und einen Pass bekommen können – sprich: als vollwertiges Individuum unter uns leben können. Alma tut dies aber nur sehr unwillig und eigentlich nur, weil ihr dafür im Gegenzug weitere Unterstützung für ihre eigene Forschungsarbeit zugesichert wurde.

Entsprechend behandelt Alma ihren „Tom“ ziemlich unfreundlich und unwirsch, ja sogar beleidigend, wenn sie sich darüber lustig macht, dass er ja doch nur eine Maschine ist (ähnlich wie Will Smith in „I Robot“, wenn er die menschlichen Roboter als „Blechbüchsen“ bezeichnet) und ihn mit unsinnig schwierigen Rechenaufgaben überhäuft, die er natürlich in Milli-Sekunden löst, nur um ihm gleich darauf zu sagen, dass er ja leider keine Gefühle zeigen und auch nicht provozieren könnte.

„Tom“ lässt all die Beleidigungen ohne Regung über sich ergehen, selbst als sie ihm abends bei sich zu Hause den Inhalt eines Glases ins Gesicht schüttet, nur um endlich eine (menschliche) Reaktion von ihm zu provozieren.
Nun, ich will nicht zu viel erzählen, aber dass die beiden sich am Ende dann doch noch annähern, kann man sich natürlich denken.

Interessant ist vor allem der Abschlussbericht von ihr an den Ethikrat, den Alma kurz vor Ende des Films verfasst. Auch dessen Inhalt will ich nicht verraten, aber nur so viel: Er wird anders ausfallen, als sie selbst handeln wird.

Maren Eggert als Alma ist einfach wunderbar! Sie spielt die ganzen Fassetten eines Menschen, der sich erst langsam an eine Sache herantastet, welche er am Anfang zutiefst verabscheut, um am Ende dann eine ganz andere Haltung anzunehmen.

Auch Dan Stevens als „Tom“ ist einfach fabelhaft. Eine Maschine mit menschlichen Zügen darzustellen, die immer versucht so nah wie möglich an die Perfektion zu gelangen, gleichzeitig aber den Unterschied zu einem echten Menschen nicht gänzlich verschwinden zu lassen.

Ein toller Auftakt für diese außergewöhnliche Berlinale.
Die Messlatte für den Goldenen Bären ist damit schon sehr, sehr hoch gelegt.
Mal sehen, ob ein anderer Film da noch herankommen kann.
Die nächsten Tage werden es zeigen.

5 Fotos der Filmproduktion:

„Tom“ (Dan Stevens) und Alma (Maren Eggert) in „Ich bin Dein Mensch“, Foto: Christine Fenzl

English text

71st Berlinale – „I am your person“

By Holger Jacobs

02/02/2021

The 71st Berlin International Film Festival (purely digital) began on Monday.

The Berlinale started yesterday with a sensationally good movie by the German director Maria Schrader (who had just been nominated for the Golden Globes with her mini-series “Unorthodox”).
Hardly noticed by the audience, because everything only happens online. And only for the accredited journalists.
So this time I don’t have to run from the festival center in the Hotel Hayett to the Festivalpalais across the street, as usual, then on to one of the many small cinemas in the Cinemaxx Center with half an hour of waiting and queuing, with the chance to have a seat neighbor for 2 hours, who had eaten a garlic-soaked feast the night before …
„Digital us analog“ is the motto of the hour.
Thanks to the Corona Virus, analog is currently abolished and everything can only be viewed digitally from home – and all alone at home.
It may be surprising, but for me this is a whole new experience because I never watch movies, theater or opera and art exhibitions online on my home computer. Even its screen has a diagonal of 54 centimeters (21 inches), I am today used to watch movies – thanks to modern LED televisions – in the best resolution with more then 1 meter wide screens and very comfortably from my sofa.
And now I have to sit stiffly on my desk chair and stare at a computer screen for at least 2 hours or more and then let myself be carried away emotionally – no easy task.
Especially since the Berlinale management releases a very specific number of films only for exactly 24 hours (from 7 a.m. to 7 a.m.) for us journalists.
If you miss them, they’re gone.

Berlinale 2021: Im Desktop-Cinema bei mir zu Hause © Holger Jacobs

“I am your person” by Maria Schrader in the competition

This time there are four German films among the 11 movies in the competition.
And the German director Maria Schrader is one of the most renowned in her field. Initially active as an actress (Max Reinhardt Seminar in Vienna), she came to film through her long-time partner Dani Levy. “Ich bin Dein Mensch” is her third feature film, which was the first time she was invited to the Berlinale competition.
The movie begins with a scene in a dance hall in which a lady who appears a bit too friendly (Sandtra Hüller) brings a second lady who seems a bit too insecure to a table where a man who is a bit too good-looking is waiting for her.
He has everything what a woman wants in a man: tall, but not too tall, slim, but not too slim, full but not too long hair, blue eyes and a radiant, but not too radiant smile. Gentle look, gentle voice and a flattering choice of words. And with a slightly English – and thus slightly exotic – accent:
A perfect man!
As a male species, of course, I cannot necessarily say whether this type of man is perceived as perfect by the majority of all women, but I can well imagine.
In any case, Dr. Alma Felser (Maren Eggert) thinks “Tom” (Dan Stevens) as perfect. At least she had given this information beforehand.
As it quickly turns out, „Tom“ is a humanoid robot that she is now to test.

For this purpose, Dr. Felser, who works at the Pergamon Museum as a specialist in Persian and Sumerian cuneiform writing, was persuaded by a colleague to test this robot.
She is supposed to bring her opinion and her experience with a human-like robot to an expert opinion, which is to be submitted to the German Ethics Council. This should then decide whether humanoids can also marry or get a passport – in other words: can it/ he live as a fully-fledged individual among us?

Alma does this only very reluctantly and actually only because she was assured further support for her own research work in return.
Accordingly, she treats „Tom“ rather unfriendly and surly, even insulting, when she makes fun of the fact that he is only a machine after all (similar to Will Smith in „I Robot“ when he describes the human robots as „tin cans“) and overwhelmed him with nonsensically difficult arithmetic problems, which he of course solves in milliseconds, only to tell him right away that he unfortunately could not show any feelings and also could not be provoked.

„Tom“ tolerates all the insults without emotion, even when she pours the contents of a glass in his face at home in the evening, only to finally provoke a (human) reaction from him.
Well, I don’t want to tell too much, but of course you can imagine that the two will eventually get closer.

The final report that Alma wrote for the Ethics Council shortly before the end of the movie is particularly interesting. I don’t want to reveal its content either, but only so much: It will turn out differently than she herself will act.

Maren Eggert as Alma is simply wonderful! (she later will get the Silver Bear as Best Actress for this role (note from the editor)).
She plays the whole facets of a person who slowly approaches something that she loathes at the beginning, only to take on a completely different attitude in the end.
Dan Stevens as „Tom“ is also just fabulous. To depict a machine with human features, which always tries to get as close as possible to perfection, but at the same time does not make the difference to a real human completely disappear.

A great start for this extraordinary Berlinale.
The bar for the Golden Bear is very, very high. Let’s see if another film can come close.
The next few days will tell.

5 pictures of the movie:

„Tom“ (Dan Stevens) und Alma (Maren Eggert) in „Ich bin Dein Mensch“, Foto: Christine Fenzl

Author: Holger Jacobs

Founder & Editorial Director of kultur24.berlin ug.
Founder & Editorial Director of kultur24 TV on Youtube.
Former correspondent for fashion in Paris.
Photographer, writer and filmmaker.

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