MACBETH von Verdi in der Deutschen Oper Berlin

Macbeth - Deutsche Oper Berlin - ph: Eike Walkenhorst

MACBETH von Verdi in der Deutschen Oper Berlin

 

Von Holger Jacobs

04.12.2024

Wertung: 🙂 🙂 🙂 🙂 (drei von fünf)

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Ein düsteres Spektakel in einer noch düsteren Inszenierung

Der Vorteil, dass ich durch mein Kulturmagazin kultur24 nun schon seit 10 Jahren intensiv an der Kulturszene Berlins teilnehme, ist die Möglichkeit, dieselben großartigen Stücke der Theater- und Opernliteratur gleich mehrmals in verschieden Inszenierungen erleben zu dürfen.

Es ist genau 6 Jahre her, als die Staatsoper Unter den Linden ebenfalls eine „Macbeth“ Produktion auf die Bühne brachte. Damals mit absoluter Spitzenbesetzung: ANNA NETREBKO (*1971) als Lady Macbeth, PLACIDO DOMINGO (*1941) als Macbeth, Regie: HARRY KUPFER (1935 – 2019) und die musikalische Leitung hatte DANIEL BARENBOIM (*1942) übernommen.
Besser geht’s nicht! Weshalb ich damals auch fünf von fünf Punkten vergab.
Hier meine damalige Rezension von Macbeth an der Staatsoper.

Macbeth, Staatsoper Unter den Linden, 2018

Doch jetzt sitzen wir in der Deutschen Oper und dürfen eine wesentlich jüngere „Macbeth“-Produktion bewundern.
Jünger nicht nur in ihrer Inszenierung, sondern auch jünger von ihren Protagonisten:
Die französische Regisseurin MARIE-ÈVE SIGNEYROLE dürfte Anfang 40 sein, hat aber schon eine beachtliche Karriere hinter sich.
Studium an der Sorbonne, ab 2003 Assistenz an der Pariser Oper, 2009 Realisierung ihrs ersten Films und  2012 Inszenierung ihrer ersten Oper („Das schlaue Füchslein“ von Janáčeks) in Montpellier. Danach ging die Karriere steil nach oben, mit Inszenierungen von Berlioz‘ „La Damnation de Faust“ in Hannover, „Norma“, Samson et Dalila“ und „Don Giovanni“ in Straßburg und „Nabucco“ in Lille. Nächstes Jahr wird ihre Inszenierung von „Cassandra“ von Bernard Foccroulles aus Brüssel in der Staatsoper Unter den Linden zu sehen sein (Premiere am 19. Juni 2025).
Auch der Spanier EINRIQUE MAZZOLA (*1968) entstammt einer neuen Generation erfolgreicher Dirigenten.
Nach seiner Ausbildung am Verdi Konservatorium in Mailand wurde er später Chefdirigent des Orchestre national d‘ Ile de France und seit 2021 ist er Musikdirektor der Lyric Opera in Chicago und jetzt auch Gastdirigent an der Deutschen Oper.
Und die Sänger und Sängerinnen?
Auch hier ein Generationswechsel: der aus Russland stammende ROMAN BURDENKO als Macbeth ist 1884 geboren, MARKO MIMICA als Benko kam 1987 in Split/ Jugoslawien zur Welt und die US-amerikanische Sopranistin FELICIA MOORE dürfte der Generation Y (1981 – 1995) angehören, wenn nicht sogar jünger.

„Macbeth“, Deutsche Oper Berlin, 2024

Kritik

Die Erzählung der Handlung erspare ich mir heute und komme gleich zur Kritik.
Dass Alter letztlich keine Rolle spielt, ob eine Opern-Produktion ein Erfolg wird, kann man daran sehen, dass die HARRY KUPFER Inszenierung von 2017 doch wesentlich besser war, als die von MARIE-ÈVE SIGNEYROLE, wie man vielleicht an den beiden Videos sehen kann, die ich von beiden Inszenierungen gemacht habe.
Das erste, was in der neuen Produktion von der Französin auffällt ist die Reduktion auf das Wesentliche bei Bühne (FABIEN TEIGNÉ), Kostüm (YASHI) und Personenregie.
Gleich die erste Szene während der Ouvertüre sind nur wenige Personen und ein roter Vorhang zu sehen. Auch bei der nächsten Szene mit den Hexen, die Macbeth ihre Weissagungen geben, sind nur der Chor (in weißen Blusen und schwarzen Hosen gekleidet) und eine Schauspielerin zu sehen, die auf einem Laptop schreibt, ansonsten ist alles in Schwarz gehüllt.
Und die Szenen im Schloss mit Lady Macbeth und Macbeth selbst und dem Mord an dem König spielen sich in zwei kleinen, nebeneinander liegenden Räumen ab. Der Rest liegt im Dunklen. Bis auf das große Fest am Schluss des zweiten Aktes wird diese Reduktion bis zum Ende durchgezogen.

