Don Giovanni in der Komischen Oper Berlin

Don Giovanni - Komische Oper Berlin -Photo: Holger Jacobs

Don Giovanni in der Komischen Oper Berlin

 

Von Holger Jacobs

28.04.2025

Wertung: 🙂 🙂 🙂 🙂 (vier von fünf)

Homosexuelle Begierden, viel nackte Haut und am Schluss Mozarts Requiem sind die Zutaten, die Regisseur Kirill Serebrennikov erlauben, einen neuen, spektakulären Don Giovanni zu erschaffen.

Don Juan – Giacomo Casanova

Kaum eine Gestalt in der Literaturgeschichte ist so faszinierend wie DON JUAN – der ultimative Liebhaber, dem die Frauen zu Füßen liegen.
Verehrt von Frauen, wie von Männern.
Die Frauen schwärmen von dem einfühlsamen Lover, der ihre erotischen Fantasien erfüllt und ihre Sexualität befriedigt. Und die Männer bewundern bei ihm den Erfolg bei Frauen – den jeder Mann natürlich selbst gerne hätte.

Nicht von ungefähr feiern wir in diesem Jahr den 300. Geburtstag von GIACOMO CASANOVA (2. April 1725 – 4. Juni 1798), diesem venezianischen Lebemann, der über 1000 Frauen verführt haben soll. Der Legende nach, soll er sogar auf das Libretto von Mozarts „Don Giovanni“ Einfluss genommen haben. Angeblich kannten sich Mozarts Librettist DA PONTE und CASANOVA gut.

Giacomo CASANOVA, 1760, Francesco Narici

So beliebt WOLFGANG AMADEUS MOZARTs Kompositionen auch schon zu seinen Lebzeiten waren (er soll ĂĽber 600 Werke geschrieben haben), so stellen doch seine Opern eine ganz besondere Kategorie dar und sind Dank ihres musikalischen Wertes besonders geliebt.
Und von diesen 21 Opernkompositionen sind es genau jene drei, die MOZART mit seinem Librettisten LORENZO DA PONTE schrieb, die die Herzen jedes Opernliebhabers höher schlagen lassen:
„Le nozze di Figaro“ („Figaros Hochzeit“, Uraufführung 1786), „Don Giovanni“ (Uraufführung 1787) und „Cosi fan tutte“ („Das ist was sie alle tun“, Uraufführung 1790).

Viele Opernhäuser lassen deshalb diese drei sogenannten „Da Ponte“ Opern gerne nacheinander neu inszenieren, zumeist von ein und demselben Regisseur, ähnlich wie dies auch gerne bei den vier Opern des „Ring des Nibelungen“ von Wagner gemacht wird.

Drei neue Da-Ponte-Opern

Die Komische Oper Berlin hatte erst 2014 eine Neuinszenierung des „Don Giovanni“ auf die Bühne gebracht. Eine ziemlich durchgeknallte Produktion des Regisseurs HERBERT FRITSCH mit einem Don Giovanni in Gestalt des bösen „Jokers“ (Batmans Gegenspieler in den „Batman“ Comics).
Gesungen und dargestellt von GĂśNTER PAPENDELL.
Hier mein altes Video von damals (Bitte die mindere Qualität zu entschuldigen):

Nun also eine neue Runde der drei Da Ponte- Opern von MOZART in der Komischen Oper mit Regisseur KIRILL SEREBRENNIKOV.
Die Reihe fing an mit MOZARTS „Cosi fan tutte“ (kultur24 berichtete) im Jahr 2023. Es handelte sich um eine Übernahme einer Produktion des Opernhauses Zürich aus dem Jahr 2018, als SEREBRENNIKOV noch im Hausarrest in Moskau war und die Regie nur per Videoschalte „online“ durchführen konnte.
Letztes Jahr dann die Neuproduktion von „Le nozze di Figaro“ (kultur24 berichtete), ebenfalls in der Regie von KIRILL SEREBRENNIKOV und mit fast den gleichen Sänger*innen in den Hauptrollen, wie jetzt im „Don Giovanni“: TOMMASO BAREA sang damals den „Figaro“ und singt jetzt im „Don Giovanni“ den Leporello.
Und HUBERT ZAPIOR sang damals den „Graf Almaviva“ und jetzt den „Don Giovanni“. PENNY SOFRONIADOU damals die „Susanna“ und jetzt die „Zerlina“. Und alle drei machen das in beiden Produktionen ganz wunderbar!
Hier mein Video von „Le nozze di Figaro“ von April 2024:

Kritik

Während mir die beiden oben genannten ersten „DA PONTE-MOZART-Opern wirklich sehr gefallen haben, ist meine Meinung über diesen letzten Teil etwas gedämpfter. Aus mehreren Gründen.

