Premiere der Meistersinger bei den Salzburger Osterfestspielen
Von Dagmar Loewe
19.04.2019
Osterfestspiele 2019 in Salzburg. Unpolitische Premiere der „Meistersinger“. Umjubelter Erfolg für Thielemann und die Sänger-Luxusbesetzung, die Regie überzeugt nur partiell.
Großes Theater! Auf der Bühne und genauso vor dem Festspielhaus. Die Fernsehkameras surren, die teilweise noch analogen Spiegelreflexkameras der Fotografen klacken um die Wette – hast du sie gesehen, ihn gesehen? Gegenüber dem Festspielhaus sammeln sich die Passanten, um keine Berühmtheit, keine Celebrities zu verpassen.
Die schwarzen Limousinen des Fahrservices rollen an, Busse der gehobenen Hotels des Umlands folgen. Elegante bis kapriziöse Damen der Gesellschaft steigen aus den Karossen, kurzer Halt vor den Fotografen, „klick“, „klick“, „Klick“ und weiter ins Foyer des Festspielhauses.
Zur Premiere trägt man hier noch lang. Die eine oder andere, wahrscheinlich Neuzugänge, rechnen nicht mit der begrenzten Breite der Sitzplätze, vielleicht wird es etwas eng für die Sitznachbarn. Aber die Allermeisten sind in hocheleganten Abendkleidern zu sehen, die Herren tragen Smoking oder die Trachtenversion in grün, die Osterfestspiele sind immer noch deutlich exklusiver als die Festspiele im Sommer.
Man kennt sich, die meisten haben ihr Abo schon seit Jahrzehnten, teilweise bereits an die nächste Generation übergeben. Ein Gläschen Champagner, es klingelt, auf die Plätze.
Regisseur Jens-Daniel Herzog verlegt die Geschehnisse der Oper in ein spießiges, unpolitisches Nürnberg (wo er z.Z. selbst Intendant ist).
Der Vorhang öffnet sich und wir sehen eine von Mathis Neidhardt aufgebaute Bühne, sozusagen Theater im Theater- im Vordergrund das Bühnenportal der Dresdner Semperoper- ein Hinweis darauf, daß die Inszenierung dorthin weiterzieht?
Im Hintergrund die Nürnberger Katharinenkirche, später erscheint eine Drehbühne, auf der sich durch einen Theatervorhang getrennt, die verschiedenen Episoden abspielen.
Man sieht das Intendantenbüro, das irgendwann plötzlich als Schusterwerkstatt herhalten muss, Kostümfundus, Maske.
Das Konzept funktioniert aber nicht, beißt sich zu oft mit Wagners Regieanweisungen und führt durch die Unübersichtlichkeit zu Verwirrung.
Die Aufgabe des Intendanten/Regisseurs auf der Doppelbühne hat nun Hans Sachs, großartig gesungen und gespielt von Georg Zeppenfeld bei seinem Rollendebut, auf das er sich 2 ½ Jahre vorbereitete und der sich nun mit der Doppelrolle des Schusters/Intendanten beschäftigen muß.
Hans Sachs inszeniert also die Proben zu den Meistersingern, welche in ihren grauen Anzügen gleichzeitig die einflussnehmenden Theatersponsoren zu sein scheinen, ausnahmslos auf hohem Niveau agierend, bis hin zum Nachtwächter erstklassig besetzt.
Im Hintergrund die Festwiese, an ein Musikantenstadel erinnernd, etwas simpel dekoriert; der Chor ist entsprechend hübsch zurechtgemacht.
Es erscheint Junker Walther von Stolzing in Zimmermanns-Wanderkluft. Wirklich! Ja, bitte dreimal um die Ecke denken. Der Höhepunkt der Albernheit kommt, als der von Stolzing besungene „Wunderbaum“ vom Himmel schwebt und sich auf der Festwiese niederlässt.
Wo später, wie in der Prügelszene, wildes Hauen und Stechen mal gewünscht wäre, wiegt sich der Chor statt im Prügelchaos durchorchestriert wie ein Kornfeld hübsch ordentlich im Winde.
Das Regiekonzept ist aus der Sicht der Zuschauer nicht immer schlüssig.
