Premiere Meistersinger – Bayreuth 2017
von Holger Jacobs
- 7.2017
Gestern Abend wurden die 106. Bayreuther Festspiele mit der Premiere von „Die Meistersinger von Nürnberg“ von Richard Wagner eröffnet.
Zum ersten Mal inszenierte ein jüdischer Regisseur auf dem Grünen Hügel von Bayreuth.
Richard Wagners antisemitische Haltung ist hinlänglich bekannt, er hatte sie auch nie verleugnet. Die Nähe der Familie Wagner zu Adolf Hitler in der Zeit der Nazi-Diktatur im Deutschland der 30er und 40er Jahre lies den Komponisten Richard Wagner lange Zeit zum Buhmann der Juden in der ganzen Welt werden.
Noch im Jahre 2001 kam es in Israel zum Eklat, als Dirigent Daniel Barenboim mit seiner Berliner Staatskapelle auf dem Israel Musikfestival in Jerusalem am 7. Juli 2001 ein Stück von Richard Wagner aufführen wollte. Es wurde ihm durch einen Beschluss des Israelischen Parlaments verboten. Als er dann am besagtem Abend ein alternatives Programm spielte (Schumann, Strawinsky) fragte er das Publikum am Schluss, ob er vielleicht dennoch Auszüge aus „Tristan & Isolde“ spielen dürfe. Großer Jubel brach aus, nur vereinzelte Buhrufe. Und so wurde zum ersten Mal im Staate Israel ein Stück von Richard Richard gespielt. Es blieb bis heute die Ausnahme.
Barrie Kosky, der australische Regisseur mit jüdisch-osteuropäischen Wurzeln, interessierte sich schon zu Schulzeiten für Schauspiel und Bühne. Später studierte er Klavier und Musik an der Universität von Melbourne und wurde ein bekannter Theaterregisseur in Down Under. Anfang der 2000er Jahre kam er nach Europa. Zunächst an das Wiener Schauspielhaus. Neben dem Theater inszenierte er auch immer mehr Opern und Operetten und 2005 zum ersten Mal eine Oper von Richard Wagner: „Lohengrin“, für die Wiener Staatsoper. Später kamen weitere Wagner-Inszenierungen dazu, darunter den gesamten „Ring der Nibelungen“ (2009) in Hannover und „Tristan & Isolde“ (2007) in Essen. Und 2017 holte ihn Katharina Wagner für die Neuinszenierung der „Meistersinger von Nürnberg“ nach Bayreuth.
Seit der Spielzeit 2012/ 2013 ist Barrie Kosky Intendant der Komischen Oper in Berlin
Barrie Kosky ist, wie er selbst sagt, kein Freund des Menschen Richard Wagner, umso mehr aber ein großer Fan seiner Musik. Weshalb er auch das Angebot aus Bayreuth annahm, trotz aller Vorbehalte.
Da wir von kultur24 leider keine Pressekarte mehr bekommen konnten, möchte ich Euch hier einen Pressespiegel der Kritiken von heute präsentieren. Er gibt einigen Aufschluss über den Erfolg oder Misserfolg der gestrigen Premiere:
DIE WELT „Meistersinger als antisemitisches Propangawerk.“
„… der Hass auf das Fremde und das Andere wird bei Barrie Kosky zum Thema seiner Inszenierung“
Axel Springers „seriöses“ Tagesblatt berichtet, dass der Regisseur die erste Szene im Haus Wahnfried spielen läßt, wo Richard Wagner und seine Frau Cosima zum Kaffeekränzchen mit Franz List und dem (jüdischen) Dirigenten Hermann Levi geladen haben.
Richard Wagner sitzt am Klavier und fordert seine Gäste zum Spiel der „Meistersinger“ auf: Cosima Wagner wird zu Eva, Schwiegervater Liszt wird zu Evas Vater Veit Pogner, Wagner selbst spielt sowohl Walther von Stolzing als auch Hans Sachs und der Jude Hermann Levi darf (natürlich) den bösen Beckmesser spielen.