Erstens stellt KIRILL SEREBRENNIKOV „Don Giovanni“ (HUBERT ZAPIOR) ab der ersten Minute als kranken Mann im Bett eines Hospitz dar.
Zerlina (PENNY SOFRONIADOU) ist seine Krankenschwester.
Das unheilvolle Ende des reuelosen Verführers (und Mörders des Vaters von Donna Anna (ADELA ZAHARIA)) wird damit schon früh angedeutet, belastet aber die gesamte Inszenierung in ihrer Durchführung.
So wird z.B. die berühmte Arie „Reich mir die Hand, mein Leben“ im 1. Akt zu einer schwächelnden Performance mit einem wackeligen „Don Giovanni“ an der Hand seiner Krankenschwester Zerlina.
Seht dazu auch mein Video vom neuen „Don Giovani“:

Ein weiterer Einfall SEREBRENNIKOVS, der sich durch die gesamte Inszenierung zieht, ist die Tatsache, das zu Beginn der Oper „Don Giovanni“ eigentlich schon tot ist und er sich in einer Form des tibetanischen „Bardo“ nun an seine Taten erinnert.
So sind laut Programmheft die einzelnen Abschnitte der Oper in „Bardo des Lebens“, „Bardo der Träume“, „Bardo der Visionen“ und „Bardo der Schwelle zum Tod“ unterteilt.

Als dritte Besonderheit ist die Idee von SEREBRENNIKOV, die Donna Elvira nicht als Frau, sondern als Mann Don Elviro darstellen zu lassen.
Dazu fand er den brasilianischen Sänger BRUNI DE SÀ, der, ähnlich wie die Kastraten im 17. Jahrhundert, eine Sopranstimme besitzt und somit die Partitur der Donna Elvira singen kann. Und das erstaunlich gut!
Die Idee dahinter ist sicher wohl, dass nach SEREBRENNIKOV die Verführungskunst „Don Giovannis“ nicht nur auf Frauen, sondern auf alle Geschlechter wirkt.
Eine interessante Idee.

Bruno de SĂ  (Don Elviro), Hubert Zapior (Don Giovani), Augustin Gomez (Don Ottavio), Foto: Holger Jacobs

Jedoch ist es etwas verstörend, wenn ein bärtiger, in schwarzem Smoking gekleideter Mann die Arien von Donna Elvira singt und dabei mit „Don Giovanni“ rumschmust. Zusätzlich wirkt es irgendwie aufgesetzt.
Als wolle jemand mit dem Holzhammer zeigen, welcher Schurke „Don Giovanni“ als Verführer ist.
Nach meinem Geschmack etwas „too much“.
Dazu gibt es KI-veränderte Pornos als Projektion auf die Sperrholzwände.

Pornos an der Wand, Foto: Holger Jacobs

Als vierte Neuerung setzt KIRILL SEREBRENNIKOV drei Teile von MOZARTS „Requiem“ an den Schluss der Oper, bei der, ähnlich wie im „Faust“ von  Goethe, der Bösewicht von Gott von seinen Sünden erlöst wird und zum Himmel fährt (hier dargestellt durch eine hölzerne Wand, auf der „Don Giovanni“ wie ein Bergsteiger nach oben läuft).

Der Aufstieg im Requiem, Foto: Holger Jacobs

So sehr ich das „Requiem“ von MOZART auch liebe, es scheint mir hier zu viel des Guten zu sein.

Fazit: Eine mit zu vielen Ideen ĂĽberladene Inszenierung, die dennoch eine gewisse Faszination ausstrahlt.
Auf jeden Fall eine Empfehlung.

„Don Giovanni“ von Mozart
Premiere war am 27.04.2025
Regie, BĂĽhnenbild und KostĂĽm: Kirill Serebrennikov
Musikalische Leitung: James Gaffigan
Mit: Hubert Zupior (Don Giovanni), Tommaso Barea (Leporello), Adeala Zaharia (Donna Anna), Bruno De sai (Don Elviro/ Donna Elvira), Penny Sofroniadou (Zerlina), Augustin Gomez (Don Ottavio), Philipp Meierhöfer (Masetto).

Bilderserie mit 30 Fotos aus „Don Giovanni“:

Hubert Zapior (Don Giovanni), Tommaso Barea (Leporello), „Don Giovanni“, Foto: Holger Jacobs

Author: Holger Jacobs

Founder & Editorial Director of kultur24.berlin ug.
Founder & Editorial Director of kultur24 TV on Youtube.
Former correspondent for fashion in Paris.
Photographer, writer and videographer.

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