Premiere von Elisabeth – Die wahre Geschichte der Sissi
im Admiralspalast Berlin
Wertung: 🙂 🙂 🙂 🙂 (vier von fünf)
Von Holger Jacobs
17.1.2016
Liebe Kulturfreunde,
Intro:
Für viele von Euch würde es niemals in Frage kommen in ein Musical zu gehen aber für viele andere ist es das pure Vergnügen. Auch ich hatte meine Zweifel als ich zur Premiere des Musicals „ELISABETH“ in Berlin eingeladen wurde. Gerade für eingeschworene Opernfans gilt das Musical als die Schlagermusik in der Unterhaltung. Aber genauso wie die Volksmusik hat sie Millionen von Anhängern. Also sollte ich dieser Musiktgattung zumindest eine Chance geben. Gerade wenn es auf einem Niveau wie bei der Produktion von „Elisabeth“ geschieht.
Der historische Hintergrund:
Wir alle kennen die Geschichte von „Sissi“, der österreichischen Kaiserin. Durch viele Romane und Verfilmungen wurde sie verewigt, wobei die bekanntesten unter ihnen natürlich die drei „Sissy“ Filme aus den 50er Jahren mit Romy Schneider sind. Die junge Romy war einfach so hübsch und zauberhaft, dass jeder ihrem Charme erliegen musste. Sie war wahrscheinlich die erste Frau, in die ich mich unsterblich verliebte.
Doch welche Umstände waren es, die den Mythos von Elisabeth, Kaiserin von Österreich, ausmachten?
Der Gründe gibt es gleich mehrere. Zunächst war sie wohl von großer Schönheit und zugleich von großer innerer Stärke. Sie war einer der wenigen Frauen im 19. Jahrhundert, die sich ihre Freiheiten erkämpfte und eine Unabhängigkeit erreichte, wie sie zu der damaligen Zeit unmöglich schien. 1837 geboren wuchs sie in ein Europa voller politischer Unruhen hinein. Wenige Jahrzehnte zuvor war durch die französische Revolution zum ersten Mal eine Monarchie gestürzt worden und Dichter und Denker wie Voltaire und Heinrich Heine trugen die Ideen der Aufklärung in die Welt hinaus. Einzig die Niederlage Napoleons und der anschließende Wiener Kongress erhielten zunächst die alten Machtstrukturen der übrigen europäischen Königshäuser. Die Revolution von 1848 in Deutschen Landen wie in Österreich wurde blutig niedergeschlagen. Trotzdem war der Freiheitsgedanke geboren, den wohl auch Elisabeth befiel. Heinrich Heine war einer ihrer Lieblingsautoren. Weiterhin kam der Umstand dazu, dass sie in ländlicher Umgebung mit größtmöglichen Freiheiten aufgewachsen war und plötzlich mit 15 vermählt wurde und nach in Wien ziehen musste. Die Etikette am Hof empfand sie als fürchterliches Korsette, die Benimmregeln und Vorschriften als unerträgliche Einengung ihrer Freiheit. Nachdem man ihr noch nicht einmal erlaubt hatte ihre eigenen Kinder zu erziehen, verließ sie immer häufiger das kaiserliche Wien und bereiste ganz Europa, besonders Frankreich, Griechenland und Ungarn. Zuletzt sprach sie 5 Sprachen fließend. Sie übersetzte sogar Theaterstücke von Shakespeare ins Griechische. Und trotzdem war ihr kein Glück beschieden. Ihr erstes Kind Sophie starb schon nach 2 Jahren und ihr einziger Sohn Rudolf nahm sich im Alter von 31 Jahren das Leben. Als am 10. September 1898 bei einem Aufenthalt in Genf der italienische Anarchist Luigi Lucheni ihr am Seeufer mit einer Feile direkt ins Herz stach, schien sie den Tod fast herbeigesehnt zu haben. Sie hatte es sogar noch geschafft, auf die wartende Fähre am Ufer zu laufen bevor sie endgültig zusammenbrach.
