Mies van der Rohe Haus Berlin-Weissensee
Von Holger Jacobs
13.5.2016
Intro:
Als ich Anfang Mai die Einladung zu einem Künstlergespräch in das Mies van der Rohe Haus in Berlin Weißensee von der Galerie Aurel Scheibler bekam, sagte ich sofort zu. Denn es ist eines der letzten noch existierenden Privathäuser, die der weltberühmte Architekt gebaut hat. Und das bei uns gleich um die Ecke.
Mies van der Rohe:
Eigentlich kennt wohl jeder kunst- und kulturinteressierte Mensch diesen Namen, dennoch kann es nicht schaden, sich das Wesentliche dieses Architektur-Genies noch einmal in Erinnerung zu holen.
Kurz zur Bio: Am 27. März 1886 in Aachen als Ludwig Mies geboren, besuchte er als junger Mann die Gewerbeschule, wurde Maurerlehrling und später Zeichner für Stuckornamente. Durch eine Empfehlung ging er nach Berlin. 1907, mit gerade einmal 21 Jahren, bekam er seinen ersten Auftrag für die Planung eines Hauses, dem Privathaus der Familie Riehl in Babelsberg bei Potsdam. Es fiel mit Satteldach und Gauben noch sehr klassisch aus.
Bei einer Ausschreibung für ein Bürohaus auf dem Grundstück Friedrichstrasse 140 in Berlin (heute steht dort das Gebäude von Ernst & Young am Bahnhof Friedrichstrasse) entwarf Mies 1921 einen Hochhausturm, der im Inneren aus freien Flächen und außen nur aus einer Glasfassade bestand. Auch wenn er die Ausschreibung nicht gewann, wurde hiermit die Grundidee seiner späteren Architektur zum ersten Mal beschrieben: Der offene Grundriss eines fließenden Raumes ohne tragende Wände. Das Gebäude wurde nur durch Säulen in seinem Inneren gestützt. Es war das erste Beispiel seiner revolutionären „Haut und Knochen“ Architektur, wobei „Haut“ für die Glasfassade und „Knochen“ für das Stahltragwerk im Inneren steht. Fast alle Hochhäuser folgen heute diesem Prinzip.
Das Glashochhaus wurde zwar nicht realisiert, dennoch kann man ein Meisterwerk seiner Architekturkunst in Berlin-Tiergarten bewundern: Die Neue Nationalgalerie.
Ein Meilenstein der Architekturgeschichte wurde Ende der 20-er Jahre sein Entwurf für den Pavillon der deutschen Abteilung auf der Weltausstellung 1929 in Barcelona – der so genannte Barcelona Pavillon. Dieser leichte Bau, aus nur wenigen Wänden und großen, von der Decke bis zum Boden ragenden Glasflächen bestehend, war der Star der damaligen Weltausstellung. Auch die Inneneinrichtung und die Möbel wurden von ihm gestaltet. Der so genannte „Barcelona-Sessel“ ist heute in vielen Wartezimmern und Aufenthaltsräumen großer Unternehmen zu finden. Das Original ist mit ca. 5000.- Euro pro Sessel auch nicht ganz billig. 1986 wurde der Pavillon rekonstruiert und kann heute von der Öffentlichkeit besichtigt werden.
Da heute nur noch wenige von Mies van der Rohe gebaute Wohnhäuser existieren, die diesen revolutionären Stil verkörpern, bin ich also gerne der Einladung der Galerie Aurel Scheibler gefolgt. Mit einer Ausstellung des Künstlers Stefan Löffelhardt.
Das Mies van der Rohe Haus in Berlin-Weissensee:
Nach einer längeren Fahrt mit der Strassenbahn in Richtung Norden, immer entlang an furchtbar hässlichen Einheits-Bauten aus DDR- Zeiten, kommt man schließlich an den Obersee, eine kleinere Schwester des nahe gelegenen Weissensees. 1932 hatte der Druckereibesitzer Karl Lemke bei Mies ein kleines und bescheidenes Wohnhaus in Auftrag gegeben. Nach nur 9 Monaten Bauzeit war das Haus bezugsfertig. Martha und Karl Lemke lebten dort bis zum Einmarsch der Russen 1945. Von der Roten Armee wurde es zunächst als Garage zweckentfremdet, später zog die Stasi ein und benutzte die Räume als Wäschedepot.
Nach der Wende wurde das Haus Eigentum der Kommune und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. 2002 wurde es grundsaniert. Das Wohnhaus für das Ehepaar Lemke ist der letzte Bau, den Mies van der Rohe in Deutschland realisierte. 1938 emigrierte er in die USA. Er starb 1969 in Chicago.
Mies van der Rohe Haus
Oberseestraße 60
13053 Berlin
Tel 030 – 970 006 18
Di – So 11 – 17 Uhr, Eintritt frei
Author: Holger Jacobs
Founder & Editorial Director of kultur24.berlin ug.
Founder & Editorial Director of kultur24 TV on Youtube.
Former correspondent for fashion in Paris.
Photographer, writer and videographer.