Die Rollen sind verteilt.
Im Laufe der Inszenierung wird Sixtus Beckmesser immer mehr zum abstoßenden Juden stilisiert, was soweit geht, dass ihm sogar eine riesige Maske übergezogen wird, die eine hässliche Jugendfratze zeigt.
Der erste Akt endet damit, dass das Wohnzimmer der Villa Wahnfried verschwindet und der Schwurgerichtssaal 600 des Nürnberger Justizpalastes, in dem die Nürnberger Prozesse 1945/1946 stattfanden, zum Vorschein kommt. Ein amerikanischer Soldat steht stumm in einer Ecke.
Ansonsten wäre Regisseur Barrie Kosky aber wenig eingefallen, meint DIE WELT.
Der BAYERISCHE RUNDFUNK “ Eine Reise durch Wagners Wahn“
und vermerkt, dass in manchen Szenen die Judenkarikatur eher wie der Wink mit dem Zaunpfahl wirkt.
Die RHEINISCHE POST „Die Meistersinger als Kriegsverbrecher Prozess“
DER TAGESSPIEGEL: „Ein politisch-polemischer Spaß“
ZEIT ONLINE „Bayreuther Festspiele: Der Prozess“
und meint zur Regie von Barrie Kosky: “ Je heftiger sich der 50-Jährige auf der Bühne gegen die Antisemitismus-Falle wehrt, desto stärker schnappt sie zu.“ Und kommt zum Fazit: „Enttäuschend konventionell“
SPIEGEL ONLINE „Die Festwiese als Nürnberger Prozess“
und endet in seiner Rezension mit dem Satz: „Die Meistersinger können als Gewinner verbucht werden.“
Ganz allgemein wurde die Neuproduktion der „Meistersinger“ als positiv und „erfreulich erfrischend“ von Kritik und Publikum aufgenommen. Großer Beifall schon zur Pause. So auch die Kommentare in den Sozialen Medien nach 4 1/2 Stunden Aufführung. Das Spektakel wurde live in über 120 Kinos in Deutschland übertragen – in Berlin in den York-Kinos und dem Cinemaxx.
Großer Lob auch für die Sänger, allen voran Michael Volle als Hans Sachs und Klaus Florian Vogt als Walther von Stolzing. Besonders Michael Volle wurde eine herausragende Leistung in Spiel und Gesang nachgesagt. Lob auch für Günter Groissböck als Pogner, Daniel Behle als David und Johann Martin Kränzle als Beckmesser.
Dirigent Philippe Jordan und sein Orchester wurden ebenfalls positiv bewertet, Jordans Dirigat als angenehm zurückhaltend. Nur Anne Schwanewilms als Eva wurde einhellig verissen – zu wenig jugendlicher Glanz in der Stimme.
Und somit lasse ich SPIEGE ONLINE gerne noch einmal zitieren:
„Die Meistersinger können als Gewinn verbucht werden“.
Bayreuther Festspiele GmbH
Festspielhügel 1-2
95445 Bayreuth
„Die Meistersinger von Nürnberg“
Regie: Barrie Kosky
Musik. Leitung: Philippe Jordan
Bühne: Rebecca Ringst
Kostüme: Klaus Bruns
Hans Sachs: Michael Volle
Walther von Stolzing: Klaus Florian Vogt
Sixtus Beckmesser: Johannes Martin Kränzle
Veit Pogner: Günther Groissböck
David, Sachsens Lehrbube: Daniel Behle
Eva: Anne Schwanewilms
Magdalena, Evas Amme: Wiebke Lehmkuhl
Nächte Vorstellungen: 31. Juli, 7., 15., 19. und 27. August 2017, jeweils um 16.00 Uhr (Ende gegen ca. 22.30 Uhr).
Author: Holger Jacobs
Founder & Editorial Director of kultur24.berlin ug.
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Former correspondent for fashion in Paris.
Photographer, writer and filmmaker.