Viele, etwas überintellektuell fein herausgearbeitete Details sind außer in den ersten Reihen nicht zu erkennen und wären mit der kammerspielartigen Regie eher für ein kleineres Theater geeignet. So wirkt im großen Haus die Szenerie eher statisch.
Brav, zahnlos und unpolitisch inszeniert, ist die Gestaltung der dargestellten Charaktere zwar facettenreich und feinsinnig, aber auch diese eher geeignet für die kleinere Bühne. Dieses große Haus braucht unbedingt einen großen Wurf, sonst verlieren sich die Darsteller auf der Bühne.
Demgegenüber sind alle Sänger/ Schauspieler auf hohem Niveau, sowohl gesanglich wie darstellerisch. Im Schauspiel sogar noch unterfordert. Da hat sich vielleicht der musikalische Leiter Christian Thielemann durchgesetzt, der bekanntlich um der Musik willen zu viel Tumult auf der Bühne nicht schätzt. Ein Wagnis, zeitlich parallel zu Koskys großartiger Bayreuther Meistersinger-Inszenierung diese verschwurbelte Regiearbeit auf die Bühne zu bringen.
Georg Zeppenfeld brilliert bei seinem Meistersingerdebut gesanglich und darstellerisch. Er singt unangestrengt prachtvoll elegant, jung, schlank und gestaltet mit heller, kantabler Eleganz und makelloser Diktion. Ein großartiger Sänger-Darsteller.
Beckmesser, gesungen von Adrian Eröd, wurde vielleicht noch nie so meisterlich dargestellt, in keinem Moment wird er zur Karikatur, sondern ist die tragikomische Figur als Mensch, scheiternd in seiner Liebessehnsucht wie seiner Kunstambition, trotzdem zur Gesellschaft dazugehörend- auch gesanglich filigran und überzeugend.
Klaus Florian Vogt braucht den Stolzing nicht zu spielen, er ist es. Er hat die Rolle unzählige Male verkörpert und spielt sie, schier alterslos, strahlend und leicht dahin, wahrscheinlich noch in Ewigkeit.
Vitalij Kowaljow als Veit Pogner und Levente Páll als Kothner stechen bei den durchgängig sehr gut besetzten Meistern hervor, David wird von Sebastian Kohlhepp bei seinem Rollendebut als ziemlich erwachsener Lehrbub quirlig und eloquent gesungen.
Jacquelyn Wagner singt die Eva etwas blass und unauffällig, Christa Mayer als Magdalene wirkt auch etwas schlicht.
Das Orchester, klug und minimalistisch geführt von Christian Thielemann, überzeugte von feinstem Pianissimo zur Untermalung der Sänger bis zum großen Klangrausch, wie gewohnt.
Frenetischer Applaus, wann immer Thielemann die Bühne betritt; will das Publikum damit verhindern, dass sich vielleicht musikalisch in baldiger Zukunft Änderungen ergeben?
Seit 2013 prägt Christian Thielemann mit der Sächsischen Staatskapelle die 1967 von Herbert von Karajan gegründeten Osterfestspiele.
Der derzeitige Intendant Prof. Peter Ruzicka soll 2020 von Nikolaus Bachler, zurzeit Intendant der Bayerischen Staatsoper, abgelöst werden.
Nun weiß man, dass Thielemann und Bachler keine Freunde sind, Bachler vielleicht die Berliner Philharmoniker unter Kirill Petrenko nach Salzburg zurückholen will.
Die Planung für 2020 hingegen steht längst: Es wird Verdis „Don Carlos“ gegeben, unter Thielemanns Dirigat, von Vera Nemirova inszeniert.
