Jewgeni Onegin in der Komischen Oper
Von Holger Jacobs
2.2.2016
Wertung: 🙂 🙂 🙂 🙂 🙂 (fünf von fünf)
Wieder einmal ist es Barrie Kosky an der Komischen Oper gelungen mit seiner neuen Produktion alle zu begeistern.
Kaum eine andere Oper zeigt so sehr die russische Seele.
Denn diese Oper von Peter Tschaikowsky geht auf den berühmten Vers-Roman von Alexander Puschkin zurück, welcher bei den Russen als das National-Epos schlechthin gilt. Vergleichbar der Nibelungen-Sage der Deutschen.
Was lag also für Tschaikowsky näher, als dieses außerordentliche Werk der Literatur zu vertonen. So wie Richard Wagner die Nibelungen Sage.
Für Tschaikowsky war es seine fünfte Oper, welche einen enormen Erfolg feierte. Seine Musik ist schwelgerisch und romantisch und entspricht dem Grundgefühl des Romans. Die Dramatik der Geschichte scheint diese „schöne“ Musik kaum wieder zu spiegeln, gleicht sie doch mehr dem Gesang eines Liebesromans.
Handlung
Um 1820, gut ein Jahrhundert vor der Oktoberrevolution, ist die Welt der russischen Adligen noch in Ordnung.
Die gehobene Gesellschaft hat viel Geld, viele Besitztümer und muss für ihren Unterhalt nicht arbeiten.
Eugen Onegin ist der Sohn eines reichen Gutsbesitzers und gibt sich dem Müßiggang hin. Deshalb oder trotzdem ist ihm das Leben furchtbar langweilig und die Sinnlosigkeit seines Daseins lässt ihn zynisch und gefühlskalt werden. Durch einen Freund lernt er eines Tages die schüchterne Nachbarstochter Tatjana kennen. Diese verliebt sich unsterblich in ihn, was Onegin aber völlig kalt lässt. Tiefere Gefühle kommen in seiner Welt nicht vor. Aus Verdruss macht er sich an die Verlobte seines Freundes Lenski ran, was zum Duell zwischen den beiden führt.
Dabei tötet Onegin seinen Freund Lenski und zum ersten Mal empfindet er Trauer und Verlust. Er verlässt den Ort und bereist die Welt. Tatjana heiratet inzwischen einen älteren General und lebt in St. Petersburg. Als Onegin nach drei Jahren nach St. Petersburg zurückkommt und durch Zufall auf einem Ball Tatjana wiedersieht, verliebt er sich in sie. Doch es ist zu spät. Denn obwohl Tatjana Onegin immer noch liebt will sie ihren Mann nicht verlassen.
Der Zeitpunkt der gemeinsamen Liebe ist für immer verpasst.
Kritik
Da Intendant und Regisseur Barrie Kosky von seiner Natur eher der heiteren Seite des Lebens näher steht, wird auch seine Inszenierung von „Jewgeni Onegin“ zu großen Teilen eher von fröhlich-romantischen Gedanken bestimmt. Gerade der Beginn auf einer Wiese mit ziemlich echt aussehendem Gras auf der Bühne lässt an laue Sommernächte erinnern. Und bei den Szenen mit der Dorfbevölkerung wird geschunkelt und gejauchzt wie auf einem Oktoberfest. Erst zum Ende des zweiten Aktes beim Duell der beiden Kontrahenten wird es ernst.
Onegin kommt blutverschmiert aus dem Wald gestürzt. Auch nach der Pause geht es relativ frohgemut weiter, bis zum Ende, wenn sich Tatjana und Onegin zum letzten Mal treffen.
Ein echter Regenschauer, der vom Bühnendach auf die beiden Liebenden herniederprasselt, dramatisiert die Schlussszene noch zusätzlich.
Großer Applaus für die Sängerinnen und Sänger.
Es gelingt ihnen dem Zuhörer die wunderbaren Melodien von Tschaikowskys Komposition mit Bravour entgegen zu bringen.
Und Asmik Grigorian als Tatjana ist eine wahre Entdeckung. Jung, hübsch, schlank und dann noch eine tolle Stimme – das habe ich schon lange nicht mehr in dieser Kombination erlebt. Bravo, Bravissimo!
