Die neuen Filme im Kino – „Die Fotografin“ (Lee) mit Kate Winslet
Von Holger Jacobs
20.09.2024
Ein interessanter Film über eine noch interessantere Frau
„Die Fotografin“ („Lee“) von ELLEN KURAS mit KATE WINSLET, ALEXANDER SKARSGARD, ANDY SAMBERG, MARION COTILLARD, NOÉMIE MERLANT.
Der Film erzählt die Geschichte der Fotografin, Model, Muse und Kriegsreporterin LEE MILLER, die in den 1920er Jahren als erfolgreiches Fashion Model in New York und später in Paris für die französische und amerikanische VOGUE arbeitete und von berühmten Fotografen wie EDWARD STEICHEN und GEORGE HOYNINGEN-HUENE und MAN RAY abgelichtet wurde.
In Paris kam sie durch ihre Beziehung mit MAN RAY in die Kreise der Surrealisten um PAUL ÉLUARD, ANDRÉ BRETON und JEAN COCTEAU.
Später wurde sie selbst Fotografin, eröffnete zunächst ein Fotostudio in Paris und danach in New York.
1934 heiratete LEE einen reichen ägyptischen Geschäftsmann und zog einige Jahre nach Kairo.
Als sie im Jahre 1937 wieder mal in Paris war und eine Party ihrer Surrealisten-Freunde besuchte, lernte sie den englischen Künstler und Galeristen ROLAND PENROSE kennen und lieben.
LEE ließ sich von dem Ägypter scheiden und zog 1939 nach London.
Als der 2. Weltkrieg ausbrach wurde PENROSE zum Militär eingezogen und LEE kehrte nach New York zurück.
Doch sie wollte unbedingt weiter als Fotografin arbeiten und schaffte es sich als einer der wenigen Frauen für die Kriegsberichterstattung in Europa zu akkreditieren.
Mit dem Time-Life Fotografen DAVID SHERMAN zog sie mit den amerikanischen Soldaten von der Normandie, über Paris und München bis zum Obersalzberg (Hitlers Feriensitz in den Alpen), dessen brennendes Ende sie miterlebte.
Sie war auch bei der Befreiung des Konzentrationslagers Dachau dabei und fotografierte die Leichenberge der Gefangenen.
Eines ihrer bekanntesten Aufnahmen zeigt wiederum sie selbst, aber nicht in einer teuren Robe der Haute-Couture, sondern in Hitlers Badewanne in dessen Münchner Wohnung am Prinzregentenplatz am 30. April 1940.
Dabei ließ sie sich nackt von ihrem Kollegen DAVID SHERMAN mit ihrer Kamera fotografieren.
Nach dem Krieg hatte LEE MILLER ein schweres Kriegstrauma und begann zu trinken. Dennoch heirateten Sie und ROLAND PENROSE und zogen aufs Land in der Nähe von London und bekamen ihren Sohn Antony.
LEE MILLER fotografierte nie mehr und erzählte auch nie von ihren Kriegserfahrungen. Gegenüber ihrem Sohn blieb sie kühl und unnahbar.
Erst nach LEE MILLERS Tod im Jahre 1977 entdeckte Sohn Antony auf dem Dachboden des Hauses Tausende Negative und Fotos und konnte zum ersten Mal die Lebensgeschichte seiner Mutter nahvollziehen. Er gründete das Lee Miller Archives.
ROLAND PENROSE verstarb sechs Jahre nach LEE am Tage ihres Geburtstages…
Der Film
Für mich war LEE MILLER schon immer eine faszinierende Persönlichkeit.
Von herausragende Schönheit!
In meiner Jugend verschlang ich die Fotos, die MAN RAY von ihr gemacht hatte und seit der Gründung meines Kulturmagazins kultur24 berichtete ich schon zwei Mal über Ausstellungen, die LEE MILLER zum Thema hatten (z.B. LEE MILLER im Martin Gropius-Bau in Berlin 2016)
So war es für mich klar, dass ich sofort am ersten Tag seines Kinostarts (19.09.2024) ihn ansehen werde.
Erste Verwunderung:
Im CINEMAXX in Berlin läuft der Film nur in einem kleinen Studio-Kino mit ca. 25 Plätzen.
Nanu. Gibt es denn so wenig Interesse an dieser außergewöhnlichen Frau?
Zweite Verwunderung:
Der Film ist leider nicht so gut, wie angekündigt.
Das hat mehrere Gründe. Doch dazu später.