Regisseurin Marie-Ève Signeyrole, ph: Morlier

Dafür fügt Regisseurin MARIE-ÈVE SIGNEYROLE zwei Elemente hinzu, die so nicht bei Verdi vorkommen:
Ein Hirsch, der in fast jeder Szene zu sehen ist und eine Art Beobachterfunktion hat.
Und Videosequenzen, die Computergrafiken auf einem Laptop zeigen, die ein Art Algorithmus oder eine Art von Programmierung darstellen.
Der Hirsch könnte ein Symbol für Macht und Stärke, wie auch für das Leben an sich darstellen. Stirbt der Hirsch, stirbt der Mensch.
Die Computergrafiken könnte ein Hinweis darauf sein, dass unser Schicksal durch Programmierung vorbestimmt ist. Oder der Mensch durch Programmierung (oder auch ganz allgemein durch das Internet) manipuliert wird. Denn die Dame, die den Laptop bedient, ist Teil der Hexen.
So oder so, jeder darf sich darunter etwas anderes verstehen.

Die musikalische Qualität der Produktion ist allerdings sehr gut.
Allen voran die musikalische Leitung unter ENRIQUE MAZZOLA ist hervorragend. Er schafft es, sein Orchester mit den Stimmen der Sängerinnen und Sänger perfekt harmonisieren zu lassen. Der große Applaus für ihn und seine Musiker zeigte am Ende, dass er die Zuschauer begeistern konnte.

Dirigent Enrique Mazzola, ph: Martin Sigmund

Auch bei der Qualität der Sängerinnen und Sängern gibt es nichts auszusetzten.
Der Bariton von ROMAN BURDENKO als Macbeth ist schön und kräftig und lässt auch Raum für das Hin- und Hergerissen sein von Macbeth zwischen seinem Wunsch nach Macht und seinem Bewusstsein für die böse Tat.
Die beiden jungen Sänger MARKO MIMICA als Banquo und ATTILO GLASER als Macduff können stimmlich überzeugen.
Bei FELICIA MOORE ist meine Meinung etwas gespalten.
Sie mit ANNA NETREBKO in der Staatsopernproduktion zu vergleichen wäre natürlich nicht fair. Wie zu hören war, ist sie wohl auch erst kürzlich dazugestoßen, als eine Absage von ANASTASIA BARTOLI kam.
FELICIA MOORES Stimme ist sowohl angenehm, wie präzise. Ohne überbordende Spitzen und Trommelfell-angreifende Lautstärken. Doch ihre überdimensionale Körperfülle empfand ich dann doch als sehr störend.
Die Zeiten wo man glaubte, dass große Körperfülle für ein mächtiges Organ notwendig wären, sind endgültig vorbei. Schon in den 60er Jahren zeigte die zierliche MARIA CALLAS, dass es auch anders geht. Dabei gibt es heutzutage so viele sehr attraktive Sängerinnen, denen man auch diese Partitur zutrauen könnte. Aber vielleicht war nach der Absage Bartolis einfach nicht genügend Zeit.

Applaus „Macbeth“, Deutsche Oper Berlin, ph: Holger Jacobs

Fazit: Musikalisch top, szenisch zu schwach. Und den Computerkram hätte sich MARIE-ÈVE SIGNEYROLE sparen können.
Trotzdem hab ich den Abend genossen.

„Macbeth“ von Giuseppe Verdi
Deutsche Oper Berlin
Premiere war am 23.11.2024
Musikalische Leitung: Enrique Mazzola, Regie: Marie-Ève Signeyrole, Bühne: Fabien Teigné, Kostüme: Yashi.
Mit: Roman Burdenko „Macbeth), Marko Mimica (Banquo), Felicia Moore (Lady Macbeth), Attila Glaser (Macduff), Thomas Cilluffo (Malcolm), Dana Marie Esch (Oberhexe).

Bilderserie drei Fotos von „Macbeth“:

„Macbeth“, Deutsche Oper Berlin, ph: Eike Walkenhorst

 

English Text

 

MACBETH by Verdi at the Deutsche Oper Berlin

 

By Holger Jacobs


December 4, 2024

Rating: 🙂 🙂 🙂 (four of five)

A dark spectacle in an even darker production

The advantage of being intensively involved in Berlin’s cultural scene for 10 years now through my culture magazine kultur24 is the opportunity to experience the same great pieces of theater and opera literature several times in different productions.
It was exactly 6 years ago when the Staatsoper Unter den Linden also brought a „Macbeth“ production to the stage.
Back then with an absolutely top-notch cast:
ANNA NETREBKO (*1971) as Lady Macbeth, PLACIDO DOMINGO (*1941) as Macbeth, director: HARRY KUPFER (1935 – 2019) and the musical direction was taken over by DANIEL BARENBOIM (*1942).
It couldn’t be better! Which is why I gave it five out of five points.
Here is my review of Macbeth at the State Opera.