„Jewgeni Onegin“ von Peter Tschaikowski
Komische Oper Berlin
Behrenstrasse 55
10117 Berlin
Tel. 030 – 47997400
Regie: Barrie Kosky, Musikalische Leitung: Henrik Nanasi, Bühne: Rebecca Ringst, Kostüme: Klaus Bruns
Jewgeni Onegin: Günter Papendell, Tatjana: Asmik Grigorian, Olga: Karolina Gumos, Lenski: Ales Briscein
Hier unsere Bilderserie mit 34 Fotos der Opern produktion:
English Text
Premiere of Jewgeni Onegin at Komische Oper Berlin
Rating: 🙂 🙂 🙂 🙂 🙂 (five out of five)
By Holger Jacobs
02/02/2016
Once again, Barrie Kosky at the Komische Oper has succeeded in inspiring everyone with his new production.
Hardly any other opera shows so much the Russian soul. Because this opera by Peter Tchaikovsky goes back to the famous verse novel by Alexander Pushkin, which is considered by the Russians as the national epic par excellence. Comparable to the Nibelungen legend of the Germans. What was closer to Tchaikovsky than to set this extraordinary work of literature to music? Like Richard Wagner with the Nibelungen legend. For Tchaikovsky it was his fifth opera, which could celebrate a tremendous success. His music is voluptuous and romantic and corresponds to the basic feeling of the novel. The drama of the story seems to reflect this „beautiful“ music hardly again, it is more like the song of a romance novel.
Story
Around 1820, well over a century before the October Revolution, the world of Russian noblemen is still in order. The upscale society has a lot of money, many possessions and does not have to work for their living. Eugene Onegin is the son of a wealthy landowner and succumbs to idleness. For that reason life is terribly boring for him, and the futility of his existence makes him cynical and emotionally cold. Through a friend he meets one day the shy neighbor’s daughter Tatjana. She falls in love with him, but Onegin does not even notice her. Deeper feelings do not occur in his world.
But out of annoyance, he approaches the fiancé of his friend Lenski, which leads to a duel between the two. Onegin kills his friend Lenski and for the first time he feels grief and loss. He leaves the place and travels the world. Tatjana meanwhile marries an elderly general and lives in St. Petersburg.
When Onegin comes back to St. Petersburg after three years and accidentally met Tatjana again on a ball, he falls in love with her. But now it’s too late.
Even Tatjana still loves Onegin, but she does not want to leave her husband.
The time of common love is missed forever.
Critics
Since director Barrie Kosky is by nature closer to the serene side of life, his staging of „Yevgeny Onegin“ is largely determined by happy-romantic thoughts. Especially the beginning on a meadow with pretty real-looking grass on the stage reminds on balmy summer nights. And in the scenes with the village population is gawked and cheered as at an Oktoberfest.
Only at the end of the second act in the duel of the two opponents the expression is dramatic. Onegin leaves the forest seriously injured. But after the break, it continues relatively happy, until the end, when Tatjana and Onegin meet for the last time. A real rain shower, which rumbles down from the stage roof to the two lovers, dramatizes the final scene.
Big applause for the singers. They manage to bring the listener the wonderful melodies of Tchaikovsky’s composition with flying colors.
And Asmik Grigorian as Tatjana is a true find. Young, pretty, slim and a great voice – I have not experienced this combination for a long time. Bravo, Bravissimo!
„Jewgeni Onegin“ by Peter Tschaikowski
Komische Oper Berlin
Behrenstrasse 55
10117 Berlin
Tel. 030 – 47997400
Director: Barrie Kosky, Musical Director: Henrik Nanasi, Stage: Rebecca Ringst, Costumes: Klaus Bruns
Jewgeni Onegin: Günter Papendell, Tatjana: Asmik Grigorian, Olga: Karolina Gumos, Lenski: Ales Briscein
You can find 34 pictures of the produktion above in the german text.
Author: Holger Jacobs
Founder & Editorial Director of kultur24.berlin ug.
Founder & Editorial Director of kultur24 TV on Youtube.
Former correspondent for fashion in Paris.
Photographer, writer and filmmaker.