Der mit stählernen Stimmbändern eigentlich nur forte singende Ehemann von Anna Netrebko wird die Titelrolle geben, was nahelegt, daß Netrebko ursprünglich auch eingeplant war. Wir werden sehen…
„Die Meistersinger von Nürnberg“ von Richard Wagner
Osterfestspiele Salzburg
Premiere war am 13.04.2019
Musikalische Leitung: Christian Thielemann, Inszenierung: Jens-Daniel Herzog, Bühnenbild: Mathis Neidhardt, Kostüme: Sibylle Gädeke, Licht: Fabio Antoci, Choreografie: Ramses Sigl
Mit: Georg Zeppenfeld (Hans Sachs), Vitalij Kowaljow (Veit Pogner), Iurie Ciobanu (Kunz Vogelsang), Günter Haumer (Konrad Nachtigall), Adrian Eröd (Sixtus Beckmesser), Levente Páll (Fritz Kothner), Markus Miesenberger (Balthasar Zorn), Patrick Vogel (Ulrich Eißlinger), Adam Frandsen(Augustin Moser), Rupert Grössinger (Hermann Ortel), Christian Hübner (Hans Schwarz), Roman Astakhov (Hans Foltz), Klaus Florian Vogt (Walther von Stolzing), Sebastian Kohlhepp (David), Jacquelyn Wagner (Eva), Christa Mayer (Magdalene), Jongmin Park E(in Nachtwächter), Sächsische Staatskapelle Dresden, Sächsischer Staatsopernchor Dresden (Einstudierung: Jörn Hinnerk Andresen), Bachchor Salzburg (Einstudierung: Alois Glaßner)
Neuinszenierung, Koproduktion mit Semperoper Dresden, Tokyo Bunka Kaikan, New National Theater, Tokyo
Weitere Aufführung: Ostermontag, 22. April, 16:00 Großes Festspielhaus
Hier unsere Bilderserie mit 17 Fotos der Produktion:
english text
The Meistersinger at the Salzburg Easter Festival
By Dagmar Loewe
04/19/2019
(pictures above)
Easter Festival 2019 in Salzburg. Non-political premiere of the „Meistersinger“. Acclaimed success for Thielemann and the vocalist luxury cast, the direction only partially convincing.
On stage and just in front of the Festspielhaus.
The TV cameras whir, the photographers‘ still analogue SLR cameras clash – have you seen her, seen him?
Opposite the festival hall, passers-by gather to avoid celebrity, celebrities. The black limousines of the Ride Service taxi buses upscale hotels follow. Elegant to capricious ladies of society get out of the car, short stop in front of the photographers, „click“, „click“, „click“ and on into the foyer of the Festspielhaus. For the premiere one carries here still long. One or the other, probably newcomers, do not count on the limited width of the seats, maybe it will be a bit tight for the seat neighbors. But most of them are to be seen in elegant evening gowns, the gentlemen wear tuxedos or the costume version in green, the Easter Festival is still far more exclusive than the festival in summer. People know each other, most of them have already been subscribed for decades, some have already been handed over to the next generation. A glass of champagne, it rings, on the squares.
Director Jens-Daniel Herzog moves the events of the opera in a stuffy, non-political Nuremberg (where he is currently Intendant himself). The curtain opens and we see a stage built by Mathis Neidhardt, so to speak theater in the theater – in the foreground the stage portal of the Dresden Semper Opera – a hint that the production will continue there? In the background the Nuremberg St. Catherine’s Church, later appears a revolving stage, on which separated by a theater curtain, the various episodes play. You can see the director’s office, which suddenly has to serve as a cobbler’s workshop, costume fund, mask. But the concept does not work, it bites too often with Wagner’s directorial directions, causing confusion through confusion.
The task of the director has now Hans Sachs, well sung and played by Georg Zeppenfeld in his role debut, on which he was preparing 2 ½ years and now has to deal with the dual role of the shoemaker / director. So Hans Sachs stages the rehearsals for the Meistersinger, who appear to be the influential theater sponsors in their gray suits, all without exception operating at a high level, all the way to the night watchman.
In the background, the festival meadow, reminiscent of a musician’s nobility decorated something simple, the choir is dressed accordingly pretty. Junker Walther von Stolzing appears in Zimmermanns Wanderkluft. Really! Yes, think about the corner three times. The climax of silliness comes when the „miraculous tree“ sung by Stolzing floats from the sky and settles on the festival meadow. Where later, as in the whipping scene, wild hewing and stinging would be desirable, the choir instead of being underwent a thoroughbred chase in the beating chaos like a cornfield weighs nicely in the wind.
The director’s concept is not always conclusive from the perspective of the audience. Many, slightly over-intellectual finely worked out details are not visible except in the first rows and would be suitable for a smaller theater with the chamber-like direction. So in the big house, the scenery seems rather static. Bravely, toothless and unpolitical staged, the design of the depicted characters is multifaceted and subtle, but also this more suitable for the smaller stage. This big house definitely needs a big litter, otherwise the performers lose themselves on stage.