Here my video of „Macbeth“ from Staatsoper 2017:

Macbeth, Staatsoper Unter den Linden, 2018

But now we are sitting in the Deutsche Oper and can admire a much younger production of “Macbeth”.
Younger not only in her production, but also younger in her protagonists:
The French director MARIE-ÈVE SIGNEYROLE is probably in her early 40s, but already has a remarkable career behind her.
Studied at the Sorbonne, assistant at the Paris Opera from 2003, made her first film in 2009 and directed her first opera (“The Cunning Little Vixen” by Janáček) in Montpellier in 2012. Her career then continued to rise, with productions of Berlioz’s “La Damnation de Faust” in Hanover, “Norma”, “Samson et Dalila” and “Don Giovanni” in Strasbourg and “Nabucco” in Lille. Next year, their production of “Cassandra” by Bernard Foccroulles from Brussels will be shown at the Staatsoper Unter den Linden (premiere on June 19, 2025).
The Spaniard EINRIQUE MAZZOLA (*1968) also comes from a new generation of successful conductors.
After his training at the Verdi Conservatory in Milan, he later became chief conductor of the Orchestre national d‘ Ile de France and has been music director of the Lyric Opera in Chicago since 2021 and is now also a guest conductor at the Deutsche Oper.
And the singers?
Here, too, a generational change: ROMAN BURDENKO, who comes from Russia, as Macbeth was born in 1884, MARKO MIMICA as Benko was born in 1987 in Split/Yugoslavia and the American soprano FELICIA MOORE probably belongs to Generation Y (1981 – 1995), if not even younger.

Here my video of „Macbeth“, Deutsche Oper 2024:

„Macbeth“, Deutsche Oper Berlin, 2024

Critics

I’ll skip the plot recounting today and come straight to the review.
The fact that age ultimately plays no role in whether an opera production is a success can be seen in the fact that the HARRY KUPFER production from 2017 was much better than that of MARIE-ÈVE SIGNEYROLE, as you can perhaps see from the two videos I made of both productions.
The first thing that stands out in the new production by the Frenchwoman is the reduction to the essentials in terms of stage (FABIEN TEIGNÉ), costume (YASHI) and direction of the actors.

Regisseurin Marie-Ève Signeyrole, ph: Morlier

In the very first scene, only a few people and a red curtain can be seen.
In the next scene with the witches giving Macbeth their prophecies, only the choir (dressed in white blouses and black trousers) and an actress writing on a laptop can be seen, otherwise everything is covered in black.
And the scenes in the castle with Lady Macbeth and Macbeth himself and the murder of the king take place in two small, adjacent rooms.
The rest is in the dark.
With the exception of the big party at the end of the second act, this reduction is carried through to the end.
In return, director MARIE-ÈVE SIGNEYROLE adds two elements that do not appear in Verdi’s work:
A stag that can be seen in almost every scene and has a kind of observer function.
And video sequences that show computer graphics on a laptop that represent a kind of algorithm or a kind of programming.
The stag could be a symbol of power and strength, as well as of life itself.
If the stag dies, human dies.
The computer graphics could be an indication that our fate is predetermined by programming.
Or that people are manipulated by programming (or by the Internet in general). Because the lady who operates the laptop is part of the witches.
Either way, everyone can understand it differently.

Dirigent Enrique Mazzola, ph: Martin Sigmund

The musical quality of the production is very good, however.
Because the musical direction under ENRIQUE MAZZOLA is excellent.
He manages to make his orchestra harmonize perfectly with the voices of the singers.
The great applause for him and his musicians at the end showed that he was able to inspire the audience.

Applaus „Macbeth“, Deutsche Oper Berlin, ph: Holger Jacobs

There is also nothing to complain about when it comes to the quality of the singers.
ROMAN BURDENKO’s baritone as Macbeth is beautiful and powerful and also leaves room for Macbeth torn between his desire for power and his awareness of the evil deed.
The two young singers MARKO MIMICA as Banquo and ATTILO GLASER as Macduff are convincing vocally.
My opinion is somewhat divided when it comes to FELICIA MOORE.
Comparing her with ANNA NETREBKO in the State Opera production would of course not be fair.
As we heard, she only recently joined when ANASTASIA BARTOLI declined.
FELICIA MOORE’S voice is both pleasant and precise. Without excessive peaks and eardrum-attacking volumes.
But I found her oversized body to be very disturbing.
The times when people believed that a large body was necessary for a powerful organ are definitely over.
Back in the 1960s, the petite MARIA CALLAS showed that things could be done differently.
And there are so many very attractive singers these days who could also be trusted to sing this score. But perhaps there was simply not enough time after Bartoli’s cancellation.

Conclusion: Musically top, scenically not convincing.
And MARIE-ÈVE SIGNEYROLE could have throw away the computer stuff.
Nevertheless, I enjoyed the evening.

Picture series with three photos of „Macbeth“:

„Macbeth“, Deutsche Oper Berlin, ph: Eike Walkenhorst

 

Author: Holger Jacobs

Founder & Editorial Director of kultur24.berlin ug.
Founder & Editorial Director of kultur24 TV on Youtube.
Former correspondent for fashion in Paris.
Photographer, writer and videographer.

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