Wie bei allen Sagen der Menschheit, muss der Held am Ende sterben. So auch bei ihr. Und der Mythos war geboren…
Die Kritik:
Das Musical „Elisabeth“ gilt als das erfolgreichste deutschsprachige Musical aller Zeiten. Ihr Erfinder, Michael Kunze, ist seit den 60-er Jahren in München erfolgreicher Songschreiber und Plattenproduzent. Ihm verdanken wir solche Disco-Hits wie „Fly,. Robin, Fly“ von 1975, mit dem er Platz 1 den US Charts und einen Grammy erreichte. Ab 1983 fing er an sich für das Thema der Elisabeth zu interessieren. Nach fünfjähriger Arbeit am Libretto machte er sich mit seinem Partner Sylvester Levay an die Lied-Kompositionen. 1992 wurde das Musical in Wien uraufgeführt und bisher weltweit von 10 Millionen Zuschauern gesehen. Weitere Musicals, wie „Tanz der Vampire“, „Rebecca“ und „Marie-Antoinette“ folgten. Michael Kunze gilt somit neben Andrew Lloyd Webber („Cats“) als erfolgreichster Musical-Komponist und Produzent.
Sollte man, so wie ich, noch die „La Traviata“ an der Staatsoper mit Daniel Barenboim in den Ohren haben, muss man diese Erinnerung beim Öffnen des Vorhangs zu „Elisabeth“ ganz schnell vergessen. Wie ich schon in meinem Intro erwähnte, kann man diese beiden Welten nicht wirklich vergleichen. Das wäre so, als würde ich Schuberts „Winterreise“ mit Helene Fischers „Atemlos“ vergleichen. Aber wenn ich in Berlin in den Club Berghain gehe, erwarte ich auch nicht die Musik der Berliner Philharmoniker. Trotzdem kann ich beidem etwas abgewinnen. Und die Melodien von Kunze und Levay sind durchweg schön anzuhören, sehr harmonisch, manchmal sogar einprägsam. So wie das von Elisabeth gesungene Lied „Ich gehöre nur mir“. In der Oper würde man es als eine Arie bezeichnen (siehe dazu das Video auf meinen Youtube-Kanal). Und genau wie in der Oper klatscht das Publikum eifrig nach jeder Nummer. Aber auch die Stimmen der Sägerinnen und Sänger beim Musical unterscheiden sich gewaltig von denen der Opernbühne. Lange nicht so ausgearbeitet, bleiben sie eher leicht und fließend und wirken dadurch auch nicht so angestrengt. Hierbei hat mir besonders die Darstellerin der Elisabeth, Roberta Valentini, gefallen. Nicht nur ihr Äußeres, sondern auch ihre Stimme ist wirklich ansprechend. Genauso gut gefiel mir Kurosch Abbasi, der sowohl als Attentäter Luigi Lucheni, als auch als Moderator des gesamten Stücks auftritt. Eine besondere Rolle spielt die Figur des Todes, der Sissy ihr ganzes Leben begleitet, ihr tragisches Schicksal vorausahnend. Er wird gesungen von Mate Kamaras, der mir aber nicht so gut gefiel.
Die Inszenierung stammt von keinem geringeren als Harry Kupfer, der schon den Ring der Nibelungen von Richard Wagner in Bayreuth einstudierte. Hier hat man also einen altgedienten Profi engagiert. Weshalb die Personenregie auch durchaus gelungen ist. Die Bühne stammt von Hans Schavernoch, einem langjährigen Weggefährten des Regisseurs. Beide erarbeiteten auch zusammen an dem Ring in Bayreuth. Das Bühnenbild ist zeitlich nicht eingeordnet. Nur eingeblendete Bilder deuten auf eine bestimmte Epoche und auf bestimmte Orte hin. Eine große eiserne Zugbrücke dient als Auf- und Abgang der Darsteller.
Alles in allem ein gelungener Abend. Mit illustrem Premierenpublikum. Viel Prominenz aus Showbiz und Theater und sogar der letzte noch lebende Nachfahre der Kaiserin Elisabeth war gekommen, Leopold Prinz von Altenburg, zusammen mit Eduard Prinz von Anhalt und seinen beiden Töchtern Prinzessin Felicitas und Prinzessin Juschka. Großer Applaus am Schluss und Bravorufe hallten durch den Admiralspalast.
„Elisabeth“ läuft noch bis zum 14. Februar 2016 in Berlin, danach vom 18.2 – 27.3.2016 in Hamburg.
Author: Holger Jacobs
Founder & Editorial Director of kultur24.berlin ug.
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Former correspondent for fashion in Paris.
Photographer, writer and filmmaker.