This is a pity, because all singers / actors are moving at a high level, both vocally and dramatically, and even under-challenged in acting. Perhaps the musical director Christian Thielemann has prevailed here, who, as we know, for music’s sake does not appreciate too much turmoil on stage. A risk, parallel to Kosky’s great Bayreuth Meistersinger production to bring this congested directorial work on stage.
Georg Zeppenfeld shines with his mastersingers debut singing and acting. He elegantly sang, elegant, young, slim and designed with bright, cantabile elegance and impeccable diction. A great singer-actor.
Beckmesser, sung by Adrian Eröd, has perhaps never been so masterfully portrayed, in no moment does he become a caricature, but is the tragicomic figure as a human being, failing in his longing for love as well as his artistic ambition, yet belonging to society – also filigree delicate and convincing.
Klaus Florian Vogt does not need to play Stolzing, it is him. He has embodied and played the role innumerable times, almost ageless, radiant and light-headed, probably for eternity.
Vitalij Kowaljow as Veit Pogner and Levente Páll as Kothner stand out among the consistently very well-staffed masters, David is sung by Sebastian Kohlhepp during his role debut as a rather adult Lehrbub lively and eloquent.
Jacquelyn Wagner sings the Eva a bit pale and inconspicuous, Christa Mayer as Magdalene also looks a bit simple.
The orchestra, clever and minimalist led by Christian Thielemann, convinced from the finest pianissimo to the accompaniment of the singers to the big sound rush, as usual.
Frenetic applause whenever Thielemann enters the stage; does the audience want to prevent musical changes in the near future? Since 2013, Christian Thielemann has been shaping the Easter Festival with the Staatskapelle in 1967, founded by Herbert von Karajan. The current director Prof. Peter Ruzicka should be replaced in 2020 by Nikolaus Bachler, currently director of the Bavarian State Opera. Now we know that Thielemann and Bachler are not friends, that Bachler might want to bring the Berliner Philharmoniker back to Salzburg under Kirill Petrenko.
By contrast, the plan for 2020 already organized: Verdi’s „Don Carlos“ will be given under Thielemann’s direction, directed by Vera Nemirova. Anna Netrebko, husband of Anna Netrebko, who is actually singing only forte with steel vocal chords, will give the title role, suggesting that Netrebko was originally planned. We will see…
„Die Meistersinger von Nürnberg“ by Richard WagnerEsterfestspiele SalzburgPremiere was on 13.04.2019
Musical direction: Christian Thielemann, Production: Jens-Daniel Herzog, Stage design: Mathis Neidhardt, Costumes: Sibylle Gädeke, Light: Fabio Antoci, Choreography: Ramses Sigl
With: Georg Zeppenfeld (Hans Sachs), Vitalij Kowaljow (Veit Pogner), Iurie Ciobanu (Kunz Vogelsang), Günter Haumer (Konrad Nightingale), Adrian Eröd (Sixtus Beckmesser), Levente Páll (Fritz Kothner), Markus Miesenberger (Balthasar Zorn), Patrick Vogel (Ulrich Eißlinger), Adam Frandsen (Augustin Moser), Rupert Grössinger ( Hermann Ortel), Christian Huebner (Hans Schwarz), Roman Astakhov (Hans Foltz), Klaus Florian Vogt (Walther von Stolzing), Sebastian Kohlhepp (David), Jacquelyn Wagner (Eva), Christa Mayer (Magdalene), Jongmin Park E (in Night watchman), Saxon Staatskapelle Dresden, Saxon State Opera Choir Dresden (rehearsal: Jörn Hinnerk Andresen), Bach Choir Salzburg (rehearsal: Alois Glaßner)
New production, co-production with Semperoper Dresden, Tokyo Bunka Kaikan, New National Theater, Tokyo
Further performance: Monday, April 22, 4:00 pm Large Festspielhaus
Author: Dagmar Loewe
Beraterin für Einrichtungen, Garten- und Modedesign. Passionierte Opern- und Konzertbesucherin. Lebt und arbeitet in Hamburg.