Dieser Biopic versucht die entscheidenden Lebensstationen von LEE MILLER nachzubilden.
Es beginnt in ihrer Zeit in Frankreich bei einem Picknick mit ihren Surrealisten-Freunden auf der Ile Saint Marguerite vor der Küste bei Cannes.
Die Szenerie ist einem Foto von LEE MILLER von 1937 entlehnt.
Hierbei lernt sie ROLAND PENROSE kennen und beginnt eine Affäre mit ihm.
Im Foto hier links sieht man diese Szene aus dem Film und rechts daneben das Original von Lee Miller mit Man Ray (weißes Cappy) neben seiner Freundin Adrienne, hinten Roland Penrose, links Nusch und Paul Éluard:
Die nächsten Stationen sind London zu Kriegsbeginn und LEEs Wunsch selber Fotografin zu werden.
Sie schafft es mit den amerikanischen Truppen als Kríegsberichterstatterin nach Frankreich zu kommen und folgt den Truppen bis nach München in das Badezimmer von Adolf Hitler.
Zwischendurch werden immer wieder Szenen mit dem Journalisten TONY (Josh O’Connor) gezeigt, der eigentlich ihr Sohn ist und ein imaginäres Interview mit seiner Mutter nach ihrem Tode führt.
Die Regisseurin ELLEN KURAS und KATE WINSLET kennen sich von der Filmproduktion „Die Gärten von Versailles“ von 2014, als KATE dort die Hauptrolle spielte und ELLEN als Kamerafrau fungierte.
Der Film „Die Fotografin“ („Lee“) ist ELLEN KURAS erster Spielfilm und das merkt man.
Es fehlt an Rhythmus und Dramaturgie.
Auch die Dialoge lassen zu wünschen übrig.
Das Drehbuch ist einfach nicht gut genug, obwohl vier Autoren daran mitgeschrieben haben.
Der Film ist u.a. auf Initiative von KATE WINSLET entstanden, die schon 2015 als Hauptdarstellerin feststand.
Das Problem ist nur, dass LEE MILLER 1943 gerade mal 36 Jahre alt und immer noch sehr attraktiv war, KATE WINSLET aber jetzt 48, was dazu führt, dass man die Attraktivität und die Verführungskünste LEE MILLERs, für die sie berüchtigt war, nicht wirklich nachvollziehen kann.
Die überwiegende Zeit spielt KATE WINSLET eher barsch, unfreundlich und herrisch.
Auch ihr (wohl der damaligen Zeit geschuldetes) ständiges Rauchen wirkt nicht echt. Ich denke, in der Realität raucht die Schauspielerin KATE WINSLET überhaupt nicht und das sieht man.
Am besten gefällt mir KATE WINSLET als alte Frau im Interview mit ihrem Interviewer/ Sohn TONY, wenn sie sehr überzeugend darstellt, dass sie über ihre Vergangenheit nie reden wollte und warum sie auch ihren Sohn über all die Jahre in seiner Kindheit vernachlässigt hat.
Das ist große Schauspielkunst!
Fazit: Ein interessantes Zeitdokument aus der Sicht einer Kriegsreporterin. Ob es einem die faszinierende Persönlichkeit LEE MILLERS näher bringt ist allerdings fraglich.
Bilderserie mit 10 Photos aus dem Film „Die Fotografin“:
English text
The new films in the cinema – The Photographer (Lee) with Kate Winslet
By Holger Jacobs
An interesting film about an even more interesting woman
„The Photographer“ („Lee“) by ELLEN KURAS with KATE WINSLET, ALEXANDER SKARSGARD, ANDY SAMBERG, MARION COTILLARD, NOÉMIE MERLANT.
The film tells the story of the photographer, model, muse and war reporter LEE MILLER, who worked as a successful fashion model in New York and later in Paris for French and American VOGUE in the 1920s and was photographed by famous photographers such as EDWARD STEICHEN and GEORGE HOYNINGEN-HUENE and MAN RAY.
In Paris, through her relationship with MAN RAY, she came into the circles of the surrealists around PAUL ÉLUARD, ANDRÉ BRETON and JEAN COCTEAU. She later became a photographer herself, first opening a photo studio in Paris and then in New York.
In 1934 LEE married a wealthy Egyptian businessman and moved to Cairo for a few years. When she was back in Paris in 1937 and attended a party given by her surrealist friends, she met and fell in love with the English artist and gallery owner ROLAND PENROSE.
LEE divorced the Egyptian and moved to London in 1939.
When World War II broke out, PENROSE was drafted into the military and LEE returned to New York.
But she was determined to continue working as a photographer and managed to become one of the few women to be accredited for war reporting in Europe. With the Time-Life photographer DAVID SHERMAN, she traveled with the American soldiers from Normandy, via Paris and Munich to Obersalzberg (Hitler’s holiday home in the Alps), whose fiery end she witnessed.
She was also present at the liberation of the Dachau concentration camp and photographed the piles of prisoners‘ corpses.
One of her most famous photographs shows herself, not in an expensive haute couture gown, but in Hitler’s bathtub in his Munich apartment on Prinzregentenplatz. She had her colleague DAVID SHERMAN photograph her naked with her camera.
After the war, LEE MILLER suffered severe war trauma and began to drink.
Nevertheless she and ROLAND PENROSE married and moved to the countryside near London and had their son Antony.
LEE MILLER never took any more photographs and never talked about her war experiences. She remained cool and aloof towards her son.
It was only after LEE MILLER’s death in 1977 that his son Antony discovered thousands of negatives and photos in the attic of the house and was able to understand his mother’s life story for the first time.
He founded the Lee Miller Archives.
ROLAND PENROSE died six years after LEE on her birthday, April, 23rd…
The movie
For me, LEE MILLER has always been a fascinating personality.
Of outstanding beauty.
In my youth, I devoured the photos that MAN RAY had taken of her and since the founding of my culture magazine kultur24, I have already reported twice on exhibitions that had LEE MILLER as their theme (for example the LEE MILLER exhibition at GROPIUS-Bau in Berlin 2016).
So it was clear to me that I would go to the cinema on the first day of its release.
First surprise:
In the CINEMAXX in Berlin, the film is only shown in a small studio cinema with around 25 seats.
Well, is there so little interest in this extraordinary woman?
Second surprise:
Unfortunately, the film is not as good as advertised.
There are several reasons for this. But more on that later.
This biopic attempts to recreate the key stages of LEE MILLER’s life.
It begins during her time in France at a picnic with her surrealist friends.
Here she meets ROLAND PENROSE and begins an affair with him.
In the photo on the left you can see this scene from the film and to the right the original shot by Lee Miller with Man Ray (white cap) next to his girlfriend Adrienne, Roland Penrose in the background, Nusch and Paul Éluard on the left:
The next stops are London at the start of the war and LEE’s wish to become a photographer herself. She manages to get to France with the American troops as a war correspondent and follows the troops to Munich and into Adolf Hitler’s bathroom.
In between there are repeated scenes with the journalist TONY (Josh O’Connor), who is actually her son and conducts an imaginary interview with his mother after her death.
The director ELLEN KURAS and KATE WINSLET know each other from the film production “The Gardens of Versailles” in 2014, when KATE played the lead role and ELLEN was the camerawoman.
The film “The Photographer” (“Lee”) is ELLEN KURAS’ first feature film and you can tell.
It lacks rhythm and dramaturgy.
The dialogues also are not convincing.
The script is simply not good enough, even though four authors co-wrote it.
The movie was created on the initiative of KATE WINSLET, among others, who had been confirmed as the lead actress since 2015.
The only problem is that LEE MILLER was just 36 years old in 1943 and still very attractive, but KATE WINSLET is 48, which means that you can’t really understand LEE MILLER’s attractiveness and seductive skills, for which she was notorious (she is also said to have had an affair with her co-photographer DAVID SHERMAN).
KATE WINSLET mostly plays a rather harsh, unfriendly and bossy role.
Her constant smoking (probably due to the time) also doesn’t seem real. I think that in reality the actress KATE WINSLET doesn’t smoke at all and you can see that.
I like KATE WINSLET best as an old woman in the interview scenes with her interviewer/son TONY, when she very convincingly explains that she never wanted to talk about her past and why she neglected her son over all those years during his childhood.
That’s great acting!
Conclusion: An interesting contemporary document from the perspective of a war reporter.
Whether it brings you closer to that fascinating personality of LEE MILLER is questionable, however.
Image series with 10 photos from the movie „Die Fotografin“ (Lee):
Author: Holger Jacobs
Founder & Editorial Director of kultur24.berlin ug.
Founder & Editorial Director of kultur24 TV on Youtube.
Former correspondent for fashion in Paris.
Photographer, writer and